Bulmke-Hüllen. Neue Führung, neuer Schutz: Die Höhenretter der Feuerwehr Gelsenkirchen leitet Semy Harrathi. Die Retter verfügen jetzt auch über neue Helme.
Zwischen Himmel und Erde, das ist das Arbeitsfeld der Gelsenkirchener Höhenretter, eine Sondergruppe der hiesigen Feuerwehr. Der 28-köpfige Einsatztrupp hat jetzt einen neuen Leiter: Semy Harrathi. Der 39-Jährige folgt auf Frank Wiedenhöfer (54). Zwei, die mehr als nur Seil und Haken verbindet. Hier folgt ehemaliger Schüler auf Routinier und Mentor.
„Ich möchte, dass jetzt junge Menschen nachrücken“, sagt Frank Wiedenhöfer. Der Hauptbrandmeister „klinkt“ sich aber nicht komplett aus - im Gegenteil, er macht weiter, nur eben nicht mehr im ersten Glied der Rettungskette. Der 54-Jährige möchte sich ganz auf den Job konzentrieren, mit dem im Laufe der Jahre immer größer gewordenen Bereich der administrativen Aufgaben, „dem Formalkram“, wie der passionierte Triathlet zu sagen pflegt, mag sich fortan sein Freund und Teamkollege Semy kümmern.
Ein Muss für das Arbeiten in Höhe und Tiefe: Extremer Gleichgewichtssinn
Der Familienvater hat dafür nach seiner Ausbildung 2002 eine Vielzahl von Fortbildungen absolviert. 2005 stieß er zu den Höhenrettern. „Dass extreme Höhe und Tiefe Semy nicht im Geringsten aus der Fassung bringen, hat sich schnell herauskristallisiert“, erinnert sich Frank Wiedenhöfer an die ersten begleitenden Einsätze des potenziellen Nachwuchsmannes. Tja, und von da war das Band dann schnell geknüpft. Denn nicht jeder verfügt über einen derart ausgeprägten Gleichgewichtssinn – so ein Talent muss man fördern.
Gesagt, getan. Das zusätzliche Schulbankdrücken hat Semy Harrathi zum Aufstieg als Brandoberinspektor verholfen, Budgetierung, Beschaffungswesen, die Koordination des Trainings, all das und mehr muss nun Semy Harrathi verantworten.https://cms.cloud.funkedigital.de/webservice/thumbnail/article/12102485
Eine Herausforderung, der sich der 39-Jährige gerne stellt, weiß er seinen Freund und Mentor doch an seiner Seite. Das hat durchaus Vorteile. Denn im Notfall würde Harrathi als Zugführer in erster Linie die Fäden in der Hand halten und die Rettungsmaßnahmen koordinieren. Etwa bei der Bekämpfung eines Brandes. Wird zusätzliches Können für die Rettung aus der Höhe oder Tiefe benötigt, können Wiedenhöfer und seine Kameraden sofort nahtlos anknüpfen und übernehmen. Übrigens: Ohne Zulage, alles rein freiwillig. Gilt auch für die Taucher. https://cms.cloud.funkedigital.de/webservice/thumbnail/article/11941967
Wer jetzt denkt, da verstricken sich womöglich zwei Führungsfiguren im Kompetenzgerangel, der kennt den Zusammenhalt der Retter untereinander nicht. „Wir arbeiten schon lange zusammen“, sagen die beiden, „da gibt es keine Eitelkeiten. Außerdem geht es um Menschenleben - dahinter bleibt alles andere zurück.“ Und Harrathi ergänzt: „Frank hat mehr als 20 Jahre Erfahrung, sein Wissen ist extrem wertvoll, das ist ein Glücksfall für unsere Arbeit.“
Höhenretter trainieren den Ernstfall regelmäßig
Wiedenhöfer gehört zu den Gründungsmitgliedern der Höhenrettung in Gelsenkirchen. Das war so um 1996, da bestand der Trupp aus acht Leuten. Die Höhenrettung ist hier nach der Wende aus dem Osten übernommen worden. Hintergrund: In den Plattenbauten der ehemaligen DDR war entgegen der bei uns geltenden Vorschrift kein zweiter Rettungsweg vorgesehen. Daher entwickelten die geviewten Retter dort (Seil-)Techniken, die weit über die Reichweite der Drehleitern hinausgingen. Den Wissensvorsprung der Ost-Feuerwehr machte man sich hier gern zu eigen.
Gelber Integralhelm ersetzt bisherigen Kopfschutz
Die Feuerwehr Gelsenkirchen hat ihre Retter jetzt mit neuen Schutzhelmen ausgestattet. 510 dieser leuchtend gelben Integralhelme wurden an Berufs- und Freiwillige Feuerwehr ausgegeben. Die alten waren elfenbeinfarbig. Kosten: 400 Euro pro Stück.
Die neuen Helme sind mit 1,3 Kilogramm Gewicht „spürbar leichter“, ihre Passform wurde verbessert. An die Helme kann eine Sprechgarnitur angebracht werden, bei Fahrzeugführern ist sie im Helm fest verbaut. Mehr Komfort bietet der neue Helm auch hinsichtlich des Hörens, er mildert die Geräuschkulisse ab, die Kommunikation fällt leichter.
Die LED-Lampe sitzt jetzt zentral auf dem Helm, vorher war sie seitlich angebracht. Weitere Ausstattung: Schutzbrille und -visier sind besser aufeinander abgestimmt, Zugluft in den Augen ist kein Thema mehr.
Wie viele Menschen die Höhenretter schon aus einer Notlage befreit haben? Hat Wiedenhöfer nie gezählt, es dürften, so sagt er, Dutzende gewesen sein: Angefangen vom verletzten Kranführer, über Kinder in hohen Bäumen bis zu verunglückten Arbeitern in Baugruben, Silos und Schächten. Darunter auch einige, die den neuen Abwasserkanal für den Emscher-Umbau unter der Stadt vorangetrieben haben. 2019 war die Männer um Harrathi und Wiedenhöfer 23 Mal im Einsatz.
Verluste, schwere Unglücke, hat die Gelsenkirchener Höhenrettung bislang nicht zu beklagen. Das hat Gründe. Denn neben der zweiwöchigen Grundausbildung hängen die Retter pflichtgemäß „72 Stunden im Jahr im Seil“, damit jeder Handgriff sitzt im Umgang mit Haken und Steigklemmen, Winden und Tragkörben. Meist sind es weitaus mehr Stunden, geübt in 15 Kilogramm schwerer Montur wird „an Silos im Stadthafen, auf Consol oder sogar bei EON in Scholven“.
Was unterscheidet Höhenretter von Bergsteigern und Kletterern? „Für uns ist es Arbeit, kein Hobby. Bei uns geht es nicht um Nervenkitzel, sondern um Sicherheit.“, erklären Semy Harrathi und Frank Wiedenhöfer. „Und wir sind immer zweifach gesichert, wir benutzen zwei Seile, die anderen nur eins.“
Doppelt hält eben doch besser.