Gelsenkirchen-Buer. Die „Lindengarten“-Wirtin in Gelsenkirchen-Buer verlor den Prozess gegen die Versicherung. Jetzt entschloss sie sich zu einem drastischen Schritt

Als im März der Lockdown verhängt wurde und alle Restaurants schließen mussten, war Draženka Schettki tatsächlich ein wenig erleichtert. Die Inhaberin des Restaurants „Lindengarten“ in Buer hatte unter der zunehmenden Ungewissheit gelitten, die die Corona-Lage mit sich brachte. Jetzt war zumindest eine Entscheidung gefallen. Natürlich machte sie sich Sorgen, allerdings wähnte sich sich gut versichert. Das sollte sich als Trugschluss erweisen – das lag auch an dem kleinen Wörtchen „nur“.

Bei der Provinzial-Versicherung hatte sie eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Ihrer Meinung nach deckte diese Versicherung auch den Fall ab, dass der Betrieb wegen einer grassierenden Pandemie geschlossen werden müsste.

2019 unterschrieb die Wirtin aus Gelsenkirchen ihren Versicherungsvertrag

Doch als Draženka Schettki bei ihrem Versicherungsvertreter anrief, teilte ihr dieser mit, dass sie kein Geld bekommen würde. Die Begründung fand sich im Kleingedruckten. Dort war eine Liste von Krankheiten und Erregern aufgelistet: Sollte es zu einer Betriebsschließung kommen, die im Zusammenhang mit einer der aufgelisteten Krankheiten steht, würde die Versicherung greifen.

Den Vertrag hatte Draženka Schettki im Juni 2019 abgeschlossen. Das Corona-Virus war damals noch unbekannt – und stand deshalb nicht auf der Liste.

Es geht um das kleine Wörtchen „nur“

Draženka Schettki tat das, was man in diesen Fällen tut: Sie nahm sich einen Rechtsanwalt. Der heißt Wolfgang Wesener und ist Experte für Versicherungsrecht. Er entschloss sich dazu, per Eilantrag zu klagen: „Der reguläre Klageweg hätte, wenn er durch alle Instanzen gegangen wäre, Jahre dauern können“, begründet der Anwalt. Doch der Antrag hatte keinen Erfolg: Das Landgericht Essen entschied gegen Schettki, und auch die nächste (und letzte) Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, bestätigte die Entscheidung aus Essen.

Wichtig für die Richter war das kleine Wörtchen „nur“, das im Vertrag stand: „Verspricht eine Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für ,nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)’ Krankheiten und Krankheitserreger, wobei Covid-19 und Sars-Cov-2 (auch sinngemäß) nicht genannt sind, besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen wegen des neuartigen Corona-Virus“, heißt es in der Urteilsbegründung. Im Klartext: Weil Corona nicht ausdrücklich genannt wird, muss die Versicherung nicht zahlen.

So äußert sich die Provinzial zum dem Thema

Peter Wendt, Gastronom aus Buer und guter Freund von Draženka Schettki, kann das nicht nachvollziehen. Er selbst musste seine Gaststätte „Fliegenpils“ im März ebenfalls schließen, seine Versicherung zahlte aber. „Ich kenne auch andere Gastronomen, die ebenfalls bei der Provinzial versichert sind, und die ihr Geld auch bekommen haben“, sagt er. Aus diesem Grund riet er Schettki zu einem drastischen Schritt: Sie erstattete bei der Polizei Anzeige gegen die Provinzial wegen Betruges. „Vielleicht gibt es ja bei der Staatsanwaltschaft einen guten Geist, der sich der Sache annimmt“, hofft Wendt.

Fabian Hitzler, Sprecher der Provinzial, wies darauf hin, dass der Versicherungskonzern zu Einzelfällen generell keine Stellung beziehe. Im Allgemeinen reguliere die Provinzial „Schäden in der Betriebsschließungsversicherung gemäß der Sach- und Rechtslage“, sagte er. „Dabei kommen unterschiedliche Bedingungswerke und Bedingungsgenerationen zur Anwendung.“ Heißt: Jeder Versicherte muss genau in seinen Vertrag schauen.

Diesen Einwand hat Rechtsanwalt Wolfgang Wesener

An diesem Punkt stößt sich Rechtsanwalt Wolfgang Wesener. „Meine Meinung nach hätte die Provinzial Anfang der Jahres, als Corona ein Thema wurde, Frau Schettki auf die Lücke in der Liste hinweisen müssen“, sagt er. Man könne eben nicht vom Versicherten erwarten, dass er ständig den Überblick über mögliche Änderungen behalte.

Eröffnung vor gut einem Jahr

Erst im vergangenen Jahr, am 1. Juni 2019, hatte Draženka Schettki das Restaurant „Lindengarten an der Lindenstraße in Gelsenkirchen-Buer übernommen. In der Gastronomieszene Buers kennt sich sie auch: Ihre Eltern hatten schon das Traditions-Restaurant „Gambrinus“ am Nordring betrieben.

Mehr Infos zum Lindengarten unter www.lindengarten.info.

Draženka Schettki ist schwer enttäuscht von ihrer Versicherung. „Und ich habe bei der Provinzial so gut wie alles versichert“, sagt sie – ob das so bleibt, muss sie sich noch schwer überlegen. Da sie einen großen Biergarten hat, kommt sie bei dem Sommerwetter zurzeit gut über die Runden. Wie es allerdings im Herbst wird, weiß sie nicht. „Das kann dann schnell existenzgefährdend werden“, fürchtet sie.