Die freie Rednerin Tina Isensee aus Gelsenkirchen gestaltet konfessionslose Beerdigungen, aber auch Hochzeiten und sogar freie Taufen.
„Ich habe keine Hemmungen im Umgang mit dem Tod. Der gehört für mich ganz natürlich zum Leben“, sagt Tina Isensee. Dann erinnert sich die freie Rednerin an den Tod ihres Großvaters. Da sei sie nicht zur Schule gegangen, habe stattdessen vor der Trauerhalle, am Fenster zum aufgebahrten Leichnam, gesessen und dem Opa Geschichten vorgelesen. „Ich hatte da noch nie Berührungsängste.“
Das schafft in der Bueranerin ein anderes Gefühl für den Tod und den Abschied. Eines, das eingeht in ihre Arbeit. Eines sei besonders wichtig: dem Verstorbenen mit der Trauerrede gerecht zu werden. Und auch mit dem ganzen Moment. „Dieses Jahr hatte ich eine Beerdigung, die war wirklich berührend. Wir waren in Gladbeck auf dem Friedhof und haben am Grab ganz laut das Lied ,Eine, die immer lacht’ gespielt. Das hatte sich der Sohn so gewünscht.“
Im Auto kullern bei der Gelsenkirchenerin schon mal Tränen
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Sehr persönlich soll ein solches Begräbnis sein und gleichsam nicht zu strapaziös für die Hinterbliebenen. „Wir gehen zum Grab und ich spreche ein Gedicht.“ Mehr geschehe meist nicht. „Ich gestalte das etwas kürzer, weil es für die Leute ohnehin schwierig ist, am Grab zu stehen.“
Natürlich, sagt Tina Isensee, sei sie oftmals sehr ergriffen von dem Moment, von der Trauer der Angehörigen. „Dann heißt es, zweimal Schlucken und versuchen, es für die Menschen gut zu machen, ein starker Ansprechpartner zu sein.“ Im Auto könne es dann schon mal sein, dass ein paar Tränen kullern.
Durch Zufall zur Berufung gekommen
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Es ist erst drei Jahre her, dass die heute 42-Jährige angesprochen wird von einer Kundin ihrer esoterischen Buchhandlung in Buer. „Sie hat mich gefragt, ob ich ihre freie Trauung gestalten könnte. Und ich habe spontan zugesagt.“ Ohne jede Vorkenntnisse.
Aber mit Erfolg. „Ich habe dann immer wieder davon geschwärmt. Und dann hat mich eine andere Kundin angesprochen. Deren Vater lag damals im Sterben und die hat mich gebeten, die Trauerrede zu halten.“ Auch diese Herausforderung nimmt Tina Isensee an. „Weil ich etwas Zeit hatte, mich darauf vorzubereiten. Bis heute finde ich es schöner, wenn ich die Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleitet habe.“
Hauptsächlich seien es aber Hochzeiten, für welche die freie Rednerin angefragt wird. „Wobei ich auch schon eine freie Taufe hatte.“ Beim ersten Hören ein Widerspruch in sich, ist doch die Taufe die Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen. „Die Mutter wünschte sich aber ein Fest und Paten.“ Also lässt sich Tina Isensee etwas einfallen. „Die Gäste haben kleine Herzen mit guten Wünschen besprochen und sie dann in eine Schale mit Wasser gegeben. Mit diesem Wasser haben wir das Mädchen benetzt. Danach haben zwei Taufpaten ihr Versprechen gegeben.“
Wichtig: Das Ja-Wort und ein Eheversprechen
Alternative zur Kirche
Freie Redner für eine Beerdigung zu verpflichten, das hat eine gewisse Tradition. Sie gestalten eine Trauerrede für jene, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören oder ihren Glauben nicht praktizieren.
Freie Trauungen hingegen sind ein neuer Trend. Sie sind eine Alternative zur kirchlichen Hochzeit und haben, wie das religiöse Pendant, keine zivilrechtliche Gültigkeit , sind also eine Ergänzung zur standesamtlichen Eheschließung.
Apropos Versprechen: Das gehört für Tina Isensee auch zu Hochzeiten. „Der Ablauf einer freien Trauung ist sehr individuell. Worauf ich aber Wert lege ist, dass das Paar zueinander Ja sagt und dass sich beide ein persönliches Versprechen geben.“ So wie man es aus Amerika kennt. Ansonsten sei alles recht traditionell. „Ja-Wort, Ringe tauschen, Kuss – das gehört alles dazu. Das sind ja auch ganz normale Paare, die in einem festlichen Rahmen heiraten möchten, aber eben nicht kirchlich.“
Vier bis fünf Hochzeiten gestaltet Tina Isensee im Jahr. Damit sie jede gut und individuell vorbereiten könne, erzählt sie. Dann schmunzelt sie und verrät, eigentlich stehe sie nicht so gerne im Mittelpunkt. Auch wenn das verrückt klinge und sie genau das bei dem Ritual natürlich tue. Jetzt lacht sie noch mehr, kommt auch noch mit einem zweiten Geständnis: „Ich rede auch privat gar nicht so gern.“ Und doch hat die freie Rednerin mit ihrer Tätigkeit ihre Berufung gefunden.
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