Gelsenkirchen. Alassa Mfouapon wurde 2018 durch Proteste gegen eine Abschiebung bekannt. Nun kämpft er von Gelsenkirchen aus für Asylrechte und gegen die AfD.
Es ist nicht so, als würde Alassa Mfouapon diejenigen korrigieren, die ihn „Flüchtling“ oder „Asylbewerber“ nennen. Aber als Selbstbezeichnung hat er diese Worte längst abgelegt. „Das kann nicht in meinem Kopf bleiben“, sagt er. Dauerhaft daran zu denken, dass sein Leben in Deutschland, sechs Jahre nach seiner Flucht aus Kamerun, weiterhin von der Entscheidung einer Behörde abhängt, würde ihm „das Gefühl eines Menschen zweiter Klasse“ geben, sagt der 31-Jährige. „Ich habe keine Angst mehr, abgeschoben zu werden, ich muss kämpfen für alle anderen.“
In der Tat hat Alassa Mfouapon einen ausgeprägten Kampfgeist, er ist Ikone für Asyl-Rechte in linken Augen, personifiziertes Asyl-Chaos in rechten Augen. Er kämpft juristisch gegen die AfD, gegen die Bild-Zeitung, klagt Asylbehörden und die Landesregierung an. Nun hat ihn seine lange Reise nach Gelsenkirchen gebracht.
Gegen Abschiebungen: Alassa Mfouapon wurde das Gesicht eines Protests
Bundesweit bekannt wurde er, als er sich 2018 an einem Protest gegen die Abschiebung eines Togolesen in der Landeserstaufnahmestelle (LEA) Ellwangen in Baden-Württemberg beteiligte. Nachdem etwa 150 Asylbewerber die Polizei hinderten, die Abschiebung durchzuführen, fand ein Großeinsatz mit über 500 Beamten statt. Alassa Mfouapon nahm die Rolle als Sprecher der LEA-Bewohner ein, warb vor Kameras und auf Pressekonferenzen für die Rechte der Geflüchteten. Kurz danach wurde er nach Italien abgeschoben, kam aber wenige Monate später zurück nach Deutschland, wo er einen Asylfolgeantrag stellte.
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Heute ist der Kameruner zwar immer noch in Baden-Württemberg gemeldet, macht aber eine Ausbildung zum Mediengestalter im Ruhrgebiet beim MLPD-nahen Verlag „Neuer Weg“. Der Kontakt kam über den Berliner „Freundeskreis Alassa“ zusammen, der Mfouapon als „Symbol der freiheitsliebenden Flüchtlingsbewegung“ bezeichnet. Dass viele seiner Unterstützer aus dem linksextremen Spektrum kommen, scheint für ihn zweitrangig zu sein. Er will Leben retten.
Der kleine Sohn verunglückt bei der Reise übers Mittelmeer
Um den Geflüchteten im griechischen Katastrophen-Lager Moria zu helfen, hat Alassa vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt und eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Immer wieder ist er widerborstig, versucht negative Asylentscheide umzukehren – jüngst auch in Gelsenkirchen bei einem Geflüchteten aus Mali. „Es sind so viele Menschen im Mittelmeer gestorben“, sagt Mfouapon. „Die Leute, die in Europa angekommen sind, sind vielleicht gerade mal die Hälfte.“ Für sie, die Lebenden wie die Gestorbenen, sei Europa mit verantwortlich. „Solange die Ausbeutung in den afrikanischen Ländern ignoriert wird, bleiben die Fluchtursachen.“
Seine Kämpfe führt Mfouapon, obwohl man meint, die letzten Jahre hätten ihm all seine Energie rauben müssen. 2012 weigert er sich, den Job seines Vaters bei einer Regionalverwaltung in Kamerun zu übernehmen. Seine Frau soll er verlassen, weil sie Christin ist und er Muslim. Sie werden unterdrückt, seine Frau wird angeschossen. 2014 fliehen die beiden, landen zuerst in Algerien, dann im Gefängnis in Libyen. Schon damals, sagt Mfouapon, habe er für die anderen gesprochen und bessere Haftbedingungen eingefordert. „Das ist eine Natursache von mir“, sagt er. „Aber dafür wurde ich mehrmals gefoltert.“
Mfouapon kann sich freikaufen, er wagt die Reise übers Mittelmeer. Zuvor versucht es auch seine Frau, ihr zweijähriger Sohn ertrinkt dabei.
Bild-Berichterstattung weckt Traumata
Irgendwie lernt er mit dem Trauma zu leben. Aber zu viel wird es, als sich 2019 eine Bild-Reporterin mit ihm unterhält, ohne ihre Identität preiszugeben – und mit ihrer Berichterstattung dafür sorgt, dass Todesdrohungen und Hetzbotschaften auf Alassa einschießen. „Das war zu viel“, sagt er. „Ich hatte eine Retraumatisierung, musste ins Krankenhaus und wurde therapiert.“ Wegen seiner guten Deutschkenntnisse erhielt er einen regulären Therapieplatz. Oft scheitert die psychotherapeutische Behandlung von Geflüchteten an den Sprachbarrieren.
„In der Therapie habe ich gelernt, wie ich selbst aus schwierigen Situationen herauskomme“, sagt er. Er gebraucht seine seelischen Werkzeuge gerade wieder häufig. Viele seiner Verwandten und Freunde im Bürgerkriegsland Kamerun seien gerade gestorben, sagt er - wegen Corona, Unfällen, anderen Krankheiten. Ihnen und seinem verstorbenen Sohn möchte Alassa Mfouapon am Totensonntag (22. November) eine öffentliche Trauerveranstaltung widmen. Dann will er - sofern es Corona möglich macht - die Gelsenkirchener zum kollektiven Gedenken einladen.