Gelsenkirchen-Buer. Gelsenkirchener Festival lockt vom 30. September bis 4. Oktober in die City. Acht Künstler zeigen Lichtkunst zwischen Schein und Wirklichkeit.
Stadtrat Christopher Schmitt steht ganz sachlich für Recht und Ordnung, schon von Berufs wegen - als Dezernent. Bei der Vorstellung der Zweitauflage der Lichtspiele „Goldstücke“ geriet er aber ins Schwärmen: „Kunst belebt eine Stadt auch in dunklen Stunden“, griff er in die Poesie-Kiste, um die Wirkung der Open-Air-Lichtkunstgalerie zu umschreiben, die bei der Premiere 2019 Tausende Besucher nach Buer gelockt hatte. Mit ihm gehen auch die anderen Akteure fest davon aus, dass das kreative Leuchtfeuer von Mittwoch, 30. September, bis Sonntag, 4. Oktober, gerade in Coronazeiten hochwillkommen ist.
„Kunst, Licht und Buer sind eine Melange, die hervorragend funktioniert, auch auf Abstand“, zeigte sich Schmitt froh, dass die Installationen von acht deutschen und europäischen Künstler(gruppe)n an zehn Standorten erneut stattfinden können. „Gerade in der Coronazeit ist das keine Selbstverständlichkeit“, bedankte er sich bei den „starken Partnern“ Sparkasse, Ele und Juwelier Alfred Weber.
Gelsenkirchener Programmmacher bringen Kinetik in den öffentlichen Raum
Dieses Mal bringen die Programmmacher mit der Kinetik einen inhaltlichen Schwerpunkt des Kunstmuseums in den Bereich zwischen Goldbergpark, Horster, Hochstraße und Robinienhof. „Zu sehen sind populäre Illuminationen ebenso wie ausgewählte Lichtkunst“, kündigte Schmitt an. Das Publikum dürfe sich wieder auf verzaubernde Begegnungen voller Sinnlichkeit, Kreativität und Poesie freuen, versprach auch Leane Schäfer, Leiterin des Kunstmuseums.
Im Kunstmuseum an der Horster Straße präsentiert Sali Muller ihre Arbeit „Happiness is as brittle as glas“ (2019): einen zerbrochenen Regenbogen aus Neonröhren in leuchtenden Farben, fragil und flüchtig wie das Naturphänomen selbst. Dieser dient als Symbol für das Ausmaß und die Folgen der Zerbrechlichkeit von Identität.
Schlagworte aus der Online-Welt erobern die Außenfassade des Kunstmuseums
Die gebürtige Polin Karolina Halatek ist ebenfalls im Kunstmuseum zu Gast: Ihr Werk „Field“ (2020) auf der Dachterrasse erweckt mit weißem Licht und Nebel das Gefühl, über den Wolken zu wandern. Die Installation ist in kleinen Gruppen begehbar und wurde extra für die „Goldstücke“ angefertigt.
Johanna Reichs Video „Crawler“ (2020) wird an die Außenfassade des Kunstmuseums projiziert: Es sind Sätze zu den Themen, die aktuell im Internet diskutiert werden. Reichs Arbeiten changieren zwischen digitalen Medien wie Video und Projektion und andererseits tradierten Kunstformen wie Malerei und Skulpturen.
Leerstehende Ladenlokale werden zu Orten künstlerischer Auseinandersetzung
Der renommierte Düsseldorfer Mischa Kuball, Jahrgang 1959, erobert das leerstehende erste Obergeschoss des Weiser-Kaufhauses an der Hochstraße 7 für sich. Seine Installation „Five Planets“ (2015) zeigt die Namen von fünf Planeten unseres Sonnensystems, die sich an den Wänden und auf dem Boden bewegen. So entsteht der Eindruck, in anderen Sphären zu schweben. Möglich wird dies durch fünf rotierende Discokugeln. Der Professor für Kunst im öffentlichen Raum an der Akademie der Medienkünste in Köln wurde 2016 mit dem German Light Award ausgezeichnet.
Wie in alten Leuchtmitteln neuer Lebensraum entstehen kann, inszeniert Rosemarie Weinlich in „Habitat“ (2011-2016), zu sehen an der Ophofstraße 2. Für die „Goldstücke“ ziehen in Glühbirnen neue Pflanzen ein, dabei formt das Kunstlicht die Pflanzen beim Wachsen.
