Gelsenkirchen. Sollen in Gelsenkirchen Pop-Up-Radwege errichtet werden? Darüber wird zurzeit diskutiert. Das hat es mit dieser Idee auf sich.

Zugegeben: Die letzte Woche hat nicht wirklich Lust aufs Fahrradfahren gemacht, dazu war die Unfallgefahr bei Eis und Schnee viel zu groß. Doch der Frühling kommt und da wird der ein oder andere das Fahrrad aus dem Keller holen, vom Staub befreien und mit frischer Luft für die Reifen versorgen.

Die Gelsenkirchener Lokalpolitik hat sich der Radfahrer angenommen: Vor kurzen hatten Vertreter der Großen Koalition aus SPD und CDU ihre Pläne für den Radverkehr vorgestellt, und auch bei der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses ging es um die Situation der Zweiradfahrer. Dabei brachte Jan Bretinger, Vertreter der Gruppe „Fridays for Future“, eine neue Idee ins Spiel.

Diese Gelsenkirchener Straße waren im Gespräch

„Pop-Up-Radwege“, so der Vorschlag, könnten auf einigen Straßen im Stadtgebiet eingerichtet werden. Dabei handelt es sich um kurzfristig eingerichtete Radwege, die seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie bereits in mehrere Städten entstanden sind. Wie der Name vermuten lässt, können sie relativ schnell, ohne große Planungszeit, auf- und wieder abgebaut werden. Dabei wird auf der Straße ein Stück der Fahrbahn oder eine ganze Fahrspur abgetrennt, die dann als Radweg genutzt wird. Um sie als solche sichtbar zu machen, werden Leitkegel oder Leitbaken aufgestellt. Das geht gerade bei zweispurigen Straßen in der Regel auf Kosten einer Fahrspur – für Autofahrer kann ein Pop-Up-Radweg auf Hauptverkehrsstraßen daher auch ein mehr an Stau bedeuten.

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Der Vorschlag der Fridays-for-Future-Gruppe sah vor, solche Radwege zunächst an der De-la-Chevallerie-Straße, Hiberniastraße und Husemannstraße einzurichten. „Durch diese Maßnahme kann besonders in den Stadtzentren schnell eine bessere Fahrradinfrastruktur geschaffen werden“, argumentierte Bretinger. Insbesondere auf Strecken, auf denen der Bau neuer Radwege bereits beschlossen wurde, jedoch noch nicht umgesetzt werden konnte, könne so zeitnah und ohne größeren Aufwand eine sichere Fahrt für Radfahrer ermöglicht werden.

Das sagen die Vertreter der Gelsenkirchener Groko

Gerade zu Corona-Zeiten seien solche Pop-Up-Radwege ein geeignetes Mittel, so der Aktivist. „Für Menschen, die über kein eigenes Auto verfügen, stellt das Fahrrad aktuell auch das einzige sichere, verfügbare Fortbewegungsmittel dar“, so Bretinger. Die temporären Fahrradstreifen böten Radfahrern mehr Platz und Sicherheit und würden bereits in einigen Städten eingesetzt. „In Deutschland ist Berlin ein gutes Beispiel, wo diese Maßnahmen großartig von der Verwaltung umgesetzt und von den Bürgern sehr gut angenommen werden“, sage Bretinger.

Die Grünen-Fraktion im Ausschuss schloss sich dieser Argumentation an, ihr Antrag wurde jedoch von den Vertretern der Großen Koalition überstimmt. „Wenn wir Radwege anlegen, dann dauerhafte“, sagte SPD-Fraktionschef Axel Barton, Wolfgang Heinberg (CDU) verwies auf das Zukunftsprogramm Radwegebau: „Jede Überlegung, die zu mehr Meter Radweg führt, werden wir in Betracht ziehen.“

Grüne wollen beim Thema Radverkehr klotzen statt kleckern

Grundsätzlich stimmten die Grünen den Plänen von CDU und SPD zu – diese sehen unter anderem vor, neue, sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder zu errichten, neue Radwege zu bauen und bereits vorhandene besser zu beleuchten.

Allerdings gehen den Grünen die Pläne nicht weit genug. „Das ist viel zu wenig, um eine echte Verkehrswende anzustoßen“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Birgit Wehrhöfer.

Studie: Fahrradwirtschaft im Wachsen begriffen

Auch wegen Corona: Die Fahrradwirtschaft boomt. Sowohl Fahrradherstellung, Fahrradhandel und Dienstleistungen rund ums Rad verzeichneten in den vergangenen Jahren wachsende Umsätze: Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule.

Die Fahrradwirtschaft stellt hierzulande Arbeitsplätze für über 280.000 Menschen. Die Kernbranchen verzeichneten in den letzten fünf Jahren ein Beschäftigungswachstum von über 20 Prozent auf etwa 66.000 Arbeitsplätze bei einem Umsatz von rund 24,2 Milliarden Euro.

Die „Branchenstudie Fahrradwirtschaft in Deutschland“ ist im Internet auf der Seite des Instituts unter www.iat.eu zu finden.

Beim Radverkehr müsse geklotzt und nicht gekleckert werden, fordern die Grünen. Deshalb wollen sie, dass jährlich fortlaufend zwei Millionen Euro in den Radwegeausbau investiert werden. Dort, wo es bereits Radwege gibt, wollen die Grünen sie sicherer und attraktiver machen, wie zum Beispiel den Radweg entlang der Wohnsiedlung an der Rheinischen Straße. Der sei zwar Teil der von der Stadt neu beschilderten Nord-Süd-Radroute, aber komplett unbeleuchtet. Die Grünen wollen für den Haushalt 2021 Mittel beantragen, um den Weg mit einer insektenfreundlichen Beleuchtung auszustatten.