Im Schalke-Fanclub „Blau-Weißer Stachel“ engagieren sich 70 Enthusiasten, die alle in Dortmund zuhause sind. Ein Porträt vor dem Revier-Derby.

Der Schalker Fanclub „Blau-Weißer Stachel“ wurde vor genau 20 Jahren gegründet. Er zählt derzeit rund 70 Mitglieder, von denen fast alle Dauerkarten-Inhaber sind. Das Besondere: Dieser Fanclub ist ausgerechnet in Dortmund (!) zu Hause. Und wenn in der Fußball-Bundesliga mal wieder das Revier-Derby ansteht, so wie an diesem Samstagabend um 18.30 Uhr in der Arena, dann fiebern auch in der „verbotenen Stadt“ nicht nur schwarz-gelbe, sondern immer auch ein paar blau-weiße Herzen mit.

Sven Weingärtner ist Geschäftsführer des Fanclubs „Blau-Weißer Stachel“

Bei seiner Weihnachtsfeier im Jahr 2019 machte der in Dortmund beheimatete Schalke-Fanclub „Blau-Weißer Stachel“ einen Abstecher in die Arena und besichtigte dort auch den Spielertunnel.  
Bei seiner Weihnachtsfeier im Jahr 2019 machte der in Dortmund beheimatete Schalke-Fanclub „Blau-Weißer Stachel“ einen Abstecher in die Arena und besichtigte dort auch den Spielertunnel.   © Sven Weingärtner

Eines davon gehört Sven Weingärtner. Er ist 45, gebürtiger Dortmunder und lebt schon immer im dortigen Stadtteil Kirchlinde. Fast all seine Familienangehörigen, Freunde und Nachbarn sind BVB-Fans. Er hält aber trotzdem ebenso treu wie unbeugsam „im Feindesland“ die Schalker Farben hoch. „Ich gehe sogar im Trikot zum Bäcker“, erzählt er und lacht. Dafür erntet er zwar regelmäßig Sprüche oder gerümpfte Nasen, richtig Ärger habe er aber glücklicherweise noch nie bekommen. „Ich finde, die Rivalität unter den Fans war früher viel stärker ausgeprägt und aggressiver. Inzwischen hat sich die Akzeptanz untereinander doch spürbar verbessert“, findet der Tribünen-Stammgast.

Seinen Premierenbesuch bei S04 erlebte er in der Saison 1985/86 als Zehnjähriger. Damals noch im Parkstadion. Sein acht Jahre älterer Bruder Dirk hatte gerade seinen Führerschein gemacht. So lud er nicht nur Fanschal und Fahne, sondern auch den damals noch kleinen Sven mit ins Auto ein. „Wir standen in der Nordkurve. Ich konnte so gut wie nix sehen, weil um mich herum alle viel größer waren. Es war dennoch ein unvergessliches Erlebnis“, erzählt Weingärtner. Vor allem Olaf Thon hatte es ihm angetan. „Den fand ich super.“

In Dortmund heißt er „der Schalker“ und auf Schalke nur „der Dortmunder“

Zum Fanclub „Blau-Weißer Stachel“ fand Weingärtner im Jahr 2016, inzwischen hat er dort auch das Amt des Geschäftsführers inne. „Ich kannte die aber schon vorher. Unter dem Dach der Nordkurve hängt nämlich schon lange bei jedem Heimspiel ein riesiges Fanclub-Banner. Und daher wusste ich, dass es auch noch andere Schalke-Fans aus Dortmund gibt“, erzählt er. An diesem Samstag beim Derby darf der Fanclub besagtes Banner sogar in prominenter Position auf der Gegengerade aufspannen.

Und wie wird man in der schwarz-gelben Stadt zum Blau-Weißen? „Mein inzwischen verstorbener Vater Gerd war überzeugter BVB-Fan. Mein Bruder und ich wollten da ganz bewusst ein Gegengewicht in der Familie schaffen“, so Weingärtner. Diese ungewöhnliche Vereinsliebe bescherte ihn in seinem persönlichen Dortmunder Umfeld ganz schnell den Spitznamen „der Schalker“. Das Witzige: Wenn er mit seinen Fanclub-Mitstreitern in der Arena auftaucht, dann werden sie von den anderen Schalke-Fans immer nur „die Dortmunder“ genannt.

