Gelsenkirchen. Als Hauptschulleiter Gerd Dombrowski anfing, gingen die Gelsenkirchener Absolventen noch direkt zum Pütt. Ein Rückblick auf 43 Jahre Schuldienst.

Der Hauptschule ist Gerd Dombrowski bis zum Ende treu geblieben. 1981 hatte der (noch) 65-Jährige nach der Lehramtsausbildung seine erste Stelle an der Hauptschule Sandstraße in Gelsenkirchen angetreten. Damals gingen die meisten Jungen von der Hauptschule direkt in die Ausbildung auf Zeche Nordstern. Und wer nicht auf den Pütt ging, träumte vom Kfz-Mechaniker-Beruf oder wurde Arzthelferin. Das war an der Hauptschule Frankampstraße in den 90er-Jahren so und auch später an der Ewaldschule noch, die Dombrowski von 1995 bis 2009 leitete.

Jetzt, in seiner letzten Station an der Hauptschule Grillostraße, die er seit 2017 leitet, sind direkte Übergänge seiner Schüler in eine Ausbildung eher die Ausnahme. Vor allem in diesem durch Corona ausgebremsten Jahrgang wird das so sein, fürchtet er. Das Problem: Die gerade für Hauptschulen so wichtigen Berufspraktika haben kaum stattfinden können; das gilt selbst für die Langzeit-Praktikaklasse im neunten Jahrgang mit normalerweise drei Praktikumstagen je Woche.

Unterrichtskonzepte über die Jahre enorm weiterentwickelt

Der Unterricht sei auch im Lockdown dank guter digitaler Ausstattung und engagierter Kollegen erfreulich gut gelaufen. Selbst Chemie-Experimente seien online möglich gewesen, so Dombrowski. Allerdings habe es für viele Kinder Einschränkungen aufgrund der Bedingungen gegeben, unter denen sie zuhause arbeiten mussten. „Wir haben gesehen, wie Kinder mit ihrem I-Pad auf der Bettkante hockten und die I-serv-Konferenz verfolgten, im Hintergrund war ein anderes Kind zu hören, das in einer anderen Klasse konferierte. Und mancher konnte gar nicht mitmachen, weil es daheim kein Internet gab, auch nicht per Smartphone.“

„Nur weil sie nicht gut deutsch sprechen, sind sie nicht dumm“

Die geplante Schulhofsanierung hat bis zum Ende von Dombrowskis Dienstzeit nicht mehr geklappt. Umso mehr freut der scheidende Schulleiter sich über sein engagiertes Kollegium, das sich für seine Schützlinge einsetzt.
Die geplante Schulhofsanierung hat bis zum Ende von Dombrowskis Dienstzeit nicht mehr geklappt. Umso mehr freut der scheidende Schulleiter sich über sein engagiertes Kollegium, das sich für seine Schützlinge einsetzt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Derzeit geht es an seiner Schule vor allem darum, die Schülerinnen und Schüler nach dem Lockdown wieder an einen strukturierten Schultag zu gewöhnen. Auch die Sprachkenntnisse sind in der Isolation nicht besser geworden. Aber Dombrowski lässt sich von schwierigen Voraussetzungen nicht abschrecken und schon gar nicht unterkriegen. „Es heißt immer, wir hätten schwierige Kinder. Für mich sind es unterhaltsame Kinder, wir haben tolle Kinder dabei. Nur weil sie nicht gut deutsch sprechen, zum Teil andere Werte pflegen und einen anderen kulturellen Hintergrund haben als wir, sind sie nicht dumm.“ Und er ist auch optimistisch, dass die Kinder gut gefördert werden. „Der Unterricht hat sich seit meiner Anfangszeit enorm entwickelt, ist sprachsensibel geworden, so vieles ist möglich. Und viele qualifizieren sich nach dem Abgang von der Hauptschule dann eben noch an den Berufskollegs weiter.“

