Gelsenkirchen. Der Epidemiologe Karl Lauterbach setzt auf Raumluftfilter im Kampf gegen Corona. Gelsenkirchener Experte erklärt, was solche Geräte können müssen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach setzt im Kampf gegen das Corona-Virus auf mobile Luftfilteranlagen, um Klassenräume und Schulen als mögliche Infektionsherde auszuschließen. Christian Fieberg ist Professor an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen. Der 47-jährige Dozent erklärt, worauf es ankommt, um mit diesen Geräten die Coronaviren effektiv aus der Luft zu filtern.

Auch wenn Schulen in Gelsenkirchen bislang noch nicht als Infektionsherde aufgefallen sind: Die Stadt Gelsenkirchen befindet sich gerade in der Testphase, um mobile Luftreiniger in Schulen einzusetzen und das Infektionsrisiko mit Corona zu minimieren. Prof. Christian Fieberg vom Fachbereich Maschinenbau, Umwelt- und Gebäudetechnik an der Westfälischen Hochschule studiert gerade mit Expertenblick die Angebote zu mobilen Raumlüftern. Und das aus gutem Grund: „In unseren Seminarräumen sind die Verhältnisse ähnlich wie in den meisten Schulen. Als Hochschule überlegen wir uns ebenso die Anschaffung dieser Geräte.“

Prof. Dr. Christian Fieberg von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen ist Experte für Lüftungstechnik. Ihm zufolge können mobile Raumluftfilter Klassen- und Geschäftsräume zu nahezu 100 Prozent virenfrei machen. Je nach Filterklasse sind Quoten von 99, 995 Prozent machbar.
Prof. Dr. Christian Fieberg von der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen ist Experte für Lüftungstechnik. Ihm zufolge können mobile Raumluftfilter Klassen- und Geschäftsräume zu nahezu 100 Prozent virenfrei machen. Je nach Filterklasse sind Quoten von 99, 995 Prozent machbar. © WH/MV

Was kosten diese mobilen Geräte, wie machen sie den Viren den Garaus, wie ist eine Auswahl zu treffen und gibt der Markt bei ansteigender Nachfrage das überhaupt her?

Aerosole in der Raumluft können Viren transportieren

Aerosole sind winzig kleine Teilchen , die Menschen ausatmen und die stundenlang in der Luft schweben – man geht davon aus, dass sie von den Viren gerne als Vehikel genutzt werden.

Je mehr Menschen sich also in einem Raum aufhalten und dabei möglicherweise auch virenbeladene Aerosole ausatmen, desto höher ist das Infektionsrisiko . Deshalb ist alles, was die Menge an Aerosolen in der Raumluft reduziert, ein gutes Hilfsmittel bei der Vorsorge gegen Covid-19.

Raumlüfter: Drei Techniken, um die Coronaviren unschädlich zu machen

Von drei verschiedenen technischen Ansätzen, um Viren und weitere Schwebstoffe unschädlich zu machen, berichtet der Lüftungsexperte. „Einer davon ist die UVC-Entkeimung. Mikroorganismen wie Viren, Bakterien und Pilze werden dabei mit hoch dosiertem UVC-Licht unschädlich gemacht“, erklärt Fieberg. Einsatzgebiete unter anderem: Oberflächenentkeimung, Wasseraufbereitung.

Aber, so der Ingenieur weiter: Eine hundertprozentige Wirkung der Strahlung sei bislang nur an nackten Keimen nachgewiesen worden, bei Viren in Aerosolen würden sich die Experten noch über die nötige UVC-Dosis und Strahlungsdauer streiten, weil „Wassertropfen einen Teil der Strahlung absorbieren.“ Aerosole bestehen aus feinsten Wassertröpfchen.

Beim zweiten Ansatz werden Keime durch die Ionisation der Luft ausgemerzt. „Als Nebenprodukt entsteht dabei allerdings Ozon“, sagt Fieberg. Dieses farblose Gas wirkt reizend auf die Atemwege. Daher ist für den Einsatz solcher Reiniger zwischenzeitliches Lüften unbedingt notwendig.

