Gelsenkirchen-Bismarck. Seit er 14 Jahre alt ist, schneidet Robert Dettmer in Gelsenkirchen Haare. Eine Marotte begleitet den Friseur dabei bis zum heutigen Tag.

Sein Ziel hat Robert Dettmer im Nachhinein krachend verfehlt. „Am Anfang war der Plan, mit 55 aufzuhören und sich ein schönes Leben zu machen“, sagt er. Jetzt – im stolzen Alter von 74 Jahren – steht der Gelsenkirchener immer noch in seinem Friseursalon in der Bismarckstraße 213 und erfüllt den Kunden ihre Wünsche. Nicht weil er muss, sondern weil ihm die Arbeit nach wie vor große Freude bereitet.

„Genau das ist für mich das schöne Leben“, meint der Friseur. Das Lächeln hinter seinem Mund-Nasen-Schutz ist dabei nur zu erahnen. Für Dettmer steht in den kommenden Tagen ein ganz besonderer Anlass an. Er bekommt den Goldenen Meisterbrief im Friseurhandwerk überreicht. 50 Jahre ist es inzwischen her, dass der 1946 in Bismarck geborene Gelsenkirchener seine Meisterprüfung bestand. Die Lehr- und Gesellenjahre – zwischenzeitlich war er noch 18 Monate bei der Bundeswehr – hatten sich also am 30. November 1970 vollumfänglich ausgezahlt.

Robert Dettmer macht sich mit einem Friseursalon in Gelsenkirchen selbstständig

Bereits mit 13 Jahren hatte er seinerzeit eine Lehrstelle in der Tasche. Mit 14 ging es schließlich als Damen- und Herrenfriseur im Salon Blankenaufulland an der Wanner Straße so richtig los. „Die Schwester eines Freundes war auch Lehrling“, erzählt Dettmer, wie er auf den Beruf gestoßen ist. Alles weitere hat sich dann ergeben.

Robert Dettmer (3. v. l.) mit seinen Mitarbeiterinnen im Jahr 1982 bei der Eröffnung seines Friseursalons in der Bickernstraße 119 in Gelsenkirchen. Foto: 
Robert Dettmer (3. v. l.) mit seinen Mitarbeiterinnen im Jahr 1982 bei der Eröffnung seines Friseursalons in der Bickernstraße 119 in Gelsenkirchen. Foto:  © Susanne Dettmer

„Mein Vater wusste davon nichts. Er war geschockt. Aber ich durfte beruflich machen, was ich wollte, deshalb hat er mich nur gefragt, ob ich mir das gut überlegt habe“, blickt Dettmer zurück. Das hatte er offensichtlich, da er sich später mit einem eigenen Laden an der Bickernstraße selbstständig machen sollte.

Die Eltern dienten ihm hierbei als Vorbild. Sie hatten zwei Lebensmittelläden in der Stadt. „Auch mir war von vorneherein klar, dass die Selbstständigkeit das Ziel ist. Ich wollte nicht als Hilfskeule irgendwo arbeiten“, betont Dettmer.

Von 1967 bis 1969 führte er noch zwei eigene Imbisse in Feldmark und Schalke: „Tagsüber habe ich als Friseur gearbeitet. Danach ging es in den Imbiss, um nebenbei noch etwas Geld zu verdienen. Meine damalige Frau wollte aber den Gestank nicht.“ Der Fokus galt also fortan Schere und Kamm – und das bis heute.

Haarmoden Dettmer seit acht Jahren in der Bismarckstraße 213

„Ich habe das Geschäft immer als Wohnzimmer betrachtet“, sagt Dettmer, „das Geld war nie maßgebend. Klar, der Laden musste die Kosten decken, aber Haare schneiden ist mein Hobby, es macht Spaß unter Menschen zu sein. Die Kunden liegen mir am Herzen. Außerdem hat man so auch noch eine Beschäftigung im hohen Alter.“

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Gelsenkirchen ist er dabei über all die Jahre treu geblieben. Während sich in diesem Zeitraum in Sachen Frisuren einiges änderte , blieb eine Marotte gleich: „Wenn ich Leute sehe, dann schaue ich zuerst nach der Frisur. Ob sie gut oder schlecht ist. Ob der Übergang vernünftig ist. Ich bin auch schon oft angeraunzt und gefragt worden, weshalb ich jemanden angucke“, erklärt Dettmer.

Viele Frisuren von früher sind nun modern

Gesehen hat der Friseur dabei schon so einiges. „Man muss natürlich mit der Zeit gehen und sich der Jugend anpassen. Aber am Handwerk hat sich nicht viel verändert. Derzeit ist vieles angesagt, was schon in den 50er-Jahren modern war“, spielt Dettmer beispielsweise auf Frisuren mit kurz rasierten Seiten an.

Früher seien vor allem Frauen jede Woche zum Friseur gegangen. Die Läden seien proppevoll gewesen: „Das ist heute nicht mehr so.“ Dafür seien Männer offener für eine gefärbte Haarpracht. „Der Trend kam auf, als David Bowie mit roten Haaren auf sich aufmerksam machte“, berichtet Dettmer, der auch den ein oder anderen Prominenten bei sich begrüßen durfte.

Auch Schalke-Profis waren bei ihm im Laden

So kam bis vor kurzem Schalke-Profi Ahmed Kutucu regelmäßig bei ihm vorbei. Auch Vereinslegende Reinhard Libuda, früherer Rechtsaußen der Königsblauen und 1996 an einem Schlaganfall verstorben, war schon zu Gast: „Prominenz hatte natürlich früher eine andere Definition.“ Das konnte auch die Frau des bekannten Metzgers aus der Stadt sein. „Es gab aber für keinen eine Sonderbehandlung. Sie mussten genauso warten wie alle anderen.“

Stammkunden kamen weiterhin

Robert Dettmer lebt als Ur-Gelsenkirchener im Stadtteil Bulmke-Hüllen. Für ihn sei es nie eine Option gewesen, der Stadt den Rücken zu kehren: „Nein! Flüchten wollten wir nicht.“

Trotz seiner Umzüge mit dem Laden sei ein Großteil der Kunden immer mitgewandert : „Natürlich waren dann manche angefressen, aber ich habe mir da keine großen Gedanken gemacht, weil die Kunden auch an einen anderen Standort kommen, wenn die Qualität stimmt.“

Auch wenn er wegen der Corona-Pandemie deutlicher weniger Kunden habe , will sich der Altmeister noch nicht zur Ruhe setzen. Er habe sich keine Marke gesetzt „nach dem Motto: Mit 80 ist Schluss. Solange es Spaß macht und der Salon ein bisschen was abwirft, mache ich weiter.“ Zeit die Füße hochzulegen bleibt dann noch genug.