Gelsenkirchen. Die Commerzbank hat die Auswirkungen der Pandemie auf Unternehmer untersuchen lassen. Gelsenkirchens Betriebe trifft es besonders hart.
Jeder zweite Unternehmer in Gelsenkirchen wurde von Corona wirtschaftlich stark getroffen, drei Viertel davon sind sogar in ihrer Existenz bedroht . Das geht aus einer aktuellen repräsentativen Befragung im Auftrag der Commerzbank hervor. Damit haben die lokalen Unternehmen die Corona-Krise bisher schlechter gemeistert als der Bundesdurchschnitt.
„Viele Unternehmer in Gelsenkirchen hatten schon vor Corona Probleme“, sagt Dirk Nowitzki, Leiter des Bereichs Unternehmerkunden bei der örtlichen Commerzbank-Niederlassung. Die Corona-Beschränkungen habe bei vielen das Fass zum Überlaufen gebracht. Dazu seien wenige Betriebe in Gelsenkirchen mit finanziellen Rücklagen ausgestattet. „Es gibt keine großen Liquiditätspuffer und viel mehr Kredit- als Anlagengeschäft“, formuliert es Nowitzki.
Einsatz für die Mitarbeiter: Das Personal zählt im Ruhrgebiet mehr
Rahmendaten zur Studie
Teilgenommen an der Commerzbank-Studie haben bundesweit 3500 zufällig ausgewählten Freiberufler, Handwerker und Gewerbetreibende mit einem Jahresumsatz bis zu 15 Millionen Euro.
In Gelsenkirchen und Bochum wurden zwischen dem 22. Juni und 15. August 100 Interviews durchgeführt. Wie viele dabei genau auf Gelsenkirchen entfallen, konnte die Commerzbank nicht beantworten. Man habe aber versucht, die Waage zu halten.
Nach Angaben der Commerzbank ist die Stichprobe damit repräsentativ für die Region . Durchgeführt wurde sie vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos.
Die Strukturschwäche Gelsenkirchens mag durch die Studie damit zwar erneut bestätigt worden sein, dafür findet Nowitzki lobende Worte für den Umgang mit dem Personal im Ruhrgebiet . Knapp ein Fünftel der hiesigen Unternehmer hat hier Kurzarbeit in Anspruch genommen – und damit weniger als im Bundesdurchschnitt, wo etwa ein Viertel betroffen war. 68 Prozent der Betriebe haben hier überhaupt keine Personalmaßnahmen wie Kündigungen, Nicht-Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder Einstellungsstopps genutzt – drei Prozent mehr als im Bund.
„Unsere Unternehmen haben sich mehr für die Mitarbeiter eingesetzt“, sagt Nowitzki zu den Ergebnissen. „Dem klassischen Ruhrgebietsmittelständler ist sein Personal sehr wichtig, da wird möglichst keiner vor die Tür gesetzt.“ Sechs Prozent der Gelsenkirchener Betriebe mussten Kündigungen aussprechen, acht Prozent waren es bundesweit. Für Nowitzki ist das noch eine moderate Zahl. „Ich habe mit mehr Kündigungen gerechnet.“
Positive Folgen der Corona-Krise in Gelsenkirchen
Trotz der existenzbedrohenden Probleme können die lokalen Unternehmen der Krise auch Positives abgewinnen. Zwei von fünf Befragten haben angegeben, dass sie durch die Pandemie ihre Kreativität steigern konnten, rund ein Drittel hat einen stärkeren Teamgeist und mehr Solidarität im Betrieb gespürt. Jeder Fünfte hat in der Corona-Krise mehr Zeit für die Familie.
Nowitzki glaubt allerdings, dass dies sehr der Stimmung zum Umfragezeitpunkt im Sommer geschuldet ist. „Aktuell sehen viel mehr Betriebe schwarz“, meint er. „Die Stimmung ist vielerorts gekippt.“ Die Commerzbank plant deshalb, demnächst eine weitere Studie durchzuführen, um die Effekte der zweiten Corona-Welle und des zweiten Lockdowns abbilden zu können.
Knapp die Hälfte der Unternehmer arbeitet im Home Office
Auch untersucht hat die Studie, ob sich durch die Pandemie mehr Unternehmer auf Home-Office-Regelungen einlassen. Während vor Corona nur zwei von fünf Unternehmen in Gelsenkirchen entsprechende Regeln gefunden hatten, haben durch die Pandemie nun weitere zehn Prozent und damit die Hälfte der Geschäftsleute die Arbeit von zu Hause eingeführt. Für die andere Hälfte ist Home Office weiterhin kein Thema.
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Nicht nur mit Blick auf die Heimarbeit dient die Corona-Krise als Digitalisierungsschub . Der Studie nach will jeder dritte Unternehmer in Deutschland die Digitalisierung nun weiter vorantreiben, vor allem im Bereich Marketing und Kundenkommunikation . In Gelsenkirchen sind es sogar fast 80 Prozent der Betriebe, die die Digitalisierung kurzfristig stärken wollen. Gibt es hier also besonderen Nachholbedarf?
„In der Tat wurde die Digitalisierung hier von vielen Betrieben lange Zeit sehr stiefmütterlich behandelt“, meint Nowitzki. „Manche Handwerksbetriebe haben noch nicht mal eine Homepage.“ Die Krise habe aber gezeigt, dass darauf nicht mehr verzichtet werden kann, wenn potenzielle Kunden ihren Alltag verstärkt zurückgezogen im Häuslichen bestreiten. Inzwischen gebe es deshalb sogar Bestatter, die über Instagram-Stories nachdenken.
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