Gelsenkirchen. Stadt weist auf Bürgerbeteiligung hin. St. Urbanus erinnert an Vermarktungsprobleme. Historiker Heidemann für Wohnbebauung statt Vollsortimenter.
Die Weichen sind gestellt: Nachdem der Rat den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 442 "Kirche St. Theresia" gefasst hat, forciert die Pfarrei St. Urbanus nun die Verhandlungen mit einem Investor, um ihm das Grundstück an der Polsumer Straße zu verkaufen. Wie berichtet, will dieser das Gotteshaus zu einer Kita umbauen und nebenan einen Lebensmittel-Vollsortimenter mit 100 Stellplätzen errichten. Bürger haben jedoch noch die Gelegenheit, sich zum Bebauungsplan-Entwurf zu äußern.
Darauf weist die Stadt in einer Pressemitteilung ausdrücklich hin. Hintergrund: Gegen den Vollsortimenter hatten Bürger und Bündnisgrüne vehement protestiert, weil sie einen Kahlschlag auf dem 9200 Quadratmeter großen Gelände mit altem Baumbestand, aber auch Verkehrsprobleme auf der Polsumer Straße sowie eine Wertminderung ihrer umliegenden Immobilien fürchten. Auch die Kita-Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes hinterfragen Fachleute wie der Historiker und Architekt Dr. Lutz Heidemann kritisch (wir berichtet en).
Gelsenkirchen fordert "planerisch sensiblen" Umgang mit Gebäude
Die Verwaltung stellt unterdessen klar, dass eine Nutzung der Kirche als Kindergarten dazu beitragen "kann", das architekturgeschichtlich und künstlerisch wertvolle Gebäude langfristig zu erhalten. Es handele sich um ein hochrangiges Beispiel der Nachkriegskirchenarchitektur. "Daher sollte planerisch sensibel mit dem Gebäude umgegangen werden", mahnt die Stadt in Richtung (neuen) Eigentümer.
St.-Urbanus-Verwaltungsleiter Friedrich Klute äußert sich derweil im Einvernehmen mit dem namentlich nicht genannten Investor "froh, dass der Aufstellungsbeschluss gefasst ist. Jetzt gilt es, weitere Details des Vertrages zu klären."
Pfarrei: Kaum Kauf-Interessenten für denkmalgeschützte Kirche
Christian Zipper, Mitglied im Immobilien-Ausschuss des Kirchenvorstands, betont in Hinblick auf die Kritik, wie schwierig die Vermarktung des Areals wegen des Denkmalschutzes der 2007 geschlossenen Kirche gewesen sei. "Erst nachdem wir auch das umliegende Gelände (mit einstigem Gemeindehaus, zwei Wohnhäusern und dem freigezogenen Kindergarten, d. Red.) zum Verkauf gestellt haben, gab es vermehrt Anfragen."
Die Pfarrei müsse jährlich rund 25.000 Euro allein für die Erhaltung der Kirche aufbringen. "Das ist angesichts rückläufiger Kirchensteuer-Einnahmen einfach nicht mehr zu stemmen. Schließlich tragen wir Verantwortung für einen vernünftigen Umgang mit Steuergeldern."
Stadt: Bis Bebauungsplan steht, dauert es noch etwa zwei Jahre
Ziel sei es, die Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss zu bringen und noch in 2020 zu einer Entscheidung zu kommen. Zuletzt müsse noch das Bistum grünes Licht geben.
Wie es dann weitergeht? "Bis der endgültige Bebauungsplan als Satzung vom Rat beschlossen wird, dauert es zumeist zwei Jahre. Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit frühzeitig über die Details informiert wird", so Stadtsprecher Oliver Schäfer. Dazu zählten auch die Klimaschutz-, Umwelt-, Verkehrs- und Lärmgutachten, die die Verwaltung nun gemeinsam mit dem Grundstückseigentümer und/oder dem Investor erarbeite. Die Anregungen und Kritikpunkte der Bürger würden in den Entwurf eingearbeitet bzw. gewürdigt.
Dass darin auch eine Stellungnahme von Ex-Stadtplaner Heidemann zu finden sein wird, ist wahrscheinlich. Auch wegen des hohen städtebaulichen Werts der von Karl Brand entworfenen Kirche hält er die Ansiedlung eines Lebensmittelgeschäfts für falsch und schlägt stattdessen eine Wohnbebauung vor. Aus dem Erlös ließe sich eine soziokulturelle Einrichtung in der Kirche, etwa für Jugendliche, finanzieren. Eine Architektur-Werkstatt könne verschiedene Formen von Umnutzungen des Gotteshauses erkunden. "Sich jetzt schon festzulegen, halte ich nicht für richtig", fordert er eine Zurückstellung des Verkaufs.
Historiker Heidemann mahnt kreativen Umgang mit Kirchen an
Auch was die übrigen geschlossenen Kirchen (nicht nur in der Pfarrei St. Urbanus) angeht, mahnt Heidemann einen kreativen Umgang an. So könnten in Absprache mit der Denkmalbehörde wichtige Gestaltungselemente als bewahrenswert herausgestellt werden, so dass auch Teilabbrüche möglich seien.
Die Pfarrei St. Urbanus plant, sämtliche aufgegebenen Gotteshäuser bis Ende 2020 in die Vermarktung zu geben. Das 16.000 Quadratmeter großes Gelände von St. Ida in der Resser Mark eigne sich etwa für eine Wohnbebauung. "Der große Waldanteil bliebe bestehen, die Kirche würde abgerissen", so Zipper über Gespräche mit Interessenten.
Bei Heilig Geist im Schaffrath sind ein Tagungshotel und eine Wohnbebauung im Gespräch, bei St. Josef in Scholven würde die GGW gerne eine Kita und Seniorenwohnungen errichten. "Da hoffen wir auf einen Abschluss noch in 2020", sagt Zipper. Für St. Suitbert in Erle und St. Konrad in Erle-Middelich gibt es noch keine Pläne. St. Ludgerus und St. Mariä Himmelfahrt (beide Buer) werden "wahrscheinlich vor 2025" geschlossen. Deren Vermarktung solle beschleunigt werden.