Gelsenkirchen. Das Chaos um Livestreams aus dem Rat geht in die nächste Runde: Die AfD Gelsenkirchen will erneut über das Rats-TV abstimmen. Geht das überhaupt?

Die Posse um die Einführung des Rats-TVs geht in die nächste Runde: Nachdem der Gelsenkirchener Stadtrat entgegen aller Erwartungen Liveübertragungen von Ratsdebatten beerdigte, will die AfD das Projekt schon wieder aufleben lassen. Die Fraktion hat angekündigt, bereits zur nächsten Sitzung des Rates am 25. März erneut zu beantragen, Kamera-Aufzeichnungen im Rat möglich zu machen - im Wortlaut des abgelehnten GroKo-Antrags.

Im Paragrafen 25 der Geschäftsführung des Stadtrates heißt es zwar eigentlich, dass Gegenstände, die durch Beschluss des Rates erledigt sind, erst nach sechs Monaten erneut verhandelt werden können. Ausnahme: Neu bekannt gewordene Umstände machen eine frühere Beratung notwendig. Dass die Mehrheit des Rates beschließt, auch mal von der Geschäftsordnung abzuweichen, ist allerdings gerade in aktuellen Corona-Zeiten keine Seltenheit – so etwa, um die Redezeiten zu kürzen.

AfD will neu über Rats-TV abstimmen lassen, wenn der Rat in voller Besetzung tagt

Auch die AfD will nun beantragen, einmalig von der Geschäftsordnung abzuweichen, um die Abstimmung über die Einführung des Livestreams erneut durchzuführen. Dass es dieses Mal anders ausgehen könnte als am 4. März, liegt daran, dass bei der nächsten Sitzung der Haushalt verabschiedet werden soll.

„Bei dieser hoheitlichen Aufgabe ist die Anwesenheit aller Stadtverordneten von großer Bedeutung“, meint AfD-Co-Fraktionschefin Enxhi Seli-Zacharias. Während der Rat zuletzt coronabedingt in halber Besetzung tagte, gebe es angesichts der Öffnungsstrategie des Bundes keinen Grund mehr, um bei der wichtigen Haushaltsdebatte nicht in voller Besetzung zu tagen. Für die AfD wäre das der richtige Zeitpunkt, um in Sachen Rats-TV „ein echtes Meinungsbild des Rates in die Stadtgesellschaft zu transportieren“.

AUF kritisiert GroKo scharf: „Ätzende Streitkultur“

Die Ablehnung des Rats-TVs galt als große Überraschung der vergangenen Ratssitzung. Eine Mehrheit schien eigentlich sicher, mit 26 zu 22 Stimmen wurde das Projekt dann aber doch verhindert. Und das obwohl SPD, CDU, FDP und „Tierschutz hier!“ sowie auch Grüne und PARTEI Anträge vorgelegt hatten und sich auch andere Fraktionen wie die AfD offen gezeigt hatten.

Seitdem rumort es im politischen Gelsenkirchen. Die Fraktionen rätseln, woher plötzlich die vielen „Nein“-Stimmen kamen und werfen der GroKo „ein abgekartetes Spiel“ (Grüne) oder „Angst vor Transparenz“ (FDP) vor. Dass es trotz der ablehnenden Mehrheit keinen Redebeitrag gab, in dem gegen das Rats-TV argumentiert wurde, kommentierte Jan Specht von AUF besonders scharf: „Wer schlechte Argumente hat, scheut natürlich das Licht der Öffentlichkeit! Wer eine ätzende Streitkultur hat, meidet natürlich die öffentliche Debatte und erst recht die Kontrolle!“

GroKo: AfD-Ankündigung hat Ratsmitglieder irritiert

Die GroKo hingegen betont stets, dass der Fraktionszwang bei der Abstimmung nun einmal aufgehoben worden sei und jedes Ratsmitglied individuell entscheiden konnte. Zudem habe die AfD mit ihrer Ankündigung, sich angeblich nicht an die Regeln des Nutzungsrechts halten zu wollen, auf den letzten Metern vermutlich noch einige Fraktionsmitglieder irritiert und folglich umgestimmt.

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Taner Ünalgan von der SPD bewertet die jüngsten AfD-Anträge als „durchschaubares Manöver der AfD, um noch mehr Chaos zu stiften.“ Das gesamte Vorgehen der AfD sei an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. „Zuerst kündigt sie an, sich nicht an die Regel, dass einzig die Stadt die Rechte über die Videos behält, halten zu wollen, um jetzt so zu tun, als ob sie es sei, die die Demokratie stärken möchte, während sie sie eigentlich aushöhlen will“, so der stellvertretende Fraktionschef.

Die AfD selbst kommentiert die Vorwürfe hämisch: „Demnächst trägt die AfD sicherlich auch Mitschuld an Erdbeben in Erdbebengebieten.“ Ein „Offenbarungseid“ sei es gewesen, dass sich Taner Ünalgan – selbst Befürworter des Rats-TVs - in seiner Eröffnungsrede zum Livestream verstärkt der Sorge widmete, dass der Livestream der AfD ausgenutzt werden könne. Man selbst habe dann lediglich deutlich gemacht, dass es rechtlich nicht begründbar sei, dass nur die Nutzungsrechte der Aufzeichnungen bei der Stadt bleiben, sagt Enxhi Seli-Zacharias. Man sei – so wie Grüne und PARTEI – dafür gewesen, dass stattdessen jeder Redner die Rechte an den eigenen Aufzeichnungen erhält.