Gelsenkirchen. Der Männeranteil in Gelsenkirchener Kitas steigt, liegt aber dennoch nur bei 5,8 Prozent. Ein Kita-Leiter und Ex-Soldat erzählt von seinem Weg.

Patrick Kaminski ist ehrlich. „Wäre damals jemand in meine Schulklasse gekommen und hätte Jungs für den Erzieherberuf anwerben wollen – er hätte sich auf den Kopf stellen können, mich hätte es nicht interessiert.“ Keine Frage: Das hat sich mittlerweile geändert. Heute ist der 38-Jährige einer der (zumindest im Verhältnis zu den weiblichen Kolleginnen) wenigen männlichen Erzieher beim städtischen Kita-Träger GeKita. Seit Februar leitet er die Kita am Freistuhl in Hassel.

Bei GeKita, dem mit rund 6550 Betreuungsplätzen mit Abstand größten Kita-Träger Gelsenkirchens, liegt die Männerquote aktuell 5,8 Prozent. Einbegriffen ist hier das gesamte pädagogische Personal, also Erzieher, aber auch beispielsweise Kinderpfleger, Heilpädagogen, Sozialarbeiter, die Leitungen der Kitas und Praktikanten. Insgesamt 78 Männer, darunter 45 Erzieher, stehen in den GeKita-Einrichtungen 1260 weiblichen Mitarbeiterinnen gegenüber.

GeKita-Chefin: Erzieherberuf ist mehr als den ganzen Tag nur Spielen

Das mag einem wenig vorkommen. Tatsächlich liegt Gelsenkirchen dem „Gute-Kita-Bericht“ des Bundesfamilienministeriums von 2020 zufolge damit aber nur knapp unter dem Bundesdurchschnitt. 2019 lag der Männeranteil am pädagogischen und leitenden Personal in deutschen Kitas demnach bei sechs Prozent. „In den letzten zehn Jahren hat sich durchaus viel getan“, sagt Holle Weiß, Betriebsleiterin von GeKita. Im Jahr 2010 seien nämlich insgesamt nur 13 männliche Beschäftigte in den Gelsenkirchener Kitas tätig gewesen.

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„Durch unser Programm ,Kitas brauchen Männer’ konnten wir viele Männer für den Beruf gewinnen“, resümiert Weiß. So habe man zum Beispiel mit Plakaten geworben, am „Boys’ Day“ Aktionen gestartet und sei bei Schalke-Spielen präsent gewesen. „Wichtig ist es klarzumachen, wie der Alltag eines Erziehers tatsächlich aussieht, welche Verdienstmöglichkeiten es gibt und dass es um mehr geht, als den ganzen Tag nur mit Kindern zu spielen“, so die GeKita-Chefin.

Gelsenkirchener Kita-Leiter war vor der Erzieherausbildung bei der Bundeswehr

Den ganzen Tag mit Kindern spielen – dieses Bild hatte auch Patrick Kaminski, bevor er mit 30 Jahren die Erzieherausbildung begann. Vorher war der gelernte Einzelhandelskaufmann acht Jahre lang bei der Bundeswehr. Etwas ganz anderes also, könnte man meinen. „So stark unterscheiden sich die beiden Jobs aber gar nicht“, erzählt der Kita-Leiter lachend. Immerhin sei er beim Bund als Ausbilder tätig gewesen und habe dort auch viele erzieherische Aufgaben gehabt.

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Nach acht Jahren Soldatendasein, das war für Kaminski von vorneherein klar, wollte er einen anderen Berufsweg einschlagen. Der nächste Job sollte der letzte werden, nahm er sich vor. Bei einem Bildungstag der Bundeswehr bekam er die Möglichkeit, in den Erzieherberuf hineinzuschnuppern. „Da wusste ich sofort: ,Das ist es’“, erinnert er sich. „Man bekommt für seine Arbeit von den Kindern einfach sofort ein super Feedback.“

Erfahrung des Gelsenkircheners: Männer und Frauen profitieren voneinander

In der Kita am Freistuhl betreuen aktuell – Kaminski eingeschlossen – zwei Männer und drei Frauen die 41 Kinder. Eine Quote von fast 50/50 also, sehr selten. Immer gleich viele männliche und weibliche pädagogische Kräfte zu beschäftigen, ist aus Sicht des Kita-Leiters ein zu hoch gegriffenes Ziel und auch gar nicht notwendig. Trotzdem betont er, dass Männer und Frauen aufgrund ihrer unterschiedlichen Herangehensweise bei der Arbeit voneinander profitieren könnten. Und auch für Kinder könne es positiv sein, von beiden Geschlechtern betreut zu werden.

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„Männer lassen die Kinder häufig erst einmal hoch auf den Baum klettern, stehen daneben und signalisieren: ,Ich fange dich auf, wenn du fällst’. Frauen dagegen reagieren in solchen Situationen etwas vorsichtiger“, so Kaminskis Erfahrung. Wenn Kinder beispielsweise ohne Vater aufwüchsen, mache sich die Präsenz einer männlichen Identifikationsfigur in der Kita außerdem besonders bemerkbar.

Die meisten Eltern freuen sich, dass „endlich“, ein männlicher Erzieher da ist

„Man merkt dann sofort, dass die Kinder im Spiel gezielt auf die männlichen Erzieher zugehen, sich von ihnen Unterstützung holen oder ihr Verhalten imitieren“, berichtet Kaminski. Letztendlich sei aber vieles dann doch keine Frage des Geschlechts, sondern Typsache. „Deshalb finde ich es in erster Linie wichtig, dass die Erzieher unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen Perspektiven sind.“

Vonseiten der Eltern habe er bisher selten negatives Feedback bekommen. Im Gegenteil: „Die meisten freuen sich, dass da ,endlich’ ein Mann ist.“ Ganz selten hätten kulturelle Gründe dazu geführt, dass Eltern ihr Kind nicht von einem Mann wickeln lassen wollten. „Da muss man dann einfach professionell reagieren und aufklären. Bisher bin ich immer mit den Eltern auf einen Nenner gekommen.“

Ein Frauenberuf? – „Wer das sagt, war noch nie in einer Kita“

Was es braucht, um mehr Männer für den Beruf zu begeistern? „Vielleicht müsste man gezielt ältere Männer, Mitte, Ende 20 ansprechen“, schlägt Kaminski vor. Denn um den Erzieherberuf mit all seinen Facetten wertschätzen zu können, brauche es eine gewisse Reife. Er habe sich ja selbst mit 18 niemals vorstellen können, einmal in einer Kita zu arbeiten. „Viele Männer merken zum Beispiel, dass der Job etwas für sie sein könnte, wenn sie Väter werden.“ Fest stehe in jedem Fall: „Wer sagt, Erzieher ist ein Frauenberuf, der war noch nie in einer Kita.“