Seine Lebensgefährtin ist glühende BVB-Anhängerin

So sieht das Logo des in Dortmund beheimateten Schalke-Fanclubs aus.  
So sieht das Logo des in Dortmund beheimateten Schalke-Fanclubs aus.   © Weingärtner

Eine besondere Konstellation erwartet Weingärtner daheim in den eigenen vier Wänden: Denn auch seine Lebensgefährtin Nicole Winkel ist glühender Dortmund-Fan. „An Derby-Tagen frühstücken wir immer gemeinsam, sie mit BVB-, im mit Schalke-Tasse und -Teller.“ Dann wird stets noch ein wenig gefoppt, ehe er (in Nicht-Corona-Zeiten) ins Stadion aufbricht, während sie Fußball lieber daheim am TV-Bildschirm guckt. Je nach Ergebnis würden die ersten zehn Minuten nach seiner Heimkehr dann stets etwas kühl ablaufen. „Danach haben wir uns aber wieder ganz doll lieb“, sagt Weingärtner und lacht.

Heimatlos ist hingegen derzeit sein Fanclub „Blau-Weißer Stachel“. Denn das bisherige Vereinslokal, das Klubhaus einer Kleingartenanlage, stand nicht länger zur Verfügung. Die Suche nach Ersatz gestaltet sich laut Weingärtner als äußerst schwierig: „Welcher Dortmunder Kneipen-Wirt holt sich schon freiwillig eine Horde Schalker ins Haus?!?“

Aus dem Spott der BVB-Fans ist echte Sorge geworden

Und warum läuft es sportlich in dieser Saison bislang so bescheiden für „seine“ Schalker? „Für Außenstehende wirkt es manchmal so, als ob da gar keine richtige Mannschaft auf dem Platz steht, die zusammen für den Klassenerhalt kämpft“, kritisiert er. Der Wille zum Widerstand, er sei nur selten zu erkennen.

Für ein ganzes Kalenderjahr mit nur einem einzigen Meisterschaftssieg erntete er von seinem BVB-Umfeld zunächst kübelweise Hohn und Spott. Inzwischen sei das aber eher in Sorge umgeschlagen. „Ich höre inzwischen daheim immer öfter: Hoffentlich bleibt ihr drin! Schließlich will keiner auf das Derby verzichten.“

Damit das mit der Rettung nun auch wirklich noch klappt, tippt Weingärtner am Samstag auf einen 2:1-Derbysieg des FC Schalke 04: „Die Mannschaft hat sich unter Trainer Christian Gross schon verbessert und die Dortmunder sind derzeit auch nicht richtig gut drauf.“ Am meisten ärgert er sich aber über die Corona-Pandemie und den dadurch bedingten Fan-Ausschluss: „Hätten wir Fans die ganze Zeit ins Stadion gedurft, würden wir niemals so weit unten stehen.“

Früher Zeitsoldat, jetzt Beamter in der JVA Gelsenkirchen

Wie der Fanclub zu seinem Namen gekommen ist, liegt ja auf der Hand: „Wir wollen ein Stachel im Fleisch des BVB sein, der immer unangenehm pikst“, sagt Geschäftsführer Weingärtner mit einem Augenzwinkern.

Beruflich ist der 45-Jährige als Beamter in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchenbeschäftigt, die an der Aldenhofstraße in der Feldmark zu finden ist. Dort arbeitet Weingärtner seit 2011. In den 15 Jahren zuvor war er als Zeitsoldat bei der Bundeswehr im Einsatz – und zwar als Fernmelder am Standort Gerolstein.

Bei seinem Einstellungsgespräch in der JVA sagte der damalige Verwaltungsleiter, dass Weingärtner zwar alle Voraussetzungen für den Job mitbringe, diesen aber dennoch nicht haben könne. „Sie sind ja aus Dortmund. Und hier arbeiten nur Schalker“, sagte der Chef. Weingärtner zückte wortlos seine S04-Dauerkarte und legte diese dem Verwaltungsleiter auf den Tisch. Der antwortete ad hoc: „Sie sind eingestellt!“