Gelsenkirchen. 59,4 Prozent für Karin Welge, 40,6 Prozent für Malte Stuckmann (CDU): Die SPD-Kandidatin und Kämmerin wird Oberbürgermeisterin in Gelsenkirchen.
Im Hans-Sachs-Haus wird die erste Frau in der 145-jährigen Geschichte Gelsenkirchens als Oberbürgermeisterin an der Spitze von Rat und Verwaltung stehen: SPD-Kandidatin Karin Welge, 57, hat Sonntag klar die Stichwahl gegen CDU-Herausforderer Malte Stuckmann gewonnen. 59,4 Prozent der Stimmen entfielen auf die Stadtkämmerin und Juristin. Die Wahlbeteiligung war schwach. Gerade einmal 26,6 Prozent der Gelsenkirchener Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Welge wird ihr Amt am 1. November 2020 antreten und dem bisherigen Oberbürgermeister Frank Baranowski nachfolgen, der nach 16 Jahren aus dem Amt scheidet.
Gelsenkirchener Sozialdemokraten feiern Welge im Bürgerforum
Der Sieg stand früh fest. Mit minutenlangem Beifall und lauten „Karin, Karin“-Rufen empfingen die Sozialdemokraten die Gewinnerin des Abends. Welge war gerührt – und musste erst einmal kurz durchschnaufen, ehe sie mehrfach unterbrochen von Beifall pointiert inhaltliche Pflöcke einschlug, die kommenden Herausforderungen skizzierte, sich herzlich für die Unterstützung der Partei und zahlloser Akteure bedankte, die vom Wahlausgang vor 14 Tagen geschundene sozialdemokratische Seele streichelte – und besondere Grüße an ihre „Mädelsgang“ richtete: Mutter „Gisi“ und ihre beiden Töchter Giulia und Laurent.
Eintreten für sozialen Zusammenhalt und sozialen Frieden
„Wir haben den Menschen nicht Dinge versprochen, die wir nicht garantieren können. Wir haben die Dinge angenommen, wie sie sind. Wir treten ein für sozialen Zusammenhalt und sozialen Frieden. Dafür sind wir alle heute gemeinsam belohnt worden“, betonte Welge und forderte von ihren Zuhören, die schweren Wahlkampfscharmützel der vergangenen Wochen mit „subtilen und offenen Anfeindungen“, auch „Hetze und Hass“, abzuhaken: „Steckt ab heute eure verletzten Seelen ein und lasst uns ab morgen alle Demokraten einladen, Gelsenkirchen zu einer guten Zukunft zu führen.“
In Berlin und Düsseldorf die Stimme erheben
Die SPD habe „eine Reihe guter Projekte. Für die werden wir laut unsere Stimme erheben. Nicht nur hier, sondern auch in Berlin und Düsseldorf“, kündigte Welge an und gab Einblick in ihr Selbstverständnis: „Sozialdemokratie heißt, zusammen gehen, zusammen kämpfen, Probleme anpacken und sich nicht wegducken, wenn es schwierig wird. Das heute ist erst der Anfang. Es wird schwierig bleiben. Ab Montag ist Alltag. Morgen geht der Kampf los um Bündnisse und die Umsetzung der besten Ideen und die nötigen Rahmenbedingungen für gelungene Integration.“
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Frank Baranowski, der bei der letzten Kommunalwahl mit rund 67 Prozent der Stimmen ins Amt gewählt wurde, konnte den Wahlausgang um seine Nachfolge entspannt verfolgen. Eine Zitterpartie blieb für die SPD aus. Und Welge sah gleich auch bei den Prozenten noch Luft nach oben: „Ich bin jetzt 57 Jahre alt. Diese Marke hatte ich als Ziel, die haben wir gerissen. Aber in fünf Jahren bin ich über 60...“
Bei der CDU macht sich früh Ernüchterung breit
Bei der CDU dauerte es nicht lange, bis sich Ernüchterung breitmachte. Die Christdemokraten hatten sich im vierten Stock des Hans-Sachs-Hauses getroffen. OB-Kandidat Malte Stuckmann hatte gegen 18.15 Uhr gerade das Mikrofon in die Hand genommen, um seine Parteikollegen zu begrüßen und auf den Wahlabend einzustimmen, als auf der großen Leinwand schon die ersten Ergebnisse aufleuchteten: Der rote Balken von Karin Welge war da schon deutlich größer als der schwarze. „Machen Sie das mal weg“, bat Noch-Fraktionschef Wolfgang Heinberg den Mann an der Technik, und für den Rest von Stuckmanns Ansprache blieb den CDU-Mitgliedern und -Anhängern im Saal der Anblick der sich anbahnenden Niederlage erspart.
Wittke attestiert Stuckmann einen „exzellenten Wahlkampf“
Um 18.56 Uhr stand das Ergebnis offiziell fest: Alle 206 Wahlbezirke waren ausgezählt, allen Anwesenden war klar: Stuckmann wird nicht der nächste Oberbürgermeister von Gelsenkirchen. Der Rechtsanwalt fasste sich in seiner Reaktion kurz: „Ich danke Euch für die letzten Wochen und Monate“, sagte an seine Mitstreiter gewandt. Er bemühte sich, das Positive herauszustellen: „Es sind über 40 Prozent – von daher stehen wir nicht so schlecht da.“
Er habe an den Sieg in der Stichwahl geglaubt, gab er anschließend zu Protokoll – aus dem Erdgeschoss des Hans-Sachs-Hauses hörte man da bereits die SPD-Anhänger feiern. „Ich habe in vielen Gesprächen gemerkt, dass bei den Menschen der Wunsch nach Veränderung da ist.“
Oliver Wittke, letzter lokaler CDU-Oberbürgermeister, attestierte Stuckmann einen „exzellenten“ Wahlkampf. „Aber offenbar wollen die Wähler ein Weiter-So“, befand er. Wittke beklagte den „schmutzigen Wahlkampf“ der vergangenen Wochen und machte das vor allem an zwei Sozialdemokraten fest: „Ich bin froh, dass Klaus Haertel und Joachim Poß dem nächsten Rat der Stadt nicht angehören.“
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