Gelsenkirchen. Im Interview erklärt IT-Teamleiter Thomas Sowa, wie Corona die Digitalisierung in Gelsenkirchens Schulen vorangetrieben hat. Und wo es noch hakt.
Thomas Sowa ist Leiter des IT-Teams für Gelsenkirchener Schulen. Seit 2008 kümmert er sich in Gelsenkirchen um die digitale Ausstattung der Schulen, Schüler und Lehrkräfte. Im SommerGEspräch fragten wir ihn nach dem digitalen Stand der Dinge in Gelsenkirchener Schulen, nach Erfahrungen aus dem corona-bedingten Lockdown und seinen Wünschen an die Politik.
WAZ: Herr Sowa, wenn Sie die digitale Ausstattung der Schulen in Gelsenkirchen benoten müssten, welche Schulnote würden Sie vergeben?
Thomas Sowa: Mindestens eine Zwei! Eher eine Zwei plus.
Wie viele Überstunden haben Sie in den vergangenen Wochen angesammelt?
Ja, es sind schon einige, es war viel Arbeit, aber ich bin ja zum Glück nicht allein. Wir haben während der Schulschließungen manche Projekte angestoßen, die wir für später geplant hatten, haben sehr kurzfristig agiert. Elf Schulen sind mit IServ durchinstalliert, für alle anderen Schulen haben wir virtuelle Instanzen von IServ installiert, sodass zumindest jeder Beteiligte an der Schule Zugriff hat. Das erleichtert die Kommunikation und auch das Verteilen von Aufgaben.
Bis auf die Familien, die keinerlei Endgeräte zur Verfügung haben….
Es gibt in der Stadt inzwischen Initiativen, die dem entgegenwirken. Das städtische Jugendzentrum Erich Kästner-Haus in Erle hat für solche Schüler der Gesamtschule Erle Räume, Endgeräte und ihr WLAN zur Verfügung gestellt. Das wäre ein Modell, das auch in anderen Zentren bei uns Schule machen könnte.
Hat Corona tatsächlich die Digitalisierung von Schulen in Gelsenkirchen vorangetrieben?
Ja, absolut! Ich bin heilfroh, dass wir schon vor dieser Situation so eine gute Infrastruktur hatten. So dass wir jetzt mit der Bereitstellung von Hintergrunddiensten und Software unkompliziert helfen konnten. Für uns war es eine reine Frage der Administration, alle WLAN-Netze in den Schulen für die Lehrer frei zu schalten. Und wir haben für jeden der über 3000 Lehrer in der Stadt eine eigene Telefonnummer bereitgestellt, über die sie gut Kontakt halten können, auch mit den Eltern.
Gelsenkirchen fordert schon lange, die Schüler mit Endgeräten auszustatten. Zusätzlich zum Digitalpakt gibt es nun weitere 500 Millionen Euro – für alle Schulen der Republik. Wird das reichen für die vielen sozial benachteiligten Familien in Gelsenkirchen?
Der Bund gibt 105 Millionen für ganz NRW. Im Moment haben wir aber noch keine Richtlinien zur Beantragung dafür vorliegen und noch keine Aussage darüber, wieviel wir bekommen. Das Land stockt noch auf, es gibt 178 Millionen Euro landesweit inklusive kommunalen Beiträgen, die übrigens nicht alle Bundesländer fordern. Reichen wird das Geld aber auch so bei weitem nicht. Wir haben teilweise Schulen, da wissen wir, dass ein Großteil der Schüler ein Gerät bräuchte. Beim Digitalpakt darf ja – außer in Berufskollegs – nur ein Teil der Mittel für Endgeräte verwendet werden.
In Gelsenkirchen laufen die Schulserver über IServ, das Land favorisiert Logineo. Ist das ein Gelsenkirchener Alleingang?
Nein. 3000 Schulen arbeiten in Deutschland bereits mit IServ. Wir stellen es unseren Schulen ja frei, aber von den 73 hat sich nur eine für Logineo entschieden. IServ ist ursprünglich im Jahr 2001 als Schülerprojekt gestartet worden, basiert auf Erfahrungen aus der Schule. Und es liefert auch, anders als Logineo, den gesamten Unterbau für die Digitalausstattung.
Wie viele von den 73 Schulen in Gelsenkirchen sind schon soweit, dass sie gut digital arbeiten können?
Ich kann an zwei Händen abzählen, wie viele Schulen noch fehlen. Die Gesamtschule Berger Feld, die Gertrud-Bäumer-Realschule und die Albert-Schweitzer-Förderschule stehen jetzt an, die Gesamtschule Ückendorf läuft gerade. Das hängt immer auch an Baumaßnahmen, darauf müssen wir warten. Die Digitalisierungsmittel aus dem Gute-Schule-Programm haben wir längst aufgebraucht.
Wie kompliziert ist es, Fördergelder abzurufen?
Bei Gute Schule 2020 war das machbar. Beim Digitalpakt aber haben die ersten Anträge unglaublich viel Zeit in Anspruch genommen.
Gibt es in den aktuellen Förderprogrammen jetzt auch Gelder für den dauerhaften Support in den Schulen sowie für die Neuanschaffung in einigen Jahren, wenn die Hardware veraltet ist?
Nein. Überhaupt nicht. Das muss wie selbstverständlich von der Stadt kommen. In Gelsenkirchen für 38.000 Schüler und 73 Schulen.
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Wie groß ist Ihr Team?
Derzeit sind wir neun, drei weitere Stellen sind ausgeschrieben. Und den Schulsupport übernimmt die Gelsenkirchener Kommunale Datenzentrale mit sechs Mitarbeitern. Das müssen mehr werden, wenn wir mehr Geräte bekommen.
Wie läuft es mit den Schulungen?
Wir übernehmen die technischen Schulungen. Die pädagogisch-inhaltlichen laufen über die Medienberater des Medienkompetenzteams aus der Praxis. Wir haben übergreifend zudem einen Arbeitskreis mit Vertretern aus allen Bereichen, auch aus dem für Schulen so wichtigen Medienzentrum im Bildungszentrum. Gelsenkirchen ist wirklich auf einem guten Weg.
Und wer schult die Eltern von jüngeren Schülern, die in Coronazeiten Kontakt zur Schule halten möchten?
Das ist tatsächlich ein Problem, weil viele nicht mit E-Mails umgehen können. Auch da gibt es eine Schulungsaktion mit dem Erich Kästner-Haus, die Vorbild für alle sein könnte.
Wenn Sie einen beruflichen Wunsch frei hätten...?
...würde ich mir weniger Bürokratie wünschen!
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