Mehr Abgänger ohne Abschluss nach Lockdown erwartet

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In diesem Jahr allerdings werden wohl weniger Schüler den Hauptschulabschluss schaffen, fürchtet er. Im vergangenen Sommer gab es kein Sitzenbleiben. Und bei den jetzigen Abschlussjahrgängen konnten mit den langen Lockdownzeiten nicht alle Lernlücken geschlossen werden. „Wir haben 27 bis 29 Kinder in der Klasse. Von 45 Lehrkräften sind derzeit nur 34 einsatzfähig aufgrund von Elternzeit und Corona-Gefährdung: wir leiden unter Lehrermangel! Sonderpädagogen haben wir bisher gar nicht, nur ausgeliehene. Wenn wir in einer Klasse Team-Teaching, also Unterricht mit Doppelbesetzung, machen, um besser fördern und integrieren zu können, müssen wir das anderswo kompensieren.“

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Bisher übernahmen von den verbliebenen vier Hauptschulen in der Stadt zwei den Schwerpunkt Internationale Förderklassen (Grillostraße und Dahlbusch), die anderen beiden kümmerten sich verstärkt ums Gemeinsame Lernen. Das kommt nun an der Grillostraße sowie deren Dependance an der Hans-Böckler-Allee noch dazu. „Diese Arbeit leisten Gesamtschulen auch: aber da gibt es einfach mehr Funktionsstellen, die die Lehrkräfte von Organisation entlasten.“

Es ist wichtig, dass Lehrer auch Betriebe und die Arbeit dort selbst kennenlernen

Direktor Gerd Dombrowski hat Humor und Optimismus nie verloren. Wenn er von „unterhaltsamen Schülern“ spricht, ist das durchaus auch positiv zu verstehen.
Direktor Gerd Dombrowski hat Humor und Optimismus nie verloren. Wenn er von „unterhaltsamen Schülern“ spricht, ist das durchaus auch positiv zu verstehen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Dabei klagt der Fast-Ruheständler Dombrowski nicht wirklich, im Gegenteil: „Ich bin gerne und mit ganzem Herzen Hauptschullehrer. Immer gewesen und auch heute noch.“ Mit Leidenschaft hat er sich zum Teil „nebenbei“ um die örtliche Lehrerfortbildung und 20 Jahre lang um die Koordination der Berufsorientierung gekümmert, an Lehrerbetriebspraktika teilgenommen: „Wir Lehrer gehen zur Schule, zur Uni und wieder zur Schule: Da ist es wichtig, auch Betriebe kennenzulernen und die Arbeit dort.“

Abschied mit Wehmut und Vorfreude

Schülerzahl ändert sich fast täglich

511 Schülerinnen und Schüler zählt die Hauptschule an den Standorten Grillostraße und Hans-Böckler-Allee derzeit. Allerdings ändert sich die Zahl dank Zuzügen und daraus folgenden Quereinsteigern nahezu täglich. Das Einzugsgebiet ist stadtweit, da auch die Aufnahme aus Internationalen Förderklassen an anderen Schulen in Regelklassen hier keine Ausnahme ist.Internationale Förderklassen gab es übrigens schon in den 80er-Jahren an Gelsenkirchener Hauptschulen. Damals waren es Zugewanderte aus Polen und Russland, die hier gefördert wurden. Das Gebäude an der Grillostraße fungierte ursprünglich als Mönting-Volksschule.

Ein achtjähriges Intermezzo hatte Dombrowski in der Landesstelle im Regionalen Bildungsnetzwerk Gelsenkirchen. Den Blick auf die gesamte Schullandschaft der Stadt und eine gute Vernetzung habe ihm das gebracht. Beides habe er für seine Schülerschaft auch gut nutzen können. Zum 1. August jedoch kehrt er der Schule endgültig den Rücken, nach 43 Dienstjahren. Mit ein bisschen Wehmut, aber auch Vorfreude auf Reisen mit der Gattin, mehr Zeit für die drei Enkel und Lesen.