Gelsenkirchen. Lässt sich mit Kunst und Kultur Zusammenleben gestalten? Die Initiatoren eines neuen Projektes sind fest davon überzeugt. Das sind ihre Gründe.

Kunst und Kultur sind für eine gelingende Stadtgesellschaft wichtig, ist sich Christoph Lammert sicher. Der Künstler besitzt im Kreativquartier Ückendorf ein Atelier und ist Teil der dort ansässigen Kreativszene, die sich in den letzten Jahren stark erweitert hat. Mit „Neighboring Satellites“ (benachbarte Satelliten) möchte der 58-Jährige die kreativen Impulse und Ideen aus dem benachbarten Gelsenkirchener Stadtteil nach Rotthausen weitertragen.

Das Kunstprojekt „Neighboring Satellites“ soll die Gelsenkirchener zusammenbringen

„Es geht darum, neue Räume zu entdecken, wahrzunehmen was im Stadtteil passiert und zu gucken, was möglich ist“, so der Projektleiter. Ein alter Kiosk, eine Kneipe oder ein Privatraum – aktuell ist er auf der Suche nach Leerstand sowie ungenutzten und versteckten Orten, an denen Kunst sowie Kultur entstehen und wachsen kann. Neue Anregungen heißt Lammert sehr willkommen.

Der Gelsenkirchener Künstler Christoph Lammert will gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden Zusammenleben in den Stadtteilen stärken – und Rotthausen vor dem Leerstand retten.
Der Gelsenkirchener Künstler Christoph Lammert will gemeinsam mit anderen Kunstschaffenden Zusammenleben in den Stadtteilen stärken – und Rotthausen vor dem Leerstand retten. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Als nachhaltiges Ziel peilt er an, dass möglichst viele Akteure aus Rotthausen miteinander ins Gespräch kommen. Durch Vernetzung und gemeinsames Schaffen soll das gesellschaftliche Zusammenleben zukünftig gestärkt werden. Einige geplante Aktionen des Satelliten-Projekts wurden coronabedingt etwas aus der „Umlaufbahn“ gebracht.

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Die Idee der Umnutzung wurde bereits an einem Ort in Rotthausen Realität. Einen leerstehenden Raum, der in früheren Zeiten als Postfiliale und Küchenstudio fungierte, verwandelte das Projekt-Team in ein temporäres Atelier. Seit Anfang März arbeiten hier Künstler. Zwei große Scheinwerfer beleuchten das Geschehen.

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Ilsebill Eckle aus Ückendorf startete mit der Skulpturenausstellung „Zusammen.Rottung“. Als zweite Künstlerin gastiert hier aktuell Ahang Nakhaei. Sie nutzt bis zum 6. Mai den Raum am Ernst-Käsemann-Platz an der Karl-Meyer-Straße 56, um zu malen und vollendete Werke zur Schau zu stellen. Bis Ende Mai fokussiert sich anschließend alles auf echten Gelsenkirchener Barock.

Förderung durch das Land NRW

Das Projekt läuft bis September 2022. Wer sich einbringen möchte oder Ideen hat, kann mit Christoph Lammert und dem Orga-Team Kontakt aufnehmen über die Webseite: neighboringsatellites.ruhr

Gefördert wird das Projekt im Rahmen des #heimatruhr-Programms durch das Land NRW. Ziel der landesweiten Aktionen ist es, das Ruhrgebiet zukunftsfähig und lebenswert zu gestalten. Orte des Miteinanders sollen Menschen verschiedener Generationen, Kulturen und sozialer Hintergründe durch Kreativität zusammenbringen.

Alte Tische, Sofas und Stühle werden in einer Installation unter dem Titel „Küche als Heimatort“ zu sehen sein. Dialog-Formate runden das Sichtbare ab. Coronabedingt kann das Geschehen im Inneren, wenn erlaubt per Termin, oder ansonsten von außen durch die großen Glasscheiben betrachtet werden.

Eine zweite Projektumsetzung ist akustisch erlebbar. Insgesamt sechs Podcast-Folgen, produziert vom Hörfunkjournalisten Simon Schomäcker, widmen sich unter dem Titel „Stories aus der Umlaufbahn“ jeweils einem eigenen Thema. In ungefähr 20 Minuten wird in der ersten Folge über das Projekt und den Begriff Heimat gesprochen. Teil zwei fokussiert sich auf die Geschichte Rotthausens. Der Dritte widmet sich Kunst und Kultur.

Lässt sich mit Kunst und Kultur gesellschaftliches Zusammenleben gestalten?

Darüber hinaus geht es um die Frage, wie sich mit Kunst und Kultur gesellschaftliches Zusammenleben gestalten lässt. Integriert in jede Folge ist die Miniserie „Rottflausen im Kopf“, die Rotthausen-Typisches satirisch und komödiantisch beleuchtet. Gesprächspartner sind unter anderem der Komponist Michael Em Walter, Sprecher und Texter André Wülfing und Filmemacher Urs Kessler aus Gelsenkirchen.

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Was Sternzeichen mit Rotthauser Kneipen zu tun haben, erklärt Christoph Lammert. „Um die Jahrhundertwende bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es über 100 Kneipen in Rotthausen. Wir haben uns überlegt, alle Orte auf einer Stadtkarte aufzuzeichnen und diese so zu verbinden, dass neue Sternzeichen entstehen“, sagt er. Die Motive sollen auf Bierdeckel gedruckt werden. Auf der anderen Seite wird ein QR-Code zu finden sein, der zum Podcast führt.

Der Schriftsteller Stefan Backes aus Bad Kreuznach wird das Projekt begleiten. Er reist immer wieder in den Stadtteil, um aus einer ganz unabhängigen Perspektive über den aktuellen Stand von „Neighboring Satellites“ auf der Webseite zu berichten.

Altes trifft auf Neues: Aktuell arbeitet Ahang Nakhaei im Atelier

Künstlerin Ahang Nakhaei füllt aktuell das Kunstprojekt mit Leben.
Künstlerin Ahang Nakhaei füllt aktuell das Kunstprojekt mit Leben. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Altes trifft auf Neues in der aktuellen Ausstellung von Ahang Nakhaei. Bis zum 6. Mai ist die Künstlerin in dem ehemaligen Küchenstudio am Ernst-Käsemann-Platz noch kreativ. Gemälde auf Leinwand, die mit Öl- und Erdölfarben entstanden sind, zieren die Wände. „Vieles hat mit meinem Lebensstil und Heimat zu tun“, erklärt die 46-Jährige, die seit ihrer Kindheit malt und in ihrem Heimatland Iran einen Master in Illustration und Grafikdesign abschloss.

2013 zog Ahang Nakhaei nach Deutschland. Einen Teil ihrer Kunst nahm sie mit und zeigt sie aktuell in dem temporären Atelier in Rotthausen. Symbole und Fabelwesen zieren die oft düster gehaltenen älteren Werke.

In den neuen Arbeiten, die die Gelsenkirchenerin aktuell fast täglich erweitert, lässt sie das Erdöl weg, nutzt dafür zusätzlich Acrylfarbe. Wesentlich farbenfroher drückt sie ihre Gedanken zum Thema Gesellschaft aus. Verschiedene Kulturen und ihr Zusammenleben stellt sie künstlerisch beispielsweise durch Gesprächssituationen dar. Inspiriert wird sie dabei aber auch durch den aktuellen Standort. „Ich male hier fast jeden Tag und freue mich immer, wenn Leute vorbeigehen und durchs Fenster gucken.“