Gelsenkirchen. Starkregen hat bundesweit zu Chaos geführt. Gelsenkirchen blieb verschont. Aber: Wetterdienst registriert hier zunehmend höhere Niederschläge.

Guido Halbig, Leiter des Deutschen Wetterdienstes, Niederlassung Essen.
Guido Halbig, Leiter des Deutschen Wetterdienstes, Niederlassung Essen. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Der Klimawandel bringt ihn mit sich: den Starkregen. Und mit ihm überflutete Häuser und Straßen. Der Deutsche Wetterdienst sagt voraus, dass solche Ereignisse künftig öfter eintreten werden – lokal begrenzt, aber dafür an jedem Ort möglich und mit zunehmender Stärke.

Leiter des Wetterdienstes: Extreme Wetterlagen werden künftig häufiger auftreten

Auch interessant

„Die Temperaturen steigen an“, erklärt Guido Halbig, Leiter des Deutschen Wetterdienstes in Essen. „Und weil sich die Atmosphäre stärker aufheizt, kann sie auch mehr Wasserdampf aufnehmen.“ Ergo fällt mehr Regen. „Extreme Wetterlagen werden daher künftig häufiger auftreten.“

Hagen kann davon ein Lied singen, dort fielen 200 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde. Auch andere Regionen und Städte waren betroffen wie etwa Erkrath. Zeitweise waren Orte sogar abgeschnitten von der Außenwelt. Erdrutsche, abgesoffene Städte, evakuierte (Kranken-)Häuser und mehrere Tote waren die Folge. Die Gelsenkirchener Feuerwehr schickte freiwillige Helfer in Überflutungsgebiete.

Auch interessant

Starkregen hat es in Gelsenkirchen seit Aufzeichnungsbeginn 1941 häufiger gegeben. 1952 etwa waren es 67 Liter pro Quadratmeter, 1981 ähnlich viel und zuletzt am 7. Juni 2016 44 l/qm in 24 Stunden. Die folgenschwere Veränderung zu heute liegt im Detail: Auf 24 Stunden hin stellen solche Güsse kaum ein Problem dar, in einer Stunde aber schon.

Wetterstation Gelsenkirchen-Buer registriert Anstieg bei den Niederschlägen

Auch interessant

Halbig und sein Team haben sich die Mühe gemacht und die Daten der DWD-Wetterstation in Buer ausgewertet, sie ist seit 1991 in Betrieb. Sie haben die Tage zusammengetragen, an denen in Buer mindestens 20 mm Niederschlag pro Tag - also umgerechnet 20 Liter pro Quadratmeter - gefallen ist. Und zwar einmal für das Gesamtjahr und einmal über die Monate Juni bis August (Für das Jahr 2021 Daten jeweils nur bis zum Monat Juni). Das Ergebnis: „Beide Grafiken zeigen einen Anstieg, sowohl für das Gesamtjahr als auch für die Monate“, sagt der Wetterexperte.

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++

Auch interessant

Warum extreme Wetterlagen - neben Hitzewellen unter anderem auch starke Überflutungen - zunehmen, auch das erklärt Guido Halbig. „Das hängt mit dem Jetstream zusammen“, so der Essener DWD-Leiter. Der Jetstream ist ein Starkwindband in etwa zehn Kilometer Höhe. Experten beobachten, dass es an Kraft verliert. Deshalb halten sich Hitze, Regen oder Kälte über längere Zeiträume an einem Ort.

Wetter-Experte: Kraftloserer Jetstream begünstigt extreme Wetterlagen

Der Wind ist dazu da - in diesen Höhen mit einem Tempo von bis zu 500 Stundenkilometern - , Druckunterschiede auszugleichen, die es in der Erdatmosphäre gibt. Am Äquator ist es warm, an den beiden Polen sehr kühl. Um dieses Gefälle abzumildern, weht ständig ein heftiger Wind - aber nicht am Boden, sondern eben in der sogenannten Troposphäre weit oben.

„Der Klimawandel und die zunehmende Erderwärmung haben zur Folge, dass sich die Polkappen stärker erwärmen als die Tropen am Äquator, erklärt Halbig weiter. Das bedeutet für den Jetstream, dass er kein so großes Temperaturgefälle mehr ausgleichen muss. Die Folge: Der Wind verlangsamt seine Geschwindigkeit und Wetterlagen halten sich über längere Zeiträume stabil. „Es kann also lange heiß an einem Ort sein oder auch besonders viel und lange regnen“, so Guido Halbig.

Hintergrund: Von einem Niederschlag als Starkregen spricht man, wenn mindestens fünf Liter auf den Quadratmeter in fünf Minuten oder mehr als 17 Liter pro Quadratmeter in einer Stunde gefallen sind.

Die Niederschlagsmenge wird meist in Millimeter angegeben. Die Umrechnung der Einheiten ist einfach: 1 mm Niederschlag bedeutet 1 Liter Niederschlag pro Quadratmeter.