Gelsenkirchen. Beschimpfungen, Diebstahl, Drohungen. Ein Gelsenkirchener Buchhändler berichtet, was er ständig erlebt - und von der Tatenlosigkeit der Behörden.
Seit etwa zweieinhalb Jahren verkauft Dirk Niewöhner im „Kottmann“ nun auch Bücher in der Gelsenkirchener Innenstadt, in Buer betreibt er schon länger ein solches Geschäft. Niewöhner erhoffte sich nach der Neugestaltung des Heinrich-König-Platzes eine neue Wahrnehmung dieses Teils der City, weg vom Schmuddel-Image rund um das ehemalige „Loch“, das zur U-Bahn führte, hin zu einem neuen Wohlfühlort im Herzen der Altstadt.
In direkter Nachbarschaft zu Café- und Gastrobetrieben im Sparkassenkarree, mit dem wöchentlichen Feierabendmarkt vor der Tür, zwischen den Türmen der katholischen und evangelischen Kirche, bietet der 56-Jährige deshalb seine Bücher, Brettspiele und Ansichtskarten zum Verkauf an. Doch seit einiger Zeit machen jugendliche Migranten Niewöhner und seinen Mitarbeitern das Leben schwer.
„Diebstahl, Drohungen und Beleidigungen - die Realität am Heinrich-König-Platz in Gelsenkirchen“
„Sie stehlen Postkarten aus der Auslage, mit denen sie überhaupt nichts anfangen können. Sie beleidigen uns aufs Übelste, bedrohen uns, versperren den Weg zur U-Bahntreppe, so dass man sich zwischen ihnen durchschlängeln muss, was wiederum Pöbeleien und Ärger nach sich zieht. Spricht man die Jungs auf ihr Verhalten an, folgen Rassismusvorwürfe und werden Schläge angedroht“, zieht Dirk Niewöhner ein ernüchterndes Resümee.
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Der Buchhändler zeigt Handyvideos, die seine Mitarbeiter und er am Heinrich-König-Platz gemacht haben, während sie mit den Kindern und Jugendlichen sprechen. Zu sehen und zu hören sind Teenager, die Niewöhner Schläge androhen („Komm näher, dann wirst du sehen, was ich mit dir mache“). Ein anderer tritt nach Niewöhners Mitarbeiterin Christina Njehu, lächelt sie an und zeigt ihr den Mittelfinger.
„So etwas erleben wir inzwischen immer öfter“, klagt der Buchhändler, der von den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden enttäuscht ist und sich alleingelassen fühlt. Während die Polizei von solchen Anrufen schon genervt und zu selten präsent sei am Heinrich-König-Platz, wo bei gutem Wetter viele Menschen und auch „viele ärgermachende Jugendliche“ verweilten, so schaue der Kommunale Ordnungsdienst lieber gleich weg, schildert Niewöhner seine Beobachtungen.
Und Christina Njehu pflichtet ihm bei: „Ich meide inzwischen schon diese U-Bahnstation, wenn es irgendwie geht, obwohl sie direkt vor der Tür ist.“ Die Filialleiterin der Buchhandlung Kottmann ist schockiert von der Rohheit der Jugendlichen, die einer Auszubildenden bedrängten und ihr zuriefen, sie wünschten, sie würde „mal so richtig vergewaltigt“ werden.
„Dauerhaft Polizei in der Gelsenkirchener Innenstadt“
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„Ich hätte gerne dauerhaft Polizeibeamte zu Fuß in der Stadt. Als Kontaktperson, die gezielt erreicht werden können. Dazu Freizeitmöglichkeiten für die Jugendlichen, die sonst nur herumlungern und sich unmöglich aufführen. Streetworker, der Ordnungsdienst und im Zweifel auch die Polizei müssen diese Cliquen konstant und immer wieder auf ihr Verhalten ansprechen, ihnen sagen, ‘lungert hier nicht herum, nehmt euren Müll mit, geht in die Schule“, sagt Niewöhner und fügt an, dass sich ansonsten auch niemand wundern brauche, wenn sich immer mehr Gelsenkirchener in ihrer Innenstadt nicht mehr wohlfühlten.
Seine Hoffnung, der Heinrich-König-Platz könnte sich zu einem urbanen Wohlfühlort am Fuße der Einkaufs- und Flaniermeile entwickeln, verliert Niewöhner zusehends. „Alle sogenannten „Problemviertel“ sind das ja nicht über Nacht geworden. Da gab es lange schon Vorzeichen, teils deutlich und massiv. Die Politik reagiert aber - wenn überhaupt- stets dann, wenn es zu spät ist. Hier (Anm. d. Red.: am Heinrich-König-Platz) könnten sie mal präventiv arbeiten. Das kostet auch weniger“, ärgert sich der Buchhändler.
So reagiert die Stadt Gelsenkirchen auf die Vorwürfe
Martin Schulmann, Sprecher der Stadt Gelsenkirchen, weist die Vorwürfe gegen den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) deutlich zurück: „Der KOD geht seinen Aufgaben nach und macht dabei selbstverständlich bei der Ahndung von Verstößen keinen Unterschied nach Herkunft oder Aussehen der Betroffenen. Gerade auch der Vorwurf, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden sich vor bestimmten Gruppen „wegducken“, entbehrt jeder Grundlage.“
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Schulmann fügt aber auch, dass wenn es Hinweise geben sollte, dass sich um den Heinrich-König-Platz ein Schwerpunkt für Delikte entwickelt, es sich empfehlen würde, über eine Ausweitung der Kontrollen unter dem Stichpunkt GeOS nachzudenken. GeOS steht für „Gemeinsam für Ordnung und Sicherheit“. Dahinter verbirgt sich eine gemeinsame Initiative von Polizei, Bundespolizei, Bogestra und der Stadt Gelsenkirchen (unter anderem mit Kommunalem Ordnungsdienst).
„In der Vergangenheit waren solche GeOS-Aktionen im Stadtgebiet, u.a. im Umfeld des Hauptbahnhofes, erfolgreich“, berichtet der Stadtsprecher. Auch dem örtlichen Präventionsrat könnten Beobachtungen und Entwicklungen mitgeteilt werden. Einseitige Vorwürfe gegen den Kommunalen Ordnungsdienst seien dagegen nicht zielführend.
Polizei: „Wir haben den Platz im Blick“
Und auch die Gelsenkirchener Polizei bestreitet, dass sie „genervt“ sei von derlei Meldungen. „Wir registrieren keine signifikanten Steigerung der Einsätze am Heinrich-König-Platz, gleichwohl wissen wir um das Klientel dort und haben den Platz im Blick und bitten die Bürger die Polizei bei Auffälligkeiten zu informieren“, so Polizeisprecher Matthias Büscher.
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