Gelsenkirchen. Das Zuckerfest wird eigentlich mit der ganzen Familie gefeiert – in Corona-Zeiten geht das aber nicht. Wie Gelsenkirchener Muslime damit umgehen.

Einen Monat lang haben praktizierende Muslime in Gelsenkirchen gefastet, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts gegessen oder getrunken. Der Fastenmonat Ramadan endet traditionell mit dem Zuckerfest – einem Fest der Familie, des Beisammenseins. Normalerweise. Doch in diesem Jahr ist einmal mehr alles anders. Große Zusammentreffen mit Familie und Freunden sind in der Corona-Pandemie nicht möglich. Und so müssen Muslime andere Wege finden, um am 13. Mai das Ende des Fastens zu feiern.

„Das tut schon weh“, sagt Yalcin Güzeller. In seiner Familie, wo normalerweise mindestens 20 Menschen zusammenkämen, bliebe in diesem Jahr fast jeder für sich zu Hause. „Besonders traurig ist es natürlich, wenn jemand verwitwet oder nicht verheiratet ist und den Tag alleine zu Hause verbringt. Das ist, als ob Nichtmuslime an Weihnachten alleine zu Hause sitzen.“

Zuckerfest 2021: Verwandte werden per Videotelefonie zugeschaltet

Normalerweise sei es zum Ende des Ramadan wichtig, die älteren Familienmitglieder zu besuchen, erklärt Güzeller: „Verheiratete treffen sich erst bei den Eltern des Mannes zum Frühstück, dann geht es weiter mit Mittag- und Abendessen.“ Die Prämisse: möglichst viele Verwandte besuchen, mit ihnen gemeinsam am Tisch sitzen, sich gegenseitig gratulieren. All das geht in diesem Jahr nicht.

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Güzeller besucht in diesem Jahr nur seine Eltern, keine Onkel, Tanten oder sonstigen Verwandten. Die werden stattdessen per Videotelefonie dazu geholt, wenn gefüllte Weinblätter, Suppe, Fleisch mit Reis, diverse Beilagen und Baklava auf dem Tisch stehen. Auch das traditionelle Morgengebet in der Moschee, das mit einer limitierten Personenzahl stattfinden darf, wird er nicht besuchen: „Mir ist das Risiko einfach zu groß. In diesen Zeiten muss man sich einschränken.“

Gelsenkirchener Muslim: Tradition des Zuckerfestes soll nicht verloren gehen

„Ein bisschen wie beim Zahnarzt“, erzählt dagegen Cesur Özkaya lachend, habe er in diesem Jahr das Zuckerfest geplant. Der Vorsitzende der türkisch-islamischen DITIB-Gemeinde in Hassel ist der Familienälteste in Gelsenkirchen, die Verwandten kommen also traditionell bei ihm zu Besuch. 20 bis 30 Leute, Erwachsene und Kinder, tummeln sich normalerweise in seinem großen Garten. Weil das in diesem Jahr nicht geht, hat er Termine vergeben.

Was ist das Zuckerfest?

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    Um 10 Uhr kommt der eine, um 11 Uhr der nächste: So stellt die Familie sicher, dass nicht zu viele Leute gleichzeitig zusammenkommen. „Das macht uns allen natürlich nicht so richtig Spaß“, gibt Özkaya zu. Für ihn sei aber das wichtigste, dass die Tradition während der Pandemie nicht verloren geht: „Wir möchten das schließlich unseren Kindern weitergeben.“

    Gelsenkirchener Imam: Traurig, dass das Gemeinschaftsleben so eingeschränkt ist

    Abdullah Günel, Imam in Gelsenkirchen-Bismarck, feiert das Zuckerfest in diesem Jahr nur mit seiner Frau. Die Verwandten werden in einer Videokonferenz zugeschaltet.
    Abdullah Günel, Imam in Gelsenkirchen-Bismarck, feiert das Zuckerfest in diesem Jahr nur mit seiner Frau. Die Verwandten werden in einer Videokonferenz zugeschaltet. © DITIB-Moscheegemeinde Bismarck

    Zuckerfest ist das zweithöchste islamische Fest

    Mit dem Zuckerfest endet der muslimische Fastenmonat Ramadan. Nach dem Opferfest ist es des wichtigste islamische Fest. Je nach Region dauert das Fest des Fastenbrechens zwei oder drei Tage.

    Die Festtage verbringen die meisten Muslime mit ihrer Familie und ausgiebigem Essen. Damit feiern sie, dass sie Entbehrungen des Ramadan gemeistert haben und bitten Allah darum, ihre Mühen anzuerkennen.

    Kinder bekommen meist Süßigkeiten oder Geld geschenkt. Eine wichtige religiöse Pflicht des Zuckerfestes ist das Festgebet am Morgen des ersten Festtages.

    Beim Morgengebet der DITIB-Moscheegemeinde Mimar Sinan Camii in Bismarck werden am Donnerstag bis zu 300 Muslime erwartet. Sie kommen auf dem Gelände der Sportanlage am Trinenkamp zusammen, an der frischen Luft, mit drei Metern Abstand zum Nebenmann. „Wir erleben den Corona-Ramadan 2.0, sind also in gewisser Weise schon daran gewöhnt“, sagt Abdullah Günel, Imam der Bismarcker Gemeinde. „Trotzdem ist es traurig, dass das Gemeinschaftsleben so eingeschränkt ist. Viele Gemeindemitglieder haben ihre Verwandten seit einem Jahr nicht mehr in den Arm genommen.“

    Traditionelle Gesten, wie etwa, dass die Kinder den Älteren als Geste des Respekts die Hand küssen und dafür etwas Süßes oder Geld bekommen, seien coronabedingt kaum umsetzbar. Er selbst werde nach dem Morgengebet mit seiner Frau frühstücken und die engsten Familienmitglieder aus Deutschland, der Türkei und den Niederlanden in einer Videokonferenz zuschalten. Trotz etwas gedrückter Stimmung sieht Günel ein Licht am Ende des Tunnels: „Eine unserer älteren Gemeindemitglieder sind sogar schon zweimal geimpft.“