Gelsenkirchen. Der Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung in Gelsenkirchen hat kein Verständnis für die „typisch deutsche“ Impfpolitik und klare Forderungen.
Klaus Rembrink gehört zu den vielen Ärzten in Deutschland, die mit großer Enttäuschung zur Kenntnis genommen haben, was die Gesundheitsminister der Länder und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Anfang dieser Woche beschlossen haben: Die Covid-19-Impfungen sollen doch erst Anfang April auch in den Arztpraxen stattfinden dürfen.
Ursprünglich sollten die Vakzine Anfang März an die Ärzte ausgeteilt werden. Dann hieß es, dass es doch bis Mitte des Monats dauern würde. Und nun also frühestens Ende April - und das, obwohl immer noch Millionen Impfdosen ungenutzt sind.
Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurden bis Mittwoch knapp 12,5 Millionen Dosen Impfstoff nach Deutschland geliefert. Hiervon stammen rund 8,75 Millionen Dosen vom Hersteller Biontech/Pfizer, etwa 3 Millionen Dosen von Astrazeneca und etwa 679.000 Dosen von Moderna. Mindestens eine Erstimpfung haben bisher aber erst 5,76 Millionen Personen erhalten. Davon sind etwa 2,67 Personen bereits vollständig geimpft.
„Die deutsche Politik ist hier in einer Behinderungsfunktion unterwegs“
Angesichts dieser Zahlen kann Rembrink, Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) in Gelsenkirchen nur mit dem Kopf schütteln. „Wir Ärzte würden am liebsten so schnell wie möglich loslegen mit den Impfungen und können den Beschluss, frühestens im April anfangen zu dürfen, nicht ganz nachvollziehen. Wir impfen in jeder Grippesaison Millionen Menschen in unseren Praxen, ohne dass darüber groß berichtet wird. Die Lieferketten über die Apotheken funktionieren einwandfrei, die Infrastruktur ist sehr gut. Die deutsche Politik ist hier eher in einer Behinderungs- und leider nicht in einer Beschleunigungsfunktion unterwegs“, ärgert sich Rembrink.
Dabei stört den erfahrenen Mediziner besonders, dass die Politik „offenbar Sorge hat, wir würden uns nicht an die Impfreihenfolge halten“, so Rembrink im Gespräch mit der WAZ. Dabei sei doch eigentlich entscheidend, „dass wir in Deutschland so schnell und so viel wie möglich impfen. Es könnte wirklich viel, viel schneller gehen“, sagt Rembrink, der auch das Gelsenkirchener Impfzentrum leitet.
„Wir könnten in Gelsenkirchener Praxen 15.000 Menschen pro Woche impfen“
„Die Politik muss entscheiden, ob sie weiterhin zeitaufwendig durchbürokratisieren will, oder ob wir impfen, impfen, impfen. In anderen Ländern geht das ja auch. Wir haben in Gelsenkirchen circa 150 Hausärzte. Wenn jeder nur 20 Impfungen am Tag durchführt, könnten wir 15.000 Menschen pro Woche impfen,“ sagt der KVWL Bezirksstellenleiter.
Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) stehen fürs Impfen 75.000 Haus- und Facharztpraxen in Deutschland bereit. Wenn 50.000 Arztpraxen täglich jeweils 20 Impfstoffdosen verabreichten, könnten laut KBV alleine dadurch bis zu fünf Millionen Impfungen in der Woche durchgeführt werden. Sollte es genug Impfstoff geben, kann es nach Modellrechnungen der KBV so gelingen, am 1. August einen Impfvollschutz der gesamten Bevölkerung zu erreichen.