Gelsenkirchen. Auch in Gelsenkirchen steigt das Risiko der Altersarmut. Das sagt der Sozialverband, so ergeht es einem Betroffenen nach einem Leben in Arbeit.

Einer im Dezember 2019 veröffentlichten Studie zufolge droht fast jeder vierten deutschen Rentnerin und jedem vierten deutschen Rentner im Jahr 2035 die Armutsfalle. Altersarmut – ein Problem, das vor allem im Ruhrgebiet wächst. Ein Problem, das es so auch in Gelsenkirchen gibt.

Risiko Altersarmut in Gelsenkirchen: Kaum Rente trotz lebenslanger Arbeit

Darauf weist auch ein Experte des Kreisverbandes Gelsenkirchen-Bottrop des Sozialverbandes Deutschland (SovD) hin. „Es ist eine Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter aufgeht“, bestätigt Dieter Harwardt, SoVD-Kreisvorsitzender. Und vielleicht ist gerade in dieser Stadt die Sache noch einmal besonders prekär, eben weil hier schon sehr viele Menschen leben, die durch Kinder- und Familienarmut betroffen sind.

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Der Sozialverband Deutschland will auf genau dieses Thema aufmerksam machen – vor allem mit seiner neuen Kampagne „Wie groß ist dein Armutsschatten?“. Dabei nimmt der Verband die Armutsgefährdung in den Fokus. Ein Blick auf die Inhalte der Kampagne zeigen: Armut droht in allen Altersgruppen, unabhängig von der schulischen Bildung.

„Wenn man jung ist, dann denkt man gar nicht an diese Situation“

Armutsrisiko-Kampagne startete virtuell

Die Kampagne „Wie groß ist dein Armutsschatten?“ vom Sozialverband Deutschland ist aufgrund der Corona-Pandemie zunächst nur virtuell an den Start gegangen. Eigentlich sollte der Auftakt zu der Kampagne auch in Gelsenkirchen stattfinden.

Weitere Informationen zu der Kampagne gibt es im Internet unter armutsschatten.de. Dort kann man auch sein eigenes Armutsrisiko errechnen.

Dieter Harwardt betont, in Bezug auf das große Thema „Altersarmut“: „Wenn man jung ist, dann denkt man gar nicht an diese Situation.“ Und auch, dass ohne private Vorsorge teils ein „normales“ Leben später gar nicht mehr finanzierbar ist. Der Wunsch des Kreisvorsitzenden: Dass die Politik die Gelder zielgerichteter einsetzt. Nicht nur für all die Menschen, sondern auch für die, die generell von Armut betroffen sind. „Die Politik muss endlich Maßnahmen auf den Weg bringen, um die gesetzliche Rente zu stärken und den Menschen Perspektiven zu eröffnen für einen würdevollen und damit lebensstandardsichernden Ruhestand“, so auch Dr. Michael Spörke, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Kommunales in der SoVD-Landesgeschäftsstelle.

Laut einer Ausarbeitung des Statistischen Bundesamtes ist die Armutsgefährdungsquote für Menschen in der Generation 65plus seit 2005 in Nordrhein-Westfalen besonders stark gestiegen – um 7,1 Punkte auf 16,8 Prozent.

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Einer, der zu diesem Plus gehört, ist Werner Bauer*. Der 77-Jährige und seine Frau leben von rund 1400 Euro im Monat. 550 Euro gehen für die Miete drauf, der Rest bleibt Bauer und seiner Frau für die anderen Ausgaben. Laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung lag die Armutsgrenze für einen Haushalt mit zwei Personen im Jahr 2019 bei 1611 Euro. Insgesamt seien die Armutsgrenzen seit 2005 um knapp 46 Prozent gestiegen, so das Institut. Der Grund: Sie sind an die mittleren Einkommen gekoppelt.

Private Vorsorge war nie ein Thema

Werner Bauer hat sein Leben lang gearbeitet, war über Jahrzehnte sehr erfolgreich selbstständig. Dann deutete sich ein Umbruch an, im Jahr 2006. Es folgte die Weltwirtschaftskrise 2008 – und für Werner Bauer die Insolvenz. Glück für ihn, dass er sich Rat und Hilfe geholt hat.

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Ob er und seine Frau sich früher einmal Gedanken gemacht haben, über eine private Vorsorge? „Eigentlich war das nie ein Thema für uns, wir hatten ja immer ein gut gehenden Betrieb“, sagt der Rentner heute. Und er sagt auch, zu seiner aktuellen finanziellen Situation: „Klar, könnte es besser sein, aber wir sind bescheiden und zufrieden.“

Zufrieden mit der deutschen Bürokratie ist Werner Bauer hingegen überhaupt nicht – „uns wurden so viele Steine in den Weg gelegt, ich habe mich sehr über den Staat und die Vorgaben geärgert“, sagt der Gelsenkirchener. Er habe sich viel erkämpfen müssen – und kann nur jedem raten, sich Hilfe in Form einer Rechtsberatung zu holen.

* Name geändert, vollständiger Name der Redaktion bekannt