Gelsenkirchen. Wenn das Einkaufen zum Date wird: So fanden die Gelsenkirchener Studierenden Clarissa Schott und Fynn Hagedorn in der Corona-Pandemie ihre Liebe.

Im Oktober des Vorjahres muss es gewesen sein. Clarissa Schott fragte ihre Abonnenten auf dem Sozialen Netzwerk Instagram nach Musikvorschlägen. Fynn Hagedorn empfahl ihr den Titel „Tokyo Vibez“ des Hamburger Rappers Booz. „Der hat sich in meinen Kopf eingebrannt“, erinnert sich Schott. Sie meint den Song, könnte aber genauso gut von Hagedorn sprechen. Den 22-Jährigen sollte sie nicht so schnell vergessen.

Früher, weit vor Corona, waren sich Schott und Hagedorn bereits ab und an über den Weg gelaufen. Beide studieren am Institut für Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Im Herbst schreiben sie sich regelmäßiger auf Instagram. Irgendwann schlägt die 23-Jährige ein Treffen bei sich zuhause vor, Hagedorn sagt zu. Es gibt Pasta mit Spinat und Käse.

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Weitere Treffen folgen, weitere Kochabende, die heute etwas ganz Normales sind. Schott und Hagedorn sind ein Paar. Inmitten einer globalen Pandemie haben sie die Liebe gefunden. Inmitten einer Zeit, in der Kontaktverbote und Lockdowns der Normalzustand sind. In der vor allem Singles schwer unter Isolation leiden.

Gelsenkirchener über Freundin: „Unglaublich, dass plötzlich so eine wichtige Person ins Leben tritt“

Dieses Gefühl kennen auch Schott und Hagedorn. „Ich war vorher lange nicht mehr in einer Beziehung und hatte mich daran eigentlich gewöhnt“, sagt Kommunikationsmanagement-Student Hagedorn. Zunächst sei er im Spätsommer 2020 gut damit klargekommen, dass er kaum Freunde treffen kann und die Vorlesungen online stattfinden. Irgendwann kommen allerdings Momente, in denen der Lockdown nervt.

Corona-Check: Einsamkeit eine Herausforderung

Clarissa Schott und Fynn Hagedorn freuen sich über ihr Glück, dass sie sich in der Pandemie kennengelernt haben. Denn Einsamkeit ist eine der größten Herausforderungen der Corona-Zeit. Das geht aus unserem WAZ-Corona-Check hervor.

83,3 Prozent der befragten Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener vermissen besonders die Treffen mit Freunden und Bekannten. Auch der Besuch von Cafés und Restaurants (77,8 Prozent) sowie Reisen (62 Prozent) fehlen vielen – alles Aktivitäten, die man meistens nicht allein unternimmt.

Die verschwinden abrupt, als er Schott kennenlernt. „Gerade wenn man länger Single gewesen ist, ist das unglaublich, dass plötzlich so eine wichtige Person ins Leben tritt“, sagt Hagedorn. „Das macht es umso besonderer.“

Schott, die sich eher als Einzelgängerin beschreibt, erlebt ähnliche Tage. Als eine Freundesgruppe im vergangenen Sommer zerbricht, fühlt sie sich einsam. „Das war schwer“, sagt sie. „Ich habe mich verloren gefühlt.“ Ihr Freund sei in der Phase eine „Stütze“ gewesen. Jemand, der ihr „in vielen Sachen geholfen“ hat. „Wäre ich allein gewesen, wäre das vielleicht schlimmer geworden“, glaubt Schott.

Kein Kino, kein Ausflug, kein Konzert – so haben sich die zwei WHS-Studierenden gedatet

Dabei müssen beide beim Daten improvisieren. Ins Kino gehen, einen Ausflug machen, ein Konzert besuchen – keiner der Kennenlern-Klassiker ist für sie im Lockdown möglich. Was kann man stattdessen zusammen erleben, was unternehmen? „Alles, was eben im legalen Rahmen zu zweit möglich ist“, erzählt Hagedorn. Spaziergänge, Fahrten mit E-Scootern oder das Einkaufen im Supermarkt seien gefühlte Highlights. Man sehe sich eben mal nicht in der gewohnten Umgebung, den eigenen vier Wänden.

Fynn und Clarissa an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Hier studieren beide.
Fynn und Clarissa an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Hier studieren beide. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Doch auch dort lässt es sich für das Paar aushalten. „Wir haben relativ schnell gemerkt, dass wir eine Affinität für Serien und Filme haben. Da haben wir noch eine ellenlange Liste offen“, sagt Hagedorn und schiebt nach: „Unser erster Restaurantbesuch steht aber noch aus.“ Der lässt sich, wie so vieles, nachholen. Vielleicht sogar bald.

Die Inzidenzwerte sinken. Die Außengastronomie darf in Gelsenkirchen wieder öffnen. Der Wetterbericht lässt auf einen sonnigen Junianfang hoffen und der Corona-Tau, der seit Monaten über der Emscherstadt liegt, scheint sich aufzulösen.

„Irgendetwas mit Action“ wollen sie nach dem Lockdown erleben. Ein Besuch im Bochumer Planetarium steht bei beiden ganz oben auf der Liste.

Was immerhin schon möglich gewesen ist: Schott, gebürtige Gelsenkirchenerin, war zweimal in der Heimat von Hagedorn. Zuletzt Mitte Mai, als er Geburtstag hatte. Der Student kommt gebürtig aus dem Landkreis Plön in Schleswig-Holstein. Ihr Geheimnis bleibt, ob auf der Fahrt in den Hohen Norden „Tokyo Vibez“ von Rapper Booz lief. Der Song befindet sich jedenfalls in Schotts und Hagedorns gemeinsamer Playlist, natürlich.