Die dritte Art von mobilen Luftreinigern sind mechanische Geräte, am besten ausgestattet mit einem Hochleistungsfilter, auch Hepa-Filter genannt. „Diese Schwebstofffilter sind in der Lage, je nach Filterklasse 99,9 Prozent und mehr Kleinstpartikel aus der Luft zu entfernen.“

In der Bueraner „Lounge 1“ hat die Gelsenkirchener Wirtin Sofia Biancolin in ein Lüftungsgerät investiert. Das Gerät ist ihr zufolge für Räume von 250 Quadratmetern ausgelegt ist. Ihr Lokal umfasst 70 Quadratmeter.
In der Bueraner „Lounge 1“ hat die Gelsenkirchener Wirtin Sofia Biancolin in ein Lüftungsgerät investiert. Das Gerät ist ihr zufolge für Räume von 250 Quadratmetern ausgelegt ist. Ihr Lokal umfasst 70 Quadratmeter. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

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Etwa 2000 Euro für ein Gerät, das in einer Klasse von 60 Quadratmetern eingesetzt wird

Ein entscheidender Faktor bei der Auswahl eines mobilen Raumlüfters ist die Luftwechselzahl. Sie gibt an, wie oft pro Stunde die Luft in einem Raum das Gerät durchläuft. „Empfohlen werden vier bis sechs Luftwechsel pro Stunde, um sicher zu gehen“, erklärt der WH-Experte.

Ein durchschnittlicher Schulraum mit 60 Quadratmetern Fläche und drei Metern Deckenhöhe kommt auf ein Luftvolumen von 180 Kubikmetern – demnach sollte solch ein Raumlüfter „mindestens 720 Kubikmeter pro Stunde bewältigen können“.

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Derartige Geräte kosten für Klassen mit einem zu reinigenden Raumvolumen von 750 bis 1000 Kubikmetern etwa 2000 Euro. Für Gastronomiebetriebe mit ihren Abtrennungen oder Räumen mit vielen Winkeln empfiehlt der Experte den Einsatz mehrer kleinerer Lüfter. Die mobilen Raumluftfilter sind recht kompakt. Das von Christian Fieberg beispielhaft genannte Gerät ist 1,3 Meter hoch und jeweils einen halben Meter breit und lang. Allerdings wiegt es schwer: 80 Kilogramm.

Nachteil: „Die kleineren sind meist etwas lauter, das dürfte in einem Restaurant bei viel Hintergrundgeräuschen durch Unterhaltung und Musik aber weniger ins Gewicht fallen, als im Unterricht.“ Im Umkehrschluss bedeutet das aber für Schulen deutlich höhere Ausgaben.

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„Es ist davon auszugehen, dass die Preise nach unten gehen werden, weil die Hersteller solche Raumlüfter bislang nur in geringen Stückzahlen hergestellt haben“, so Christian Fieberg weiter. Einen Preis von 1000 Euro hält er in der beschriebenen Leistungsklasse für möglich, warnt aber vor Billiggeräten aus Fernost und aus dem Baumarkt.

Wer auf Nummer sicher gehen wolle, solle auf das CE-Gütesiegel oder – noch besser – auf das Eurovent-Label achten, gerade Letzteres garantiere die ausgewiesene Leistung. Zugleich dürfte sich die Wartezeit für Kunden erhöhen. Von momentan einer Woche auf zwei bis vier Wochen, so lautet die Schätzung des Professors.

Die Kosten für den Betrieb eines solchen Gerätes sind Fieberg zufolge überschaubar. Hochgerechnet hat er, dass ein Raumlüfter für einen Klassenraum über den Winter etwa für zehn Euro Strom verbraucht, dazu kommen mehrere Filterwechsel, im Jahr sind das 100 Euro.

Anschaffung der Raumlüfter reißt riesige Löcher in die Haushaltskasse

Ob die mobilen Raumlüfter angeschafft werden, ist unklar. Bayern hat dafür jüngst 50 Millionen Euro bereitgestellt. NRW ist noch nicht soweit. Gelsenkirchen auch nicht. Nach Angaben der Stadt sei ein Test mit einem Gerät bislang eher durchwachsen ausgefallen. Was für eine Art Gerät im Einsatz ist und was negativ aufgefallen ist, blieb offen. Dem Vernehmen nach gibt es Kritik an der Lautstärke.

Die Anschaffung von mobilen Raumlüftern reißt riesige Lücken in die Kassen – und das für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum (Winter). Wenn jede der mehr als 30.000 allgemeinbildenden Schulen in Deutschland nur zehn solcher Geräte für 1000 Euro das Stück bestellte, wäre das eine Investition von 300 Millionen Euro. Nach diversen Hilfs- und Rettungspaketen eine weitere, wohl stark politisch getriebene Entscheidung.