Gelsenkirchen. Beim „Kommunalranking NRW 2020“ des Instituts für Wirtschaft schneidet Gelsenkirchen schlecht ab. Dabei lohnt ein zweiter Blick auf die Studie.

Wer bei den Worten „Gelsenkirchen“ und „Städteranking“ gleich wieder aufhört, zu lesen, dem kann man das eigentlich nicht verübeln. Auch beim jüngsten Vergleich der Kommunen in NRW, den das Institut der deutschen Wirtschaft (iw) jetzt vorlegt, schneidet Gelsenkirchen nicht gut ab – zumindest auf den ersten Blick. Wie so oft steckt der Teufel im Detail.

Vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunalwahl am 13. September hatte der Interessenverband „Unternehmer NRW“ das iw mit der Studie beauftragt. Verglichen wurden alle 396 Kommunen in NRW, die Themen (hier „Indikatoren“ genannt) Wirtschaft, Arbeit, Wohnen und Lebensqualität flossen in die Bewertung mit ein.

Auch die Altersstruktur Gelsenkirchens spielt einer Rolle

So wurde beim Bereich „Arbeit“ etwa das vorhandene Arbeitsumfeld in den einzelnen Regionen näher in den Blick genommen: Dabei war an erster Stelle die allgemeine Arbeitsplatzversorgung ein Indikator, um die Beschäftigungssituation in einer Kommune beurteilen zu können.

Für den Bereich „Wohnen“ zogen die Macher der Studie unter anderen die Zahl der erteilten Baugenehmigungen heran. Die „Lebensqualität“ einer Kommune machten die Autoren auch daran fest, wie hoch die Kaufkraft in einem Privathaushalt ist. Ebenfalls eine Rolle spielte die Altersstruktur einer Gemeinde: „Besonders beliebt sind Regionen mit einer jüngeren Bevölkerung“, heißt es weiter.

Nur diese beiden Kommunen liegen im Ranking hinter Gelsenkirchen

All diese Bereiche sind in einer Tabelle mit dem Titel „Niveau-Ranking“ zusammengefasst, und schaut man sie sich an, dann ist das Ergebnis für Gelsenkirchen einmal mehr vernichtend. Die Stadt belegt Platz 394 von 396: Nur Kranenburg im Kreis Kleve und Marienmünster im Kreis Höxter schneiden noch schlechter ab.

Das ist auf den ersten Blick deprimierend und erinnert an die berüchtigte ZDF-Studie, die Gelsenkirchen in einem bundesweiten Städteranking auf den Platz 401 von 401 teilnehmenden Kommunen setzte – daraus entstand bekanntlich die Kampagne „#401GE“. Schon damals gab es Kritik an der Methodik der Studienmacher: Einige Kriterien, die am Ende in die Bewertung einflossen, erschienen willkürlich und wenig aussagekräftig, so die Kritiker.

Stadtsprecher Oliver Schäfer: „Bildung ist ein wichtiges Kriterium“

Ähnlich sieht es bei dem aktuellen Papier aus. „Nimmt man Methodik der iw-Autoren unter die Lupe, erscheint beim zweiten Blick dann auch einiges fragwürdig“, sagt Stadtsprecher Oliver Schäfer. So schrieben die Studien-Autoren am Ende des knapp 50-seitigen Dokuments, dass grundsätzlich eine „limitierte Datenbasis zur Verfügung stehe“, im Klartext: Viele Faktoren würden überhaupt nicht berücksichtigt, so Schäfer.

Beim gründlichen Lesen wird auch klar, dass Gelsenkirchen in einigen, wichtigen Bereichen sogar recht weit vorne liegt. So sei die Stadt beim Thema „schnelles Internet“ beziehungsweise Breitbandausbau mit Bochum und Recklinghausen führend in NRW. „Was die Studie gar nicht erwähnt, ist der digitale Ausbau unserer Schulen“, beklagt Schäfer. Da sei Gelsenkirchen nämlich ganz weit vorne. „Und wir finden sehr wohl, dass Bildung ein wichtiges Kriterium ist.“

IHK-Standortleiter Jochen Grütters kritisiert Festhalten an Stadtgrenzen

Ein wenig differenzierter betrachtet Dr. Jochen Grütters, Leiter des IHK-Standorts Emscher-Lippe, die Studie. Eine Stadt wie Gelsenkirchen, die mitten im Ruhrgebiet und direkt umgeben von anderen Städten liege, könne man eigentlich nicht nur für sich betrachten. „Wo Stadtgrenzen verschwimmen, kann man Stadtgrenzen nicht zur Unterscheidungskriterien für ein Rating machen“, so Grütters.

Immerhin bewerte die Studie nicht nur den Ist-Zustand, sondern auch die Entwicklung der Kommunen, lobt Grütters: In einer zweiten Tabelle, dem sogenannten „Dynamik-Ranking“, werde auch darauf geschaut, was sich in den vergangenen drei bis fünf Jahren getan habe. Dort liegt Gelsenkirchen immerhin auf Platz 367. „Das ist insofern erfreulich, als dass es belegt, dass sich in der Stadt etwas tut“, so Grütters.

Ranking vergleicht die Kommunen Deutschland

Das Institut der deutschen Wirtschaft (iw) mit Sitz in Köln ist ein Wirtschaftsforschungsinstitut, das traditionell der Arbeitgeberseite nahe steht. Finanziert wird das Institut von Verbänden und Unternehmen aus der Wirtschaft, Trägervereine sind die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Einmal im Jahr veröffentlicht das iw ein Städteranking, das die Kommunen in Deutschland hinsichtlich verschiedener Faktoren miteinander vergleicht.

Sein Fazit: „Eine lediglich auf Indikatoren wie Arbeit, Wirtschaft oder Lebensqualität gestützte Studie bildet immer nur einen Teil der Wirklichkeit ab“, fasst Grütters zusammen. „Dennoch sollten die Ergebnisse Anreiz dazu sein, alles für einen Wirtschaftsraum zu tun, in dem sich Industrie entwickelt kann und der Fachkräfte anzieht.“