Die Belastung der Luft in Gelsenkirchen mit schädlichem Stickstoffdioxid und Feinstaub ist gesunken. Wie die Werte zu interpretieren sind.

Die Luft ist besser geworden in Gelsenkirchen. Dem Trend auf Bundes- und Landesebene folgend, liegt der erfasste Jahresmittelwert für die Belastung mit dem gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxid (NO2) erstmals deutlich unter der Marke von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (µg/m³), dem zum Schutz der menschlichen Gesundheit gültigen Grenzwert.

Die Schalker Meile an der Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen wird in normalen Zeiten von mehr als 30.000 Fahrzeugen täglich frequentiert. Hier steht eine der Messstationen, die die Luftqualität erfasst.
Die Schalker Meile an der Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen wird in normalen Zeiten von mehr als 30.000 Fahrzeugen täglich frequentiert. Hier steht eine der Messstationen, die die Luftqualität erfasst. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Gelsenkirchen gehörte in den Jahren 2019 und 2018 noch zu den sieben beziehungsweise elf Städten in Nordrhein-Westfalen, an deren kontinuierlich messenden Probenahmestellen beim lungenschädlichen Stickstoffdioxid Grenzwertüberschreitungen ermittelt wurden. Das ist nunmehr vorbei.

NO2-Jahresmittel an der Gelsenkirchener Kurt-Schumacher-Straße deutlich unterschritten

Mit einem Jahresmittelwert von 33 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an der zu normalen Zeiten täglich mit über 30.000 Fahrzeugen äußerst stark befahrenen Kurt-Schumacher-Straße an der Schalker Meile sowie mit 20 µg/m³ im Schnitt am Trinenkamp im Stadtteil Bismarck lag die Luftbelastung an beiden neuralgischen Stellen deutlich unter dem Grenzwert von 40 µg/m³.

Parallel dazu haben es auch Düsseldorf, Dortmund, Hagen, Köln, Oberhausen und Wuppertal im Jahr 2020 erstmals geschafft, die Grenzwerte einzuhalten.

Abschließende Bewertung steht noch aus

Die Ergebnisse für NO2 und für Feinstaub sind noch nicht endgültig validiert und daher als vorläufig zu betrachten. Neben automatisierten Messcontainern werden auch Passivsammler zur Ermittlung von Belastungen eingesetzt.Deren Messergebnisse liegen erst zu einem späteren Zeitpunkt vor, wodurch eine abschließende Bewertung der Luftreinheit in puncto NO2 und Feinstaub erst später möglich ist.Die winzigen Feinstaubpartikel können Entzündungen, Wucherungen, Asthma, Bronchitis oder Krebs auslösen. In bestimmten Konzentrationen führen sie auch zum Herzinfarkt. Einer EU-Studie zu Folge sterben in Europa jährlich 310.000 Menschen an den Folgen der Feinstaub-Belastung, davon 65.000 in Deutschland.

Mit Blick auf die Klagen der Deutschen Umwelthilfe, die auch Gelsenkirchen trafen, und den in der Folge viel und kontrovers diskutierten Fahrverboten, kann man daher von einem Schritt in die richtige Richtung sprechen. Für Jubelarien ist es aber wohl noch zu früh.

Das sieht auch Wilhelm Deitermann vom zuständigen Landesumweltamt in Recklinghausen so: „Es gibt nicht den einen generellen Faktor, der zur Verbesserung der Luftqualität beigetragen hat. Eine Rolle gespielt haben dürfte unter anderem der zweifache Lockdown, Homeoffice und damit viel weniger Verkehr.“

Bessere Luft in Gelsenkirchen: Weniger Verkehr, Corona, Wegfall alter Pkw und Lkw

Ähnlich ist die Reaktion von Thomas Bernhard, dem Leiter des Gelsenkirchener Umweltamtes, einzuordnen: „Für die deutlich zurückgegangene Belastung mit Stickoxiden an der Kurt-Schumacher-Straße gibt es nach Einschätzung der Stadtverwaltung drei maßgebliche Gründe: Zum ersten zeigen die von der Stadt ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität Wirkung. Zum zweiten wirkt sich die kontinuierliche Erneuerung der Fahrzeugflotten positiv aus. Und zum dritten haben sicherlich auch die Corona-Maßnahmen zu einer Verringerung der Schadstoffbelastung beigetragen.“

Unter anderem ist die Kurt-Schumacher-Straße im Rahmen eines Punkteplanes mit einem Verbot für den Lkw-Verkehr belegt worden, dazu kam der Bypass in Richtung City respektive Buer über die Uferstraße, über den viel Verkehr abfließt.

Feinstaubbelastung in Gelsenkirchen zeigt erneut positive Entwicklung

Positiv ist auch die Situation beim Feinstaub, lange Jahre an der Kurt-Schumacher-Straße eine erhebliche Belastung und deutlich über den erlaubten Grenzwerten.

Demnach wurden auf Grundlage der ermittelten Messwerte an der Kurt-Schumacher-Straße im Jahr 2020 zwölfmal mal die Tageswerte von 50 µg/m³ überschritten, der Jahresmittelwert lag bei 24 µg/m³. An der Messstelle Gelsenkirchen-Bismarck lagen die Werte bei 15 µg/m³ im Jahresmittel bei keiner Überschreitung der Tageswerte.

2019 wurde der von der Europäischen Union festgelegte Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft noch an 24 Tagen überschritten, erlaubt sind im Jahr 35 Überschreitungstage. An der Grothusstraße registrierten die Behörden im gleichen Zeitraum elf Überschreitungen, am Trinenkamp acht.

Richtwerte werden nach 20 Jahren überarbeitet, neue Überschreitungen wahrscheinlich

Die Feinstaubgrenzwerte für PM10 und PM2,5 – die Kürzel stehen für Feinstaubpartikel von zehn Mikrometer beziehungsweise 2,5 Mikrometer Größe – wurden ebenso deutschlandweit eingehalten. Die Grenzwerte für Feinstaub sind allerdings mehr als 20 Jahre alt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet an neuen Richtwerten, Überschreitungen sind auch in Gelsenkirchen dadurch wieder wahrscheinlicher.

Aktuell empfiehlt die WHO, dass die PM10-Konzentrationen den Wert von 20 µg/m³ im Jahresmittel nicht überschreiten sollen. An etwa vier Prozent (2019: 13 Prozent) aller Messstationen in Deutschland wurde der Wert 2020 überschritten. Die Empfehlung der WHO in Bezug auf die Tagesmittelwerte (höchstens drei Tage pro Jahr über 50 µg/m³ im Tagesmittel) hielten rund zwölf Prozent (2019: 36 Prozent) aller Messstationen in Deutschland nicht ein. Die Durchfallquote bei PM10 liegt entsprechend deutlich höher.