Gelsenkirchen. Das XXL-Interview der fünf Gelsenkirchener Bezirksbürgermeister (SPD) sorgt nicht nur für Aufsehen, sondern auch für Zuspruch anderer Parteien.

„Bemerkenswert“, „mutig“, „wurde auch Zeit“, so und so ähnlich lauten zahlreiche Reaktionen auf das Interview der fünf Bezirksbürgermeister Gelsenkirchens mit der WAZ, in dem das Quintett nicht nur auf die Probleme aufmerksam macht, die es in den Stadtquartieren mit Zuwanderern aus Südosteuropa erlebt, sondern auch die Diskrepanz betont, die die Bezirksbürgermeister zwischen der Stadtverwaltung und der Polizei auf der einen und den Bürgern auf der anderen Seite erleben. „Manchmal haben wir das Gefühl, dass die Stadtverwaltung, die Berufspolitiker – auch in Land und Bund – und die einfachen Bürger in verschiedenen Welten leben“, sind sich die fünf Bezirksbürgermeister einig, denen sich die Nackenhaare aufstellen, wenn sie an die Arbeitskreise und Integrationsangebote denken, die aus ihrer Sicht nur Kosmetik sind und weit an einer Problemlösung vorbeigehen.

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Dass sie für derlei Aussagen in ihrer eigenen Partei, der SPD in Gelsenkirchen, nicht nur Zuspruch erfahren werden, war Thomas Fath, Joachim Gill, Marion Thielert, Wilfried Heidl und Dominic Schneider auch vorher klar. Dennoch entschlossen sich die fünf im WAZ-Gespräch „die Probleme unserer Stadt öffentlich und deutlich anzusprechen, weil die Zukunft Gelsenkirchens in Gefahr ist.“

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Zuspruch erhielten die fünf ehrenamtlichen Bezirksbürgermeister indes nicht nur von vielen WAZ-Lesern, sondern auch von anderen Parteien. Der Sprecher der CDU-Ratsfraktion im Ausschuss für Ordnung, Prävention und Verbraucherschutz, Frank-Norbert Oehlert, etwa sagt: „Dass die SPD-Bezirksbürgermeister diesen Schritt jetzt wagen, zeugt auch davon, dass die bleierne Schwere der Baranowski-Jahre auch von der SPD abfällt. Nur wer Missstände offen benennt, kann Probleme auch lösen. Das dies jetzt wenige Monate nach der Kommunalwahl endlich möglich scheint, bringt uns der Problemlösung zumindest schon mal näher“.

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Die CDU jedenfalls, die seit vergangenem Herbst in einer Großen Koalition mit der SPD im Rat der Stadt steckt, sei nicht bereit, so Oehlert weiter, „sich die Zukunft unserer Stadt aus der Hand nehmen zu lassen, egal von welchen Gruppen.“ Oehlert deutet an, dass es ein Erfolg seiner Partei – zumindest aber der neuen Kooperation mit der SPD sei – dass inzwischen „auf kommunaler Ebene alles angeschoben wird, was der Rechtsstaat hergibt“, erklärt der Christdemokrat, ohne dabei aber Konkretes zu benennen.

CDU wünscht sich gemeinsamen Druck aller Parteien auf Bundes- und Europapolitiker

„Wer nur zuschaut, hat schon verloren. Und ja: Das hätte alles schon vor Jahren passieren müssen. Aber dass wir jetzt mit den SPD-Bezirksbürgermeistern hier für die volle Härte des Gesetzes beim kommunalen Vorgehen an unserer Seite wissen, macht endlich das nötige Handeln möglich. Auch wenn die Missstände sich nicht von heute auf morgen beseitigen lassen, bin ich sicher, dass wir hier in den kommenden Monaten nach und nach sichtbare Erfolge erzielen können, wenn wir klare Kante zeigen“, so Oehlert weiter.

Um die Ursachen zu bekämpfen sieht die CDU – ebenso wie andere Parteien in Gelsenkirchen – aber die Bundes- und Europapolitiker in der Pflicht: „Hier muss dringend gegengesteuert werden und das gilt für Vertreter aller Parteien. Das funktioniert nur gemeinsam, um endlich ein Verständnis für unsere Situation vor Ort zu schaffen und auch eine Nachjustierung an den entscheidenden Stellen zu schaffen.“

Polizei Gelsenkirchen: „Wir kommen immer, wenn wir gerufen werden“

Für einige Irritation im Polizeipräsidium hatte indes die Aussage Joachim Gills, Bezirksbürgermeister für den Westen der Stadt, gesorgt, der im WAZ-Interview sagte, „in Horst rufen die meisten Menschen schon oft gar nicht mehr die Polizei, wenn es mal wieder Ärger an der Rüttgergasse oder der Markenstraße gibt. Denn die Beamten kommen entweder nicht oder erst viel zu spät.“

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Matthias Büscher, Sprecher der Gelsenkirchener Polizei erklärt dazu: „Die Polizei nimmt Notrufe sehr ernst und ist darüber hinaus auch verpflichtet, jeden Einsatz, der aus einem Notruf resultiert, wahrzunehmen und den Sachverhalt vor Ort zu klären und aufzunehmen. Bei der Abarbeitung der gesamten Einsatzlage muss selbstverständlich stets eine Priorisierung durch uns erfolgen. Zu einem Raub oder Verkehrsunfall mit Verletzten müssen die Polizeibeamten mitunter sofort ausrücken, während eine Ruhestörung oder ein gemeldeter Parkverstoß eventuell länger auf einen Streifenwagen warten müssen.“

Deshalb benötigten die Polizistinnen und Polizisten zwar manchmal mehr Zeit, um am entsprechenden Einsatzort einzutreffen, „aber sie kommen in jedem Fall und so schnell wie möglich. Bürgerinnen und Bürger, die sich mit einem Notruf bei der Polizei melden, können sich also sicher sein, dass wir kommen und uns kümmern“, erklärt Büscher.