Spiel mit der Perspektive des Betrachters
„Take Five“ hat der 1976 geborene Bochumer Christian Gode sein Werk in der Robinienhof-Passage betitelt. Im Spiel mit Raum und Architektur entwickelt er eine neue Lichtkunstarbeit vor Ort. Der Kunst- und Pädagogiklehrer war 2008 Mitbegründer der Künstlerinitiative „kollegium kunst (off) raum“.
Lukas Buschfeld, 1983 in Köln geboren, spielt in seiner Installation „Tubes“ (2019/20) mit der Perspektive des Betrachters. So erlebt dieser unterschiedliche Ansichten der Lichtarchitektur aus Laserstrahlen, die in Dunkelheit und Dunst Röhren bilden. Der Raum im leerstehenden Lokal an der Hagenstraße 52 ist begehbar.
Künstler bespielen auch zwei buersche Kirchen mit ihren Lichtkunst-Arbeiten
Auch zwei Kirchen werden zu Orten künstlerischer Auseinandersetzung: In St. Mariä Himmelfahrt, Goldbergstraße 11, zeigen die Raumzeitpiraten „Entwürfe für die Schwerelosigkeit“ (2020): eine selbstexpandierende „Multimedia-Performance-Surround-Raumschiff-Laborreise“ zwischen Wissenschaft und Fiktion, die auf alte und aktuelle Töne, Bilder und Objekte setzt. Und in St. Urbanus präsentieren Lux Ovalis (Studierende der Fachhochschule Düsseldorf) eine interaktive Installation. Beide Inszenierungen verbleiben auch während der Gottesdienste dort.
Walking Acts der Formation „Light & Movement“, die auf Stelzen durch den Goldbergpark und die City Buer laufen, ergänzen die prall gefüllte Wundertüte der „Goldstücke“. Nicht zuletzt verwandelt „World of Lights“ die Grünanlage hinter dem Busbahnhof wieder in eine spektakuläre Open-Air-Lichtkunst-Galerie.
Geschäfte öffnen beim „Late Light-Shopping“ am Freitag, 2. Oktober, bis 21 Uhr
Den Initiatoren der „Goldstücke“ geht es wie schon 2019 auch um eine Belebung der Innenstadt. Dazu werden auch DJ Tiko & Man at Arms beitragen, die den Robinienhof am Samstag, 3. Oktober, 19 bis 22 Uhr, mit Elektronik-Klängen und Lounge-Musik zur Open-Air-Disko machen. Nicht zuletzt sollen auch Einzelhandel und Gastronomie, in der Coronakrise stark gerupft, von dem Festival profitieren: Am Freitag, 2. Oktober, öffnen die Geschäfte bis 21 Uhr beim „Late Light-Shopping“.
„Um die Gastronomen in der Coronakrise zu unterstützen, haben wir den Biergarten auf der Skulpturenwiese in Buer verlängert. Auch die Schausteller auf der Domplatte können ihre Waren an den vier Tagen weiterhin anbieten“, so Kulturreferats-Leiterin Andrea Lamest.
„Cicerones“ erläutern die Kunst-Installationen an verschiedenen Stationen
Der Eintritt zu allen Installationen an allen Standorten ist frei. „Licht an“ heißt es jeweils von Einbruch der Dämmerung an, also gegen 19.30 Uhr, bis etwa 23 Uhr. Das Kunstmuseum ist an den vier Tagen bereits um 18 Uhr geöffnet, schließt jedoch schon um 22 Uhr.
Sogenannte „Cicerones“ stehen an verschiedenen Stationen bereit, um die Kunst-Installationen zu erläutern und die Künstler vorzustellen. So sollen auch Neulinge mit der Lichtkunst vertraut gemacht werden.
Spezielle App informiert über Kunstwerke, Aktionen und Wartezeiten
Eine speziell auf die „Goldstücke“ ausgelegte App, von Studierenden der Westfälischen Hochschule auf die Bedürfnisse in Buer zugeschnitten, soll einige Tage vor dem Start des Festivals zum Herunterladen freigeschaltet werden. „Sie soll Interessierten kurze Hinweise zu den Arbeiten und deren Standorten geben, aber auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise informieren, wo gerade viel oder wenig los ist“, so Andrea Lamest. Ein Leitsystem mit Markierungen auf der Straße zeigt auch Besuchern ohne App den Weg auf.
Zum Schutz vor Corona werden alle Besucher gebeten, Abstand zu halten, auch in den Warteschlangen. Der Einlass zur Lichtkunst in den Leerständen und im Kunstmuseum ist beschränkt, es kann also zu Wartezeiten kommen. In den Räumen ist es Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.