Gelsenkirchen. Mehr Freiheiten für Geimpfte? Warum der Bezirksleiter Gelsenkirchen der Kassenärztlichen Vereinigung dem diskutierten Vorschlag zustimmt.

Angesichts steigender Infektionszahlen ist eine neuerliche Debatte um Corona-Maßnahmen entbrannt. Die Frage ist: Sollten gegen Corona-Geimpfte mehr Freiheiten genießen als Ungeimpfte? Dr. Klaus Rembrink, ärztlicher Leiter des Gelsenkirchener Impfzentrums, ist ein Befürworter des Vorschlags aus dem Berliner Kanzleramt.

Leiter des Impfzentrums sicher: Mehr Freiheiten für Geimpfte würde mehr Unentschlossene überzeugen, sich zu schützen und die Impfquote erhöhen

Aus medizinischen Gründen befürworte ich diesen Vorschlag“, sagt Klaus Rembrink. „Ich glaube, die Aussicht auf mehr Freiheiten für Geimpfte würde mehr Unentschlossene davon überzeugen, sich durch eine Impfung vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen, Auch würde sich die Impfquote endlich deutlich erhöhen.“ Derzeit liegt die Quote vollständig Geimpfter in Gelsenkirchen bei rund 52 Prozent. Für Herdenimmunität müssten 85 Prozent erreicht werden.

Der Gelsenkirchener Arzt Dr. Klaus Rembrink ist ärztlicher Leiter des Impfzentrums. Aus medizinischer Sicht befürwortet er mehr den Vorschlag, Geimpften mehr Freiheiten zuzugestehen.
Der Gelsenkirchener Arzt Dr. Klaus Rembrink ist ärztlicher Leiter des Impfzentrums. Aus medizinischer Sicht befürwortet er mehr den Vorschlag, Geimpften mehr Freiheiten zuzugestehen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hat Einschränkungen für Nicht-Geimpfte ins Spiel gebracht und damit Kritik und Skepsis ausgelöst - auch in der eigenen Partei. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet findet wenig Gefallen an Brauns Vorschlag. „Ich halte nichts von Impfpflicht und halte auch nichts davon, auf Menschen indirekt Druck zu machen, dass sie sich impfen lassen sollen“, sagte Laschet im ZDF-Sommerinterview. Der Beitrag wurde am vergangenen Sonntag ausgestrahlt.

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++

Klaus Rembrink begründet seine Haltung mit einer deutlich erhöhten Sicherheit im Alltag als Folge: „Eine Impfung ist immer sicherer als ein Test, der, wenn er zwei Tage alt und als Beleg zwar noch Gültigkeit besitzt, nicht mehr wirklich so aussagekräftig ist.“ Im Blick hatte der Arzt dabei das Aufeinandertreffen größerer Menschengruppen in geschlossenen Räumen, etwa in Restaurants, Kinos und Theater. „Denn: Trotz der verhängten Corona-Regeln steigen die Corona-Fallzahlen wieder an“, so der Leiter des Impfzentrums weiter.“ Das sei besorgniserregend, so eine größere vierte Welle unausweichlich.

Auch interessant

Der Gelsenkirchener Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Er sieht in Privilegien für Geimpfte einen Grundrechtsverstoß.
Der Gelsenkirchener Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. Er sieht in Privilegien für Geimpfte einen Grundrechtsverstoß. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Gelsenkirchener Bundespolitiker Marco Buschmann: Verletzung der Grundrechte

Ganz anders steht der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, den Privilegien für Geimpfte gegenüber, wie der Gelsenkirchener den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland sagte: „Natürlich“ seien Anreize für eine möglichst hohe Impfquote nötig. „Aber wenn feststeht, dass von Getesteten, Geimpften und Genesenen in gleicher Weise keine Gefahr ausgeht, dann darf man sie auch nicht unterschiedlich behandeln“, sagte Buschmann. „Das wäre sonst eine Verletzung ihrer Grundrechte.“

Auch interessant

Widerspruch von Gelsenkirchener Anwalt: Rechte sind nicht grenzenlos

Dem widerspricht der Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens. „Rechte sind nicht grenzenlos, sondern können durch Gesetze beschränkt werden.“ Als Beispiel nennt Kempgens das Infektionsschutzgesetz, auf dem im Ergebnis fast alle aktuellen Beschränkungen basieren.

Nächster Impftag im Zentrum ist am Mittwoch

Es gibt auch rechtlich relevante Argumente für eine Gleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften. So kann dabei vermutlich der gesellschaftliche Friede und Zusammenhalt besser gewahrt werden, als in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Das nächste Impfangebot ohne Termin und für jedermann im Impfzentrum in der Emscher-Lippe-Halle ist am morgigen Mittwoch, 28. Juli.

Dem Leiter des Gelsenkirchener Impfzentrums, Dr. Klaus Rembrink, ist aufgefallen, dass sich zuletzt immer mehr unter 30-Jährige haben impfen lassen.

Und: „Selbst wenn der Vorstoß des Ministers tatsächliche Begünstigungen bedeuten soll, also tatsächliche und über die staatlichen Pflichten hinausgehende Vorteile, dürfte auch das verfassungsrechtlich möglich und zulässig sein“, urteilt der Gelsenkirchener Anwalt und greift als Beispiele Freizeitaktivitäten wie Restaurant- oder Kinobesuche auf.

Auch interessant

Rechtsanwalt Arndt Kemgens aus Gelsenkirchen. Er sagt: Rechte sind nicht grenzenlos.
Rechtsanwalt Arndt Kemgens aus Gelsenkirchen. Er sagt: Rechte sind nicht grenzenlos. © Foto: Nikos Kimerlis

Hintergrund dessen ist, dass der Staat seiner Pflicht (Grundversorgung) nachkommt. Und wie vom Bundesverfassungsgericht beschlossen „wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich“ behandelt.

Im Klartext heißt das laut Kempgens: „Die Unterscheidung zwischen Geimpften und Nichtgeimpften dürfte nicht gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, wenn sie - medizinisch nachgewiesen - übergeordneten Zwecken der Allgemeinheit dient – beispielsweise der Eindämmung einer Pandemie.“