Gelsenkirchen-Beckhausen. Wegen Corona bieten Gelsenkirchener Gemeinden zum Fest mehr Gottesdienste und neue Formate. Theologin Rylke-Voigt plagt sich mit Sitzplänen.

Von Besinnung zu Besinnung hetzen: In dieser Weihnachts-Disziplin sind Pfarrer und Pastöre ohnehin Meister. Nun, in Corona-Zeiten, werden sie dabei zusätzlichen himmlischen Rückenwind gut gebrauchen können – verlangt die Pandemie doch nicht nur Kreativität in der Entwicklung neuer Gottesdienst-Formate. Sondern eben auch die Fähigkeit, Andacht auf Abstand im Akkord hinzukriegen. Wie sich Theologen in den Gemeinden darauf vorbereiten, mit welchen Gefühlen sie Heiligabend entgegensehen: Pfarrerin Andrea Rylke-Voigt von der Epiphanias-Kirchengemeinde gewährt Einblicke in ihren dieses Mal so ganz anderen Advents-Alltag.

Schön warm und kuschelig angesichts dicht stehender Gläubiger, die gemeinsam „Stille Nacht“ singen; draußen vor der Kirchentür dann ein Handschlag, eine Umarmung, um einander Frohe Weihnachten zu wünschen: Nein, so werden die Gottesdienste an den Feiertagen 2020 sicher nicht. Kein Gesang, kein Gedränge, kein Körperkontakt. Darüber zu jammern, ist aber nicht die Sache von Andrea Rylke-Voigt. „Immerhin können wir in den Kirchen zusammenkommen! Das ist schon viel wert! Denn die Sehnsucht der Menschen danach ist groß“, sieht sie das Glas eher halbvoll als halbleer.

Anwesenheitslisten, Hygienekonzepte und Sitzpläne bestimmen Alltag im Advent

Drangvolle Enge in einigen Kirchenbänken, Gesang vom Chor und den Gläubigen: Derartige Gottesdienste – hier ein Konzert des Teenchors „DeLIGHTful
Drangvolle Enge in einigen Kirchenbänken, Gesang vom Chor und den Gläubigen: Derartige Gottesdienste – hier ein Konzert des Teenchors „DeLIGHTful" in der evangelischen Christus-Kirche in Gelsenkirchen-Beckhausen 2017 – sind im Coronajahr 2020 so nicht möglich. Presbyterium und Pfarrer haben alternative Formate entwickelt. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Proben für das Krippenspiel, Kostüme auswählen, Predigten schreiben, Adventfeiern kirchlicher Gruppen besuchen: Das alles war in dem vorweihnachtlichen Leben vor Corona angesagt für die Pfarrerin in Beckhausen. In diesem Advent bestimmen hingegen die Entwicklung von Hygienekonzepten, die Organisation von Desinfektionsmitteln, Vorgaben fürs Lüften in den Gotteshäusern sowie Anwesenheitslisten und Sitzpläne die Arbeitstage der Presbyteriumsvorsitzenden.

„Im ersten Lockdown war es mit die größte Schwierigkeit, an Einmalhandschuhe und Desinfektionsmittel zu kommen. Nun gilt es, die Hygienekonzepte ein ums andere Mal an die neuen Corona-Schutzverordnungen anzupassen. Das ist schon ziemlich aufwendig“, berichtet sie.

Jesus-Kind muss beim Mini-Krippenspiel mit nur einem Hirten und König auskommen

Weil die Gottesdienste zu Weihnachten zu den meistbesuchten im Jahr zählen, aber von den 450 Sitzplätzen nur maximal 20 Prozent besetzt werden dürfen, werden mehr Feiern und abgeänderte Formate angeboten. Statt der üblichen vier sind es nun an Heiligabend sechs Gottesdienste, die das Pfarrer-Trio Rylke-Voigt, Bernd Naumann und Michael Grimm zu bewältigen hat. Die Pfarrerin steht gar um 14, 15, 16 und 23 Uhr vorne am Altar. „Das wird keine leichte Nummer, auch wenn die Krippenspiele schon fertig vorbereitet in der Schublade liegen“, hat sie durchaus Respekt vor dieser Herausforderung. Schließlich sollen die Feiern ja sehr wohl stimmungsvoll gestaltet sein und nicht den Eindruck von Fließband-Arbeit aufkommen lassen.

