Gelsenkirchen-Schalke-Nord. In Gelsenkirchen hat Norres Schlauchtechnik seinen Sitz. Doch das Unternehmen agiert zunehmend international – seit April mit einem neuen Chef.
Der Stabwechsel zum 1. April war geplant. Dass er unter besonderen Vorzeichen stattfinden würde, natürlich nicht. Als Ralf Dahmer bei Norres Schlauchtechnik den Geschäftsführer-Posten übernahm und Burkhard Mollen nach vielen Jahren als Geschäftsführender Gesellschafter in den Beirat des international agierenden Unternehmens wechselte, standen die Zeichen längst wirtschaftlich auf Sturm. Weltweit schaukelte sich die Corona-Krise hoch, wurden Grenzen geschlossen, Produktionswege gekappt, Belegschaften in Kurzarbeit geschickt, stürzten Umsatzzahlen ins Bodenlose ab.
Gelsenkirchener registrieren wieder Stabilität im Auftragseingang
„Bereits Anfang 2020 ist unser Chinageschäft erdrutschartig abgeschmiert, nach zuvor zweistelligen Wachstumsraten“, sagt Dahmer. Norres hat in Fernost einen Produktionsstandort mit circa 40 Mitarbeitern. Mitte März seien dann die Geschäfte in Frankreich, Italien und Schweden teilweise „komplett weggebrochen, aber seit Anfang Mai haben wir wieder Stabilität im Auftragseingang, zwar nicht auf dem Niveau von Anfang 2020, aber auf vernünftigem Niveau“, so der Geschäftsführer.
Wenige Wochen später kann der 52-Jährige eine erste Bilanz ziehen: Corona hat Norres getroffen, aber die Schlauchspezialisten aus Schalke-Nord nicht schwer angeschlagen. Die Schutzmechanismen haben gegriffen. „Im Moment sind wir weltweit bei Norres von Infektionen verschont geblieben. Aber wir haben auch sehr viel dafür getan, auch bei der Aufklärung der Mitarbeiter. Da bestätigt sich wieder, wie gute und transparente Information hilft“, sagt Dahmer.
Kontakt zwischen den Abteilungen auf ein Minimum reduziert
„Wir haben sehr früh 8000 Schutzmasken bestellt und Verwaltungsabteilungen ins Homeoffice geschickt“, sagt Dahmer. Pausenzeiten im Betrieb an der Straße Am Stadthafen wurden geändert, der Kontakt zwischen den Abteilungen auf ