Gelsenkirchen. In der kommenden Woche beginnt die Schule wieder - zumindest theoretisch. Gelsenkirchener Schulleiter sagen, was ihnen Sorgen bereitet.

Ende dieser Woche enden die Weihnachtsferien - am kommenden Montag beginnt in Nordrhein-Westfalen wieder die Schule. Eigentlich. Denn wegen der Corona-Pandemie werden längst nicht alle Gelsenkirchener Schülerinnen und Schüler am 11. Januar wieder in ihre Klassenzimmer zurückkehren. 

Die Kultusminister der Länder hatten sich am Montag auf einen "Stufenplan" geeinigt, der vorsieht, dass die Kinder schrittweise wieder in die Schulen kommen sollten. Nach Möglichkeit sollten zuerst die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 1 bis 6 wieder zum Präsenzunterricht zurückkehren. Ältere Kinder ab Klasse 7 müssen sich auf einen Wechsel zwischen Präsenz- und Distanzunterricht einstellen - das könnte so aussehen, dass die Schulklassen zweigeteilt werden, dann würden beispielsweise im wöchentlichen Wechsel die eine Hälfte in der Schule, die andere Hälfte zuhause unterrichtet.

Wie sieht die Praxis an Gelsenkirchener Schulen aus?

Soviel zur Theorie: Doch wie sieht es in der Praxis aus, konkret an Gelsenkirchener Schulen? Dort macht man sich große Sorgen - vor allem darüber, dass, je länger der Lockdown andauert, viele Schüler den Anschluss verlieren können.

"Viele Kinder können wir auf digitalem Wege nur schwer erreichen", sagt Ulrike Purz, Leiterin der Gesamtschule Buer-Mitte. Schülerinnen und Schüler, die in sozial schwierigen Verhältnissen aufwachsen, hätten oft nicht die Möglichkeit, per Tablet, Handy oder Laptop am Distanzunterricht teilzunehmen. Wenn diese Kinder über einen Zeitraum von einer Woche nicht in der Schule unterrichtet würden, drohe ein "Abriss", nennt es Ulrike Purz. "Bei uns betrifft das vor allem die internationalen Förderklassen", sagt sie. "Bei diesen und vor allem bei jüngeren Schülern ergibt ein täglicher Wechsel zwischen Distanz- und Präsenzunterricht mehr Sinn", so die Schulleiterin.

Das Leistungsgefälle in den Klassen wächst weiter

Ähnlich äußert sich auch Michael Scharnowski, Schulleiter am Leibniz-Gymnasium. "Etwa einem Viertel meiner Schüler fehlt die entsprechende Infrastruktur für einen Distanzunterricht", sagt er. Er befürchtet eine Verschärfung der sozialen Ungleichheit, wenn der Lockdown noch länger anhalten sollte. "Zum Teil ist das Leistungsgefälle in den Klassen schon unerträglich hoch", sagt er. Es gebe Schüler, von denen die Lehrer wissen, dass sie im Präsenzunterricht gut mitarbeiten würden, die sich aber im Distanzunterricht auch aus technischen Gründen kaum beteiligen würden.

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"Wir brauchen mehr Geräte, um den digitalen Unterricht durchführen zu können", sagt der Pädagoge. Er wisse aber auch, dass nicht alle Eltern, die sich keinen Tablet-PC leisten können, das auch zugeben würden, viele schämten sich, die Schule um Hilfe zu bitten.

Diese Antwort ist das Land NRW noch schuldig

Mehr Computer für die Schüler wünscht sich auch Ulrike Purz. Sie weist aber auch noch auf ein anderes Problem hin. "Bislang ist uns das Land NRW noch eine Antwort auf die Frage schuldig, wie unsere Lehrer eine Klasse gleichzeitig in der Schule und daheim vor dem Rechner unterrichten sollen", sagt die Schulleiterin. Man könne weder von Schülern noch von Lehrern verlangen, dass etwa abends um 19 Uhr noch Unterricht stattfinde.

Besonders optimistisch schaut Michael Scharnowski nicht in die Zukunft - Sorge macht ihm auch, dass bislang niemand einen Zeitpunkt nennen kann, an dem wieder einigermaßen Normalität in die Schulen einzieht. Zwar hätten sich seine Kolleginnen und Kollegen bereits im Sommer intensiv darauf vorbereitet, Distanzunterricht zu erteilen. "Meine Lehrerinnen und Lehrer leisten richtig gute Arbeit", betont er - und auch bei der Stadt und bei der Bezirksregierung habe er bislang immer ein offenen Ohr für seine Anliegen gefunden. "Aber eins bleibt klar: Distanz- und Digitalunterricht können den Unterricht vor Ort nie ersetzen, höchstens ergänzen", sagt er.

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