Dankbar, dass für die Kinder überhaupt etwas angeboten wird

Gleichwohl: Sie freut sich auf das neue Format der 20-Minuten-Gottesdienste mit Krippenspiel der Mini-Konfirmanden in der Kirche. „Draußen wäre die Logistik mit Bühnenaufbau und -technik viel umständlicher, zumal sich das Wetter nicht planen lässt.“ Dann lieber doch die abgespeckte Variante im Gebäude mit Masken, Abstand und nur sechs Akteuren am Altar: Dieses Jahr muss das Jesus-Kind mit nur je einem Hirten und König auskommen. „Aber 19 von 21 Familien haben zugesagt. Sie sind sehr dankbar, dass für die Kinder überhaupt etwas angeboten wird.“

Anmeldungen für Heiligabend-Gottesdienste sind in Epiphanias Pflicht

Gottesdienste mit Anmeldung: Das ist in diesem Jahr an Heiligabend Pflicht in Epiphanias . „Wir müssen schon vorher einen Sitzplan zur Kontaktnachverfolgung erstellen, alle müssen sich auch an das Einbahnstraßensystem halten“, so Andrea Rylke-Voigt. Die Sitzplatz-Zuordnung erhalten die angemeldeten Gläubigen schon ein paar Tage vor dem 24. Dezember, damit kein Begegnungsverkehr von orientierungslos Suchenden droht.

Anmeldungen für Heiligabend-Gottesdienste nötig

Wer einen der Heiligabend-Gottesdienste in der Evangelischen Epiphanias-Kirchengemeinde in Beckhausen oder Horst besuchen möchte, muss sich bis zum 3. Advent (13. Dezember) schriftlich mit Angabe der Personenzahl anmelden .

Möglich ist dies per Mail (ge-kg-epiphanias@kk-ekvw.de) oder telefonisch (montags bis mittwochs, 10 bis 12 Uhr, donnerstags 15 bis 17.45 Uhr: 0209 58 36 88 ).

Unverzichtbar auch: dicke Winterbekleidung. „Unser Küster ist angewiesen, alle 20 Minuten die drei Kirchentüren am Haupteingang sowie die Fenster weit zu öffnen, um für einen ausreichenden Luftaustausch zu sorgen. Da wird’s schon mal etwas frischer.“ Die Umluft-Heizung wird jeweils eine Viertelstunde vor Beginn der Gottesdienste abgestellt, um die Verwirbelung von Aerosolen zu verhindern. „Sobald die Leute die Kirche verlassen haben und gelüftet wurde, heizen wir aber wieder für den nächsten Gottesdienst ein“, verspricht die Pfarrerin.

Pfarrerin: „Viele gehen in dieser kontaktarmen Zeit emotional vor die Hunde“

Wer Advents- und Weihnachtslieder liebt, soll auch im Coronajahr auf seine Kosten kommen: So lädt die Gemeinde zu Open-Air-Kurzgottesdiensten vor die Christus-Kirche ein, etwa montags, 7. und 14. Dezember, 19.45 Uhr. „Kirchenmusikerin Christina Wienroth stellt dann ihr Keyboard auf, ich spreche ein paar Worte, und dann werden mit Maske und Abstand draußen Adventslieder gesungen.“ Neu sind auch weihnachtliche Einstimmungen in der Christuskirche am 21., 22. und 23. Dezember, jeweils um 18 Uhr: „Wer sich Heiligabend nichts ins ,Gewühl’ stürzen möchte, kann sich mit Musik und Weihnachtslesungen in ökumenischer Tradition aufs Fest vorbereiten.“

Was ihr sonst noch so durch den Kopf geht: „Ich stelle fest, dass viele, zumal ältere und alleinstehende Menschen, in dieser kontaktarmen Zeit emotional vor die Hunde gehen. Die Sehnsucht nach Gottes Heil und Heilung ist groß.“ Sie ist überzeugt: Das Licht, das das kleine Kind in der Krippe bringt, es ist in diesem Jahr besonders nötig.

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