Gelsenkirchen. Ehrenamtler, das sind die heimlichen Helfer und Helden. Wie die Corona-Pandemie den Gelsenkirchener Hilfsorganisationen zugesetzt hat.
Mutig und selbstlos packen sie an, sind beseelt von Füreinander und Miteinander. Nur wahrgenommen werden sie eher selten. Deshalb stehen die Namen Christoph Kopietz, Dominik Reinert, Malte Vierhaus, Mirco Engwald, Sascha Schwarz und Thorsten von der Fecht hier stellvertretend für ein kleines Heer heimlicher Helden vom Malteser Hilfsdienst, THW, Johanniter Unfallhilfe, Freiwilliger Feuerwehr und DRK. Kümmerer, denen Dank gebührt, die diesen aber nie direkt einfordern würden. Helfer, denen die Corona-Pandemie Krise zusetzt.
Fehlender Dienst-Rhythmus führt zu einer erodierenden Kameradschaft
„Unsere Arbeit als Ehrenamtler ist geprägt von ganz viel Einsatz, hunderten helfenden Hände von Frauen und Männern, ganz viel Individualismus und das alles in unserer Freizeit“, sagt Sascha Schwarz von der Freiwilligen Feuerwehr in Gelsenkirchen. Sein Credo ist ebenso das seiner Mitstreiter. Auch sie opfern viel private Lebenszeit für die Gesellschaft, unentgeltlich.
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Denn: „Der Arbeitgeber bekommt eine Erstattung für den Ausfall Mitarbeitender, die Helferinnen und Helfer selbst im Höchstfall nur eine kleine Aufwandsentschädigung. Die Arbeit aber bleibt liegen und muss später trotzdem erledigt werden“, sagen die sechs Männer.
Von den Helfern wird erwartet, stets startklar zu sein. Die Einsatzbereitschaft ist auch da, sie ist aber durch die lange Corona-Pandemie auf eine harte Probe gestellt worden. Damit jeder Handgriff im Schlaf sitzt, muss die Rettungskette regelmäßig geübt werden. Die Reanimation eines Verletzten ebenso wie der Aufbau eines Großraumzeltes oder die Bedienung von Stromaggregaten. Im Team.
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„Das aber hat ein strenges Corona-Schutzregelwerk so gut wie unmöglich gemacht“, sagen Dominik Reinert und Malte Vierhaus vom THW. Üben zu zweit oder zu dritt, dazu noch auf Abstand – das geht weit am Ziel vorbei.
Der fehlende Rhythmus ist das eine Manko, die bröckelnde Struktur, „der so grundlegend wichtige Zusammenhalt“, das andere, wie Christoph Kopietz (Malteser), Mirco Engwald (Johanniter) und Thorsten von der Fecht (DRK) ergänzen. Schon in normalen Zeiten reduziert sich die Bereitschaft, Dienst zu schieben, meist auf einen harten Kern. Corona hat diese Erosion zusätzlich verstärkt, weil mit zunehmender Dauer der Krise auch das Gefühl wächst, nicht gebraucht zu werden.
Aufteilung in die Bereiche Technische Hilfeleistung und Sanitätsdienst
Um zu verstehen, was alles weggebrochen ist, empfiehlt sich ein Blick auf die Aufgabenfelder der Helfer. THW und Freiwillige Feuerwehr obliegt die technische Hilfeleistung, DRK, Johannitern und Maltesern die unterstützende Hilfe - dem Sanitätsdienst, die Betreuung und der Transport von Patienten. Überschneidungen inbegriffen bei Großlagen.
Als Beispiele dafür dienen zum einem die Beseitigung eines Schneechaos oder von Sturmschäden (Ela, Kyrill) und zum anderen Großveranstaltungen wie Loveparade, Rock-Hard-Festival, Vivawest-Marathon, Rosenmontagszug oder Bundesligaspiele. Die aktuellen Einsätze in den Impfzentren oder bei Bombenentschärfungen wie jetzt gerade aktuell wiegen das offenbar weit weniger auf, als man denkt.
Trotz Kompetenz: Dienststunden in der Corona-Pandemie meist auf etwa die Hälfte reduziert
In Zahlen ausgedrückt haben sich die abgeleisteten Dienststunden in Corona-Zeiten bei jeder der Hilfsorganisationen in etwa halbiert, bei der FFW sogar auf ein Drittel reduziert. „Da ist es nicht unwahrscheinlich, dass einige Helfer den Wert von Freiheit und Freizeit mehr zu schätzen gelernt haben, als sich wieder in den Dienst für die Allgemeinheit zu stellen“, fürchten die Ehrenamtler mit Blick auf die Zeit nach der Pandemie. „Die Kameradschaft zerfällt langsam“, so ihre Beobachtung. Und damit die Leistungsfähigkeit der Hilfsorganisationen.
Natürlich gebe es auch schöne Momente. Etwa, wenn Geimpfte aus Dankbarkeit Kuchen vorbeibringen. Aber es haben sich auch viele Negativerlebnisse ins Gedächtnis der Helfer gebrannt, etwa Beschimpfungen, weil sie Geflüchteten in der Emscher-Lippe-Halle eine Unterkunft bauten. Wenn sie bei Fußballspielen von rivalisierenden Fans angepöbelt und bedroht werden, wenn sie Zugewanderten in prekärer Lage zur Seite stehen - nur weil sie einem Menschen in Not zu helfen versuchen.
Christoph Kopietz, Dominik Reinert, Malte Vierhaus, Mirco Engwald, Sascha Schwarz und Thorsten von der Fecht nehmen das alles hin. Es nagt an ihnen. Trotzdem sagen sie: „Nach wie vor überwiegt das Gefühl und Bedürfnis, anderen zu helfen, weniger, in der Krise nicht gebraucht zu werden.“
Wunsch: Eine nachhaltigere Anerkennung als ein schnell verhallter Applaus
Und danach? Welche Lehren, welche Forderungen oder Wünsche ergeben sich für sie?
„Die Krise hat gezeigt, dass unser System nach wie vor mehr für den Katastrophenschutz als für eine globale Pandemie ausgelegt ist.“ Ein Umstand, der der Vergangenheit geschuldet sei mit den Kriegen. Kompetenz, Kapazität und der Wille, mehr zu tun ist reichlich da, „nur stellt sich am Ende die Frage, wer das letztendlich alles bezahlt“
Immerhin, und darüber freuen sich die heimlichen Helden, Corona hat zu einem Umdenken geführt. Das Land NRW würdigt den Einsatz der Hilfsorganisationen für ihre Einsätze in der Pandemiebekämpfung mit jeweils 5000 Euro pro Einheit. Der Zuschuss darf ausschließlich für Ausgaben eingesetzt werden, die dem direkten Wohl der Helferinnen und Helfer dienen, also beispielsweise für ein Dank-Fest oder Teambuilding-Maßnahmen. „Nicht übermäßig viel“, sagen die Helfer mit Blick auf die Mitglieder, aber ein Anfang. „Und nachhaltiger als Applaus.“
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