Gelsenkirchen. Ab 2029 ist die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm Pflicht. In Gelsenkirchen will man schon jetzt den deutschen Markt erschließen.
Gelsenwasser will seinen Geschäftsbereich erweitern und dabei seine „nachhaltige Orientierung“ voranbringen. Künftig will der Energiedienstleister Phosphor aus Klärschlammasche recyceln. Dafür hat Gelsenwasser mit dem schwedischen Unternehmen Easy Mining einen Vertrag über die exklusive Nutzung eines patentierten Verfahrens abgeschlossen.
Gemeinsam wollen die Partner so den deutschen Markt für Phosphor-Recycling aus Klärschlammasche erschließen. In der Region Bitterfeld soll in naher Zukunft eine Demonstrationsanlage errichtet werden. „Wir arbeiten schon seit 2018 mit Easy Mining zusammen, die auf das Verfahren ein Patent haben“, erklärt Christoph Ontyd, Leiter des Bereiches Abwasser bei Gelsenwasser. „In den letzten zwei Jahren haben wir das Verfahren auf seine technische Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft - und sind zu einem positiven Ergebnis gekommen. Dann haben wir entschieden: Wir machen das jetzt.“
Phosphor steht auf der Liste der kritischen Rohstoffe der EU
Phosphor wird zum Beispiel in der Landwirtschaft gebraucht. Aktuell werden 90 Prozent des für Düngezwecke benötigten Phosphors importiert. Der Rohstoff wird in Minen abgebaut und ist oft mit Schwermetallen wie Uran belastet. Mittlerweile steht Phosphor bereits auf der Liste der 27 sogenannten kritischen Rohstoffe der EU. Klärschlamm, wie er jährlich tonnenweise in deutschen Kläranlagen entsteht, enthält jedoch große Mengen an Phosphor: Wird er verbrannt, so können acht bis zehn Prozent Phosphor aus der Asche gewonnen werden.
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Ab 2029 sind große kommunale Kläranlagen in Deutschland deshalb gesetzlich verpflichtet, Klärschlamm zu verbrennen und den darin enthaltenen Phosphor zurückzugewinnen. Hier kommt Gelsenwasser ins Spiel. „Unsere Partnerunternehmen unterhalten zahlreiche Kläranlagen in Deutschland. Wenn man Klärschlamm verbrennt, hat man natürlich auch die Verpflichtung, sich um die Verwertung der Asche zu kümmern“, sagt Ontyd. Die Vorstände Henning R. Deters und Dirk Waider betonen außerdem, die Pläne unterstrichen Gelsenwassers Ziel, in allen Unternehmensbereichen ein starkes Augenmerk auf den Erhalt der natürlichen Ressourcen zu legen“.
Bis 2030 will Gelsenwasser 300.000 Tonnen Asche jährlich behandeln
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In Bitterfeld-Wolfen betreibt die Gelsenwasser-Tochter Chemiepark Bitterfeld-Wolfen eine der größten Kläranlagen Ostdeutschlands. Hier wird gerade eine zweite Klärschlammverbrennungsanlage gebaut. In der geplanten Testanlage für Phosphor-Recycling soll das neue Verfahren, bei dem die Klärschlammasche mit Salzsäure, Natronlauge und Kalk behandelt wird, weltweit erstmalig angewendet werden. Zunächst ist die Verwertung von 30.000 Tonnen Klärschlammasche pro Jahr geplant.
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Damit soll das Verfahren in der Praxis geprüft und mögliche Prozessoptimierungen vorgenommen werden. Eine Ausweitung des Konzepts auf andere Chemieparks in Deutschland innerhalb der nächsten zehn Jahre ist beabsichtigt. Große Städte wie Halle und Leipzig haben bereits entschieden, die Klärschlammverbrennungsanlage in Bitterfeld-Wolfen mit Klärschlamm zu beliefern. „Unser Ziel ist es, bis 2030 rund 300.000 Tonnen Asche jährlich zu behandeln“, erklärt Ontyd. Mit dieser Menge könnte man etwa 20 Prozent des importierten Phosphors ersetzen.
Auch der Remondis-Konzern plant, im großen Stil Phosphor zu recyceln
So funktioniert das Ash2®Phos-Verfahren
Der Name „Ash2®Phos“ steht für „Asche zu Phosphor“. Der Vorteil des Verfahrens ist, dass es hohe Recycling-Quoten erzielt und den Stoffkreislauf entgiftet. Zunächst erfolgt ein Aufschluss der Klärschlammasche in Säure. Auf diese Weise kann der Rest-Sandgehalt abgetrennt werden, anschließend erfolgt eine Separation der einzelnen Fraktionen.
Als Nebenprodukte entstehen Salze auf der Basis von Eisen bzw. Aluminium, die als Fällmittel in der Wasseraufbereitung oder in Abwasserreinigungsprozessen eingesetzt werden können. Das Hauptprodukt ist ein sehr reines Calciumphosphat, das unter anderem in der Düngemittelproduktion weiterverarbeitet werden kann.
Im Moment kalkuliert Gelsenwasser mit einem Investitionsvolumen von 30 Millionen Euro. „Genaueres kann man aber erst in etwa anderthalb Jahren sagen, wenn klar ist, wie viele Fördermittel wir erhalten und wie teuer die benötigten Chemikalien sein werden“, so Ontyd. Neben Gelsenwasser plant auch die Remondis-Gruppe, im großen Stil in den Phosphor-Recycling-Markt einzusteigen - allerdings mit einem anderen Verfahren. Der Abfallkonzern hat in Hamburg bereits eine Versuchsanlage errichtet.
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