Gelsenkirchen. Die Gelsenkirchener Komponistin Christiane Seidler widmet Hildegard von Bingen eine eigene Oper. Warum Corona eine Uraufführung unmöglich macht.
Sie war Nonne und Naturkundlerin, Heilerin, Seherin, Dichterin und Komponistin. Die Heilige Hildegard von Bingen (1098-1179) gilt als eine der ganz frühen, faszinierenden Universalgelehrten, deren Vita und Wirken die Menschen bis heute magisch anzieht. Die Gelsenkirchener Komponistin Christiane Seidler widmet nun der visionären Benediktinerin eine eigene, große Oper. „Hildegard“, ein Musiktheater in zwei Akten, liegt seit wenigen Tagen druckfrisch beim Verlag vor und wartet auf seine Uraufführung.
Gelsenkirchen: Oper "Hildegard" wird mitten in der Corona-Pandemie vollendet
Über zwei Jahre lang arbeitete die 60-jährige Leiterin der Gelsenkirchener Opera School gemeinsam mit dem amerikanischen Librettisten John Havu an der Produktion. Man traf sich mal in Berlin, mal in Gelsenkirchen. Entstanden ist eine opulente, moderne Oper, die von mittelalterlichen Machtstrukturen, Klosterleben und Glaubenskonflikten erzählt, aber auch ganz zeitlos von Seelenpein, existenziellen Nöten und visionärer Hoffnung. „Und besonders von der großen Kraft des Gottvertrauens“, betont die Komponistin.
Die blickt während des WAZ-Gesprächs in einen Garten, der wie von Hildegard von Bingen inspiriert scheint. Ein Ort voller duftender Kräuter und segensreicher Heilpflanzen. Nun aber ist die Oper „Hildegard“ ausgerechnet mitten in der Corona-Pandemie vollendet worden. „Das macht eine Aufführung in starker Besetzung in einem Opernhaus derzeit unmöglich“, bedauert die Musikerin, hier vor allem als Chris Seidler bekannt. Von ihr liegen bereits Kompositionen wie die Oper „Fellini, Fellini“ oder das Kinderstück „Kater Moshe und der Zauberbogen“ vor, beide im Musiktheater im Revier uraufgeführt. Geschrieben wurde das aktuelle Werk für ein groß besetztes Orchester, für einen umfangreichen Chor und 19 Solisten.
Hildegard von Bingen steht auf dem Gipfel ihrer Macht und zugleich vor dem seelischen Absturz
„Hildegard“ erzählt exemplarisch vor allem über zwei wichtige Jahre aus dem Leben der Äbtissin, zwei Jahre, in denen Hildegard auf dem Gipfel ihrer Macht und zugleich vor ihrem seelischen Absturz steht. „Die Protagonisten leben in der geschützten Welt eines Klosters und müssen doch jeweils ihre eigene Bestimmung finden.“ Statt üppiger Inszenierung bietet der renommierte Berliner Musikverlag „Boosey & Hawkes“ die fast dreistündige Oper nun auch für eine Uraufführung in konzertanter oder halbszenischer Version an. „Auch so kann man in diese komplexe Welt der Hildegard mühelos eintauchen“, verspricht die Musikerin.
Auf ihrer Homepage liefert sie allen Interessierten schon mal kurze Hörbeispiele. In ihrem eigenen Tonstudio hat Chris Seidler bereits die komplette Oper konzertant aufgenommen. Mit dabei ihre einstige Opera School-Schülerin Sophie Schwerthöffer (Sopran) und das ehemalige MiR-Ensemble-Mitglied Gudrun Pelker (Mezzo).
Partitur erinnert an mittelalterliche Ära - und an die heutige Zeit
Die Partitur orientiert sich sowohl an der mittelalterlichen Ära Hildegard von Bingens als auch an der heutigen Zeit. Da tauchen deutliche Anklänge an Carl Orffs berühmter „Carmina Burana auf“, an frühmittelalterliche Gesänge und Tänze, fühlt man sich durch scheinbar gregorianische Gesänge und den Sound mächtiger Oratorien in Klöster und Kapellen versetzt. „Wenn Hildegard in ihren Visionen abtaucht, dann habe ich mit elektronischen Klängen gearbeitet, auch mal atonal, scharf, schrill.“ Auch wenn es sich bei „Hildegard“, nicht zuletzt wegen der Stimmfächer und des klassisch besetzten Orchesters, um eine Oper handelt, so soll sie doch in der Mischung aus Musiknummern und Dialogen auch ein musicalaffines Publikum ansprechen: „Das Werk ist intensives Drama, aber auch leichte Unterhaltung.“
Was die Gelsenkirchener Komponistin und Sängerin so sehr an der historischen Figur interessiert, ist „ihre ungeheure Willenskraft, ihre Intelligenz, ihre innere Überzeugung, ihr Einsatz für die Rechte der Frauen“. Inspiriert von Hildegards Visionen, ihrer Liebe zu Musik und Natur und von Szenen der Oper malte Chris Seidler in nur sieben Tagen 50 Bilder, mit denen sie nun auf ihrer Homepage die Musikvideos illustriert. Bilder, die sie vielleicht auch mal ausstellen kann, wenn „Hildegard“ die Opernbühnen erobern wird.
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