Gelsenkirchen-Beckhausen. Der Gelsenkirchener Bernd Kaiser hat mit Schülern den „Schalker Kreisel“ ins Lateinische übersetzt. Bald ist er in einer Ausstellung zu sehen.
Tote Sprache? Von wegen! Latein ist lebendiger, als man meinen sollte. Diesen Beweis will demnächst eine große Ausstellung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) antreten. Als „Kronzeuge“ für diese Behauptung tritt unter anderem Papst Benedikt XVI. auf: Der kündigte seinen Rücktritt im Jahr 2013 bekanntlich in lateinischer Sprache an, das entsprechende Dokument wird in der Ausstellung zu sehen sein. Direkt daneben hängt dann das Werk eines Gelsenkircheners.
Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Exponaten wird allerdings die lateinische Sprache sein. Denn während es in Benedikts Erklärung um theologische beziehungsweise kirchenrechtliche Fragen geht, ist das Thema des anderen Dokuments entschieden weltlich: Gezeigt wird der von Bernd Kaiser und seinen Schülern angefertigte „Turbo Schalcensis“. Wer Latein in der Schule hatte, dem könnte jetzt ein Licht aufgegangen sein: „Turbo Schalcensis“ bedeutet „Schalker Kreisel“. Anlässlich des Uefa-Cup-Sieges im Jahr 1997 hatte Kaiser mit seinen Schülern die Sonderausgabe der Schalker Vereinszeitung ins Lateinische übersetzt.
Der Gelsenkirchener war Lehrer am Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium
„Factum Schalcensium historicum“ lautet die Schlagzeile: „Schalke schreibt Geschichte“, könnte man es sinngemäß übersetzen, und auch die Verantwortlichen kommen zu Wort: „Hoc post paucos dies fortasse intelligam“, wird beispielsweise Rudi Assauer zitiert, und natürlich hat er das so nie gesagt: „Ich werde das erst in den nächsten Tagen begreifen können“ ist das, was der Manager den Journalisten in die Blöcke zitiert haben wird.
Ehemaligen Schülerinnen und Schülern des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium ist der Name Bernd Kaiser ein Begriff: Von 1974 bis 2010 war Kaiser Lehrer für Latein und Geschichte am AvD. Latein: Das gilt vielen als ausgesprochen dröges Fach – Generationen von Schülern plagten sich mit Caesars „Der gallische Krieg“ oder den Gedichten von Vergil und Ovid. Kaiser dagegen war schon immer daran gelegen, seinen Lateinunterricht so lebendig wie möglich zu gestalten.
Vatikanlexikon hilft bei der Übersetzung
„Los ging es eigentlich mit einem kleinen Theaterstück auf Latein, das meine Lateinklasse zum Abschied eines Kollegen übersetzt hatte“, erinnert sich der heute 76-Jährige. Auf die Idee, die lateinische Sprache in die heutige Zeit zu holen, sei er durch die Schriftenreihe „Antike und Gegenwart“ gekommen. „Dort wurde für nahezu jeden Text ein aktueller Bezug hergestellt – so konnte ich meinen Schüler die Sprache näherbringen“, erklärt Bernd Kaiser.
Als Schalke 1997 den Uefa-Cup gewann, entstand die Idee zum „Turbo Schalcensis“. Daran beteiligt waren Schülerinnen und Schüler der Klasse 10, die Arbeit fand allerdings nicht im Unterricht, sondern als Projekt am Nachmittag statt. Weil es viele Begriffe aus dem Sport in der Antike noch nicht gab, griff man auf ein Lexikon zurück, das der Vatikan herausgibt und in dem moderne Wörter auf Latein stehen: „Für das Wort ,Elfmeterschießen’ etwa haben wir die Umschreibung ,iactu undecim metrorum’ gewählt“, sagt Kaiser.
Tipps von Dr. Sommer auf Latein
Ausstellung im Kloster Dalheim
Dass die Sprache Latein heute noch längst nicht am Ende ist, soll Anfang 2022 eine Ausstellung des LWL-Landesmuseums für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim (Kreis Paderborn) zeigen. Unter dem Arbeitstitel „Latein. Die Sprache Europas“ wird die Sonderausstellung der Geschichte des Lateinischen nachgehen und fragen, welche Bedeutung Europas Sprache heute noch hat.
Die Ausstellung war ursprünglich für 2021 geplant, wurde dann aber wegen der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben. Mehr Infos: www.lwl.org.
Der „Turbo Schalcensis“ blieb nicht die einzige Übersetzung: Auch die Jugendzeitschrift „Bravo“ wurde von Schülerinnen und Schülern ins Lateinische übertragen – samt der Werbung. „Ihr seid ja verrückt“, hatte Kaiser zu seinen Schülern gesagt, als sie mit der Idee ankamen. „Ich war erst skeptisch“, gibt er zu, „habe aber festgestellt: Das geht!“ Von Lady Diana über Elvis Presley bis hin zu den Tipps von „Dr. Sommer“: Alles wurde ins Lateinische übersetzt.
Als der LWL jetzt die Ausstellung „Latein. Die Sprache Europas“ konzipierte, stießen die LWL-Mitarbeiter im Internet auf die Übersetzungen aus Buer. Man war begeistert – und suchte über die Schule den Kontakt zu dem inzwischen pensionierten Studiendirektor. Der gab natürlich sein Einverständnis dazu, dass seine Exponate in die Ausstellung kommen. „Unser Turbo Schalcensis hängt dann direkt neben dem Text von Papst Benedikt“, sagt Kaiser. „Das ist doch eine große Ehre.“
- Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung zum Coronavirus in Gelsenkirchen in unserem Newsblog
- Wie haben Sie ein Jahr mit Corona erlebt? Hier geht es zu unserem großen Check
- Lesen Sie mehr Geschichten aus Gelsenkirchen
- Oder folgen Sie der WAZ Gelsenkirchen auf Facebook