Gelsenkirchen. Kampf gegen Corona: Die Stadt will 192 Raumluftfilter für Schulen kaufen. Die Gelsenkirchener Inox Air hätte bei dem Geschäft gerne mitgemischt.
192 Raumluftreiniger für Gelsenkirchener Klassenräume will die Stadtverwaltung bestellen, um den Schulunterricht sicherer zu machen und Corona-Viren auszufiltern. Im Vorfeld wurden einige Geräte getestet, zumindest was deren Betriebs-Lautstärke, Handlichkeit und Bedienung betrifft. 660.000 Euro werden in Summe ausgegeben, die Anschaffung wird zu 100 Prozent gefördert. Die Zeit drängte – die Pandemie macht keine Pause. Alles gut? Nicht für Inox Air aus Gelsenkirchen.
Gelsenkirchener sehen sich als „Marktführer für Raumluftnachbehandlung“
Das Unternehmen mit 45 Mitarbeitern und Sitz in Schalke-Nord sieht sich als „Marktführer für Raumluftnachbehandlung“, als „die absoluten Spezialisten“, wenn es um die Bekämpfung von Viren und Aerosolen geht, mit besten Kontakten zu international anerkannten Instituten, der Westfälischen Hochschule und letztlich auch der kommunalen Wirtschaftsförderung – und natürlich auch mit dem passenden Geräteangebot. Anpreisen konnte die Firma es nicht.
Von der Stadt wurde ein beschränkter Bieterkreis zur Angebotsabgabe aufgefordert
Von der Stadt wurde angesichts des engen Zeitrahmens das „Vergabeverfahren gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 Vergabeverordnung (VgV) aufgrund der Eilbedürftigkeit als Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt“. Das bedeutet: Es wurde ein beschränkter Bieterkreis zur Angebotsabgabe aufgefordert. Es lägen etliche Angebote vor, nun gelte es zu entscheiden, machte die Verwaltung vergangene Woche deutlich und zeigte sich optimistisch, dass die Geräte bald geordert und geliefert werden könnten.
Als lokaler Akteur hätte Inox Air gerne bei der Ausschreibung mitgemacht
Was Inhaber und Geschäftsführer René Bruder und seinen Kaufmännischen Leiter Carsten Wille mächtig wurmt: Inox Air hatte die Verwaltung offenbar nicht auf dem Ticket, als Firmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden. „Wir können uns nicht erklären, dass wir bei der Stadt nicht bekannt sind. Schade, dass man nicht mit uns als Spezialisten aus Gelsenkirchen Kontakt aufgenommen hat. Das ärgert uns schon sehr“, sagt Wille. Als lokaler Akteur hätte Inox Air gerne bei der Ausschreibung den Hut in den Ring geworfen.
In Schalke-Nord ist das Unternehmen seit 2015 gewachsen
2015 zog das Unternehmen von der Gerhardstraße nach Schalke-Nord. Ein Jahr später besuchte Oberbürgermeister Frank Baranowski mit Wirtschaftsförderern den Betrieb an der Alfred-Zingler-Straße. Vom reinen und zunächst kleinen Großhändler hatte sich die Firma innerhalb weniger Jahre zum international agierenden Spezialisten für Gastronomie-Küchenabluft entwickelt, lagert und vertreibt Ablufthauben, Ventilatoren-Technik, Rohr- und Montagematerial sowie Spezialtechnologie zur Fett- und Geruchsbeseitigung. Das Kerngeschäft wurde an der Alfred-Zingler-Straße kontinuierlich erweitert. Inox Air konfektioniert vor Ort, lässt Produkte in Eigenregie fertigen und beackert auch seit 2017 intensiv das Feld Raumluftreinigung.
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Produktentwicklung am Firmensitz
Nach mehr als 13 Jahren unternehmerischer Tätigkeit wechselte Heinz Bruder, Mitgründer und Geschäftsführer der Inox Air GmbH Mitte 2020 in den Ruhestand. Sein Sohn und geschäftsführender Gesellschafter René Bruder leitet seither das Unternehmen als Geschäftsführer in alleiniger Verantwortung.
Die Entwicklung der Produkte befindet sich am Firmensitz, die Produktion erfolgt von Dienstleistern. Auf dem 8500 Quadratmeter großen Firmengelände wurden Entwicklungsabteilung und Lagerflächen seit 2015 kontinuierlich ausgebaut. Bruder junior kündigte bereits 2016 an, den seit drei Jahren forcierten Bereich der Luftnachbehandlung vor allem mit der von InoxAir entwickelten Technologie weiter auszubauen.
Für den Klinikeinsatz und den medizinischen Sektor werden Spezialmaschinen vertrieben, aber längst auch laut Wille hochwirksame Virenkiller für Gasträume, Büros oder eben Schulräume. Noch im Oktober 2020 habe man das Gelsenkirchener Gesundheitsamt und auch die Wirtschaftsförderung „über unsere Luftreiniger informiert“, sagt Wille.
Inox Air hat die Stadtspitze und die politischen Parteien angeschrieben
Im Nachgang des Ausschreibungsverfahrens hat das Unternehmen nun zumindest politisch für Aufmerksamkeit gesorgt und sich, um im Bild zu bleiben, ordentlich Luft verschafft: Briefe gingen offenbar an die Oberbürgermeisterin, den Sozialdezernenten, den Wirtschaftsförderungsdezernenten, die Fraktionen im Rat. Die Grünen und die FDP hatten sich Freitag bereits bei Wille gemeldet. Worum es ihm bei der Aktion geht, ist nicht allein dem Frust über ein mögliches verpasstes Geschäft Raum zu geben. Er will auch für die Zukunft Pflöcke einrammen. „Raumluftreinigung bleibt ja nicht nur ein Thema für Schulen“, sondern eben auch für Unternehmen, Gastronomie oder Seniorenheime. Und selbst, wenn Corona irgendwann vielleicht erledigt sein sollte, sieht Wille weiter großen Bedarf – „Allergien sind da auch ein großes Thema.“
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