Gelsenkirchen. Die Höhenretter der Feuerwehr Gelsenkirchen sind ein weiterer Spezialtrupp. Das 24-köpfige Team ist im Stadtgebiet auf drei Wachen verteilt.
Verletzt in den Seilen vor dem Hans-Sachs-Haus baumelt der abgestürzte Industriekletterer in gut 20 Metern Höhe, Michael Giesens. Arme und Beine hängen schlaff herunter. Alarm für Uwe Schmidt, Norbert Laskowski und Tobias Riemek. Sie gehören zu den Höhenrettern der Gelsenkirchener Feuerwehr und eilen dem Mann in Not zu Hilfe.
Ein eingespieltes Team sind sie, die drei verstehen sich wortlos, teilen sich die Aufgaben. Einer bedient die massige Drehleiter, bringt sie nah an den Mann, einer sichert den Kollegen am Seil, während der Dritte sich in seiner roten Montur wieselflink zum Verunglückten abseilt. Hände fliegen hoch oben, handtellergroße Haken klicken metallisch, Schnüre werden zu Knoten und rissfesten Verbindungen – und schon hängt der Unglücksrabe am Seilsystem seines Helfers. Sind die alten Fesseln des Arbeiters gekappt, geht es mit dem Retter sicher nach unten.
„Gut gemacht“, sagt Frank Wiedenhöfer und nickt anerkennend. Keine acht Minuten hat es gedauert, bis der Verunglückte wieder festen Boden unter den Füßen hat. Der 50-jährige Hauptbrandmeister ist der Leiter der Höhenrettertruppe. Er hat das Übungsszenario in der City entworfen. Sein Kollege Michael Giesen hatte den Mann in Not gemimt. Sehr überzeugend offenbar, denn viele Passanten bleiben in der Sonne stehen und filmen gebannt mit ihren Smartphones das Spektakel im Seil.
24 Mann stark ist der Trupp der Gelsenkirchener Höhenretter, verteilt auf drei Wachen in der Stadt. Wie die Experten aus dem Tauchteam „schieben“ sie im Alltag ganz normal Dienst, wenn denn ihr spezielles Können gefragt ist, werden sie zusätzlich angefordert. „Das kann ein Kranführer sein, der in seiner Kabine hoch oben über der Baustelle einen Herzinfarkt bekommen hat oder auch ein Arbeiter, der in einen tiefen Schacht gestürzt ist und festsitzt“, erklärt Frank Wiedenhöfer. Kommt gar nicht mal so selten vor.
Genau das, das „Hängen im Schacht“, simuliert die Feuerwehr gleich darauf. Nur ohne Schacht. Dafür aber mit der Drehleiter im Maximalauszug – das sind schwindelerregende 30 Meter. Unten hängt wieder der Abgestürzte, von oben seilt sich der Retter zu ihm ab. Anders aber dieses Mal: Eine kleine elektrische Seilwinde, kaum größer als eine Autobatterie, und ein Tragekorb (Schleifkorb) ergänzen die Szenerie.
Wieder übernimmt der Höhenretter den Verletzten in sein Seilsystem, im Tragekorb sicher eingebettet geht es für ihn wie von Geisterhand leise surrend „ans Tageslicht“ zurück. „200 Meter kann die Winde im Akkubetrieb bewältigen“, sagt Ausbilder Wiedenhöfer – trotz der vielen Zentner, die an ihr zerren. Bemerkenswerte Technik. Für diese gelungene Aktion gibt es sogar Szenenapplaus.
Jeder Handgriff sitzt im Schlaf
Damit jeder Handgriff im Schlaf sitzt, trainieren die Höhenretter viel. Und nicht nur ihren Körper, wie etwa im Fitnessstudio von Gelsensport am Schürenkamp, von wo es bis zur Feuerwache I nur ein Katzensprung ist. „Wir trainieren auf Consol, bei EON in Scholven, an den Silos im Stadthafen oder auch an einem Baukran an der Theodor-Otte-Straße“, erzählen Uwe Laskowski (33) und Tobias Riemek (29), während sie ihre gut 15 Kilogramm schwere Montur ein wenig öffnen, um sich abzukühlen. Steigklemmen, (Radeberger) Haken, Umlenkrollen eines Flaschenzuges und noch vieles mehr klirrt dabei an ihren die Hüften. Belastend wie lebensrettend zugleich.
14 Tage umfasst die Grundausbildung der Höhenretter. Sie reicht von einer Tauglichkeitsprüfung (Gleichgewichtssinn, Schwindelfreiheit) über Knotenkunde bis hin zu Auf- und Abseiltechniken –alpine Vorerfahrung ist da sehr nützlich, aber beileibe kein Muss. Pflicht ist hingegen, dass die Retter „72 Stunden im Jahr im Seil hängen“ und dies auch nachweisen. Die werbewirksame Übung am Hans-Sachs-Haus wird sich also ebenso in der Dokumentation wiederfinden wie die Kletterpartien im 24 Meter hohen Schlauchturm an der Wildenbruchstraße ohne Publikum – dort, wo früher nasse Schläuche zum Trocknen hingen.
Neu im Feuerwehrteam: ein Quadrokopter
Blaulicht, Drehleiter, Höhenrettung – die 65 Erstklässler der Friedrich-Grillo-Schule wollten eigentlich bei „Graziella“ ein Eis essen gehen. Das Eis holen sie sich, nur ziehen es vor, auf den Bänken direkt vor dem Verwaltungsgebäude Platz zu nehmen. In der ersten Reihe quasi, denn jetzt lassen Brandinspektor Bernd Teubert und Nachwuchsretter Jan Bahl einen Quadrokopter aufsteigen. „Der ist mit einer Kamera bestückt und liefert Bilder in 4K-Auflösung“, erklärt Teubert.
Das Gerät hilft, in Notlagen den Überblick zu bewahren, zum Beispiel bei Überschwemmungen wie zuletzt noch nach den Starkregen. Die wieselflinke Drohne zeigt der Feuerwehr, wo sie den Hebel ansetzen muss oder eben den besten Weg zur Unglücksstelle.
Nebenbei liefert der Mini-Hubschrauber gestochen scharfe Bilder auf einen Monitor am Steuergerät. Dass jedes Detail zu erkennen ist und kein Bild verwackelt, dafür sorgen ein so genanntes Gyroskop (Kreiselstabilisator) in Kombination mit einem Kompass und GPS-System. 15 bis 30 Minuten Flugzeit schafft die Drohne, die maximale erlaubte Höhe liegt bei 100 Meter.
„Der Hammer“, staunen Passanten. Und auch die Grillo-Kinder sind erst einmal baff. So sehr, dass sie glatt das Eisschlecken vergessen. Es tropft munter auf Hosen, Röcke und Shirts, den Rest müssen Waschmaschinen erledigen.