Gelsenkirchen. Ein Institut hat geprüft, wie man das Straßenbahnschienennetz in Gelsenkirchen ausbauen kann. Jetzt gibt es einen ersten Zwischenbericht.

„Früher war mehr Lametta“ heißt es bekanntlich bei Loriot – „früher war mehr Straßenbahn“, das erzählen einem gerne ältere Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener. Bis in die 1980er-Jahre war das Straßenbahnnetz in der Stadt dichter, dann wurden vielerorts Schienen zurückgebaut und Bahnen durch Busse ersetzt. Das könnte sich in Zukunft wieder ändern.

Das Thema hatte es in die Wahlprogramme mehrerer Gelsenkirchener Parteien geschafft: Unter anderem die Grünen, die SPD und die CDU hatten gefordert, zumindest über einen Ausbau des Schienennetzes in der Stadt nachzudenken, und auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU findet sich das Thema. „Wir prüfen den Ringschluss der Stadtbahnlinie 301 über Horst, die Grothusstraße hin zum Gelsenkirchener Hauptbahnhof“, heißt es da. „Zudem ist die Verlängerung der Stadtbahnlinie 302 bis zum Buer Nord-Bahnhof Ziel. Standardisierte Bewertungen für die jeweiligen Maßnahmen sollen Aufschluss über Bedarf und Umsetzbarkeit geben.“

Das sind die drei „Korridore“ in Gelsenkirchen, die infrage kommen

Im Klartext heißt das: Es wird zunächst einmal geprüft, welche Baumaßnahmen wirtschaftlich Sinn ergeben und sich auch finanzieren lassen. Das geht nur, indem man sich Geld aus Fördertöpfen beschafft, allein kann die notorisch klamme Stadt ein solches Riesenprojekt nicht stemmen. Die Stadt beauftragte das Institut „PTV Transport Consult GmbH“ mit der Erstellung einer ersten Machbarkeitsstudie. Seit Januar 2021 arbeiten das Institut und das Referat Verkehr der Stadt gemeinsam an der Studie. In der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Mobilitätsentwicklung stellte Rimbert Schürmann von der PTV jetzt erste Zwischenergebnisse vor.

Machten sich am Bahnhof Buer-Nord ein Bild von den Plänen: Die SPD-Mitglieder des Verkehrsausschusses Roberto Randelli, Fraktionsvorsitzender Axel Barton, Elsbeth Schmidt, Ralf Fittkau, Silke Wessendorf und Anna-Lena Karl (v.l.).
Machten sich am Bahnhof Buer-Nord ein Bild von den Plänen: Die SPD-Mitglieder des Verkehrsausschusses Roberto Randelli, Fraktionsvorsitzender Axel Barton, Elsbeth Schmidt, Ralf Fittkau, Silke Wessendorf und Anna-Lena Karl (v.l.). © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Konkret hatte das Institut drei potenzielle „Korridore“ einer Straßenbahnerweiterung unter die Lupe genommen. Korridor 1 betrifft den Ringschluss der Linie 301, also eine Verlängerung von Schloss Horst über Heßler und/oder die Feldmark bis zum Hauptbahnhof. Korridor 2 sieht die Verlängerung der Linie 302 bis zum Bahnhof Buer-Nord oder darüber hinaus bis zum Bahnhof Gelsenkirchen-Hassel vor, Korridor 3 schließlich die Anbindung der Westfälischen Hochschule an das Straßenbahnnetz.

Straßenbahnanschluss für die Westfälische Hochschule?

Jeden dieser Korridore hatte die Studie intensiv unter die Lupe genommen und, wo möglich, mehrere potenzielle Streckenführungen ausgearbeitet. Beim Ringschluss der 301 habe es mehrere Varianten gegeben, von denen zwei weiterverfolgt würden, erklärte Schürmann: Zum einen von Horst über die Straßen An der Rennbahn, Grothusstraße und Overwegstraße bis zu den bestehenden Schienen auf der Feldmarkstraße, zum anderen mit dem „Schlenker“ über die Hans-Böckler-Allee auf die Feldmarkstraße.

Bei der Verlängerung der Linie 302 werden auch beide Varianten geprüft: Zum einen über die De-La-Chevallerie-Straße bis zum Bahnhof Buer-Nord, außerdem die Fortführung über Polsumer Straße und Eppmannsweg bis zum Bahnhof Hassel. Während es diese Linienführung schon einmal gegeben hat (früher fuhr die Straßenbahn sogar über Hassel hinaus bis Polsum) wäre der Korridor 3 komplett neu: Er soll die Haltestelle Buer Rathaus mit der Westfälischen Hochschule verbinden. Für diese Variante prüfte das Planungsbüro vier Varianten, übrig geblieben ist davon eine: Sie führt über die Horster Straße, Vinckestraße, Devesestraße und Neidenburger Straße bis zur Hochschule.

So geht es in Sachen Straßenbahnausbau weiter

Wohlgemerkt: Bei diesen Plänen handelt es sich um einen Zwischenstand, der jetzt den Verkehrsausschuss-Mitgliedern vorgestellt wurde. Wie viel von diesen Plänen umgesetzt wird, entscheidet sich vermutlich bis Ende des Jahres. In der Zwischenzeit sollen die Pläne einer sogenannten „standardisierten Bewertung“ unterzogen werden: Dabei wird die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme geprüft sowie die Möglichkeit, Fördergelder zu bekommen. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses werden die politischen Gremien dann entscheiden, ob und wie viele der Maßnahmen in Angriff genommen werden.

Das bringt die „standardisierte Bewertung“

Die sogenannte „standardisierte Bewertung“ ist ein Verfahren zur gesamtwirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Untersuchung von ÖPNV-Projekten in Deutschland. Dabei wird sowohl eine Nutzen-Kosten-Analyse sowie eine Folgekostenrechnung vorgenommen.

Das Verfahren soll eine vergleichbare Bewertung verschiedener Projekte nach landesweit einheitlichen Maßstäben liefern und außerdem eine Aussage zur Förderfähigkeit erlauben.

Axel Barton, Fraktionsvorsitzender der SPD, drückte die Hoffnung aus, dass zumindest die relativ kurze Strecke zwischen Buer-Rathaus und Buer-Nord gebaut wird. Er drückte mit Blick auf die Haushaltsberatungen im September und Oktober aufs Tempo: „Es wäre schön, wenn wir schon in der nächsten Sitzung des Verkehrsausschusses im September einen weiteren Zwischenstand bekämen.“

Ähnlich äußerte sich Wolfgang Heinberg von der CDU: „Ich erhoffe mir, spätestens im November einen Überblick über die Planungskosten zu gewinnen“, so der Christdemokrat. „Wir wollen nicht quatschen, sondern machen.“