Gelsenkirchen-Buer. Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, sorgen für manches Verkehrschaos in Gelsenkirchen-Buer. Anwohnern fehlt das Verständnis.

Als den „täglichen Wahnsinn“ bezeichnet WAZ-Leser Bernhard H. das, was jeden Morgen rund um die Gesamtschule Buer-Mitte (GBM) in Gelsenkirchen passiert. Die Schule liegt mitten in einem eher ruhigen Wohngebiet, doch morgens gegen 8 Uhr nimmt es die Gegend in puncto Straßenverkehr locker mit einer viel befahrenen Hauptstraße auf. Bernhard H. wohnt dort, und er kennt den Grund für den morgendlichen Stau: Es sind die Elterntaxis.

Der Begriff „Elterntaxi“ hat es mittlerweile sogar zu einem Eintrag in der Online-Enzyklopädie Wikipedia gebracht: Gemeint sind Mütter oder Väter, die ihren Nachwuchs bis vors Schultor fahren und nachmittags dort wieder abholen. Bei einer großen Schule wie der GBM mit weit über 1000 Schülern kann das verständlicherweise schnell zu einem Verkehrschaos führen, wenn viele Eltern gleichzeitig vorfahren und alle das Ziel haben, ihre Kinder möglichst nah an der Schule abzusetzen.

Anwohner in Gelsenkirchen reagieren genervt auf die vielen Autos

Die Folge sind verstopfte Straßen und genervte Menschen: Vor allem für die Anwohner sind die Elterntaxis zu einer regelrechten Plage geworden. „Ich kenne viele Leute, die Am Spritzenhaus wohnen“, berichtet Bernhard H. Dort befindet sich einer der Haupteingänge der Gesamtschule. „Die kommen morgens teilweise nicht aus ihren Garagen heraus, weil sie zugeparkt werden.“ Würden die Fahrer der Elterntaxis von den Anwohnern angesprochen, reagierten viele auch noch pampig und verständnislos.

Schon lange ein Problem: Das Archivbild zeigt die Situation an der Sternschule an der Franz-Bielefeld-Straße.
Schon lange ein Problem: Das Archivbild zeigt die Situation an der Sternschule an der Franz-Bielefeld-Straße. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Bernhard H. hat das Thema bei Facebook öffentlich gemacht und stößt dort auf viel Verständnis für seinen Ärger. „Ich hätte mich in Grund und Boden geschämt, wenn ich in dem Alter noch wie ein Kleinkind vor der Schule abgesetzt worden wäre“, findet eine Nutzerin – vor allem die Tatsache, dass es sich nicht um eine Grundschule, sondern um eine weiterführende Schule für ältere Kinder handelt, stößt auf weit verbreitetes Unverständnis.

Bezirkspolizist warnt: Fahrer bekommen einen gründliche Ansage

An Grundschulen ist die Situation vergleichbar: Eine Leserin, die namentlich nicht genannt werden möchte, berichtet von den Zuständen in dieser Woche an der Grundschule am Lanferbach in Sutum. „Wie die Eltern sich in ihren Autos benommen beziehungsweise nicht benommen haben, war eine Katastrophe“, sagt sie. Vor der Schule sei kein Durchkommen mehr gewesen, teilweise wären die Autos auf dem Bürgersteig gefahren – und die Kinder hätten zugesehen. „Was ist mit der Vorbildfunktion der Eltern?“, fragt sich die Leserin fassungslos.

Polizeihauptkommissar Horst Storb ist Bezirksdienstbeamter in Buer und kennt das Problem gut. Am Donnerstag war er zur Einschulung der Erstklässler an die Pfefferackerschule gekommen und stand dort den Eltern als Ansprechpartner zur Verfügung. Er mahnt dringend dazu, sich genau zu überlegen, ob ein Bringen der Kinder mit dem Auto wirklich notwendig ist – und kündigte an, in den nächsten Tagen ganz genau hinzuschauen. „Eltern, die unter dem Vorwand, dass sie es eilig hätten, die Verkehrsregeln brechen, bekommen von mir eine gründliche Ansage“, warnte er. „Es kann nicht sein, dass Autofahrer andere Kinder gefährden, nur um ihr eigenes Kind vermeintlich sicher zur Schule zu bringen.“

Polizeisprecherin appelliert an Eltern: Eigenverantwortung der Kinder stärken

Polizeisprecherin Merle Mokwa appellierte ebenfalls an die Eltern. „Wenn Sie Ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, dann parken Sie bitte etwas weiter weg und lassen sie den Rest des Weges zu Fuß gehen“, so Mokwa.

Im Idealfall sollten Kinder aber so früh wie möglich in der Lage sein, den Schulweg ohne die Hilfe der Eltern zu bewältigen. Das trage nicht nur zur Verkehrsberuhigung bei. „Auf diese Weise lernen die Kinder, sich selbstständig im Straßenverkehr zu bewegen“, sagt die Polizeisprecherin. Die Polizei trage schon seit langem ihren Teil dazu bei, den Kindern das Rüstzeug für den Straßenverkehr mit auf den Weg zu geben. „Unsere Beamten gehen in die Kitas und üben mit den Vorschulkindern“, berichtet Mokwa.

Videotraining mit der Polizei

Auf ihrer Internetseite bietet die Polizei Gelsenkirchen ein Videotraining für Schulkinder an – wegen der Corona-Krise ist ein Besuch in den Kitas derzeit nicht möglich. In fünf Filmen zeigen Beamtinnen und Beamte der Polizei den Kindern, wie man sicher über die Straße kommt. Merksätze wie „Am Stoppstein halt, damit es nicht knallt“ und „Nicht rennen und nicht pennen“ helfen dabei, sich das Gelernte einzuprägen.

Die Filme findet man unter gelsenkirchen.polizei.nrw.

Auch die Deutsche Verkehrswacht plädiert für ein Schulwegtraining, das die Eltern gemeinsam mit ihrem Kind absolvieren. Dabei wird jedes Abbiegen, jede Straßenüberquerung und jeder Gefahrenpunkt, beispielsweise eine Baustelle, einzeln besprochen. Der Sinn der Sache: Die Kinder lernen Verantwortung zu übernehmen – und das Elterntaxi kann in der Garage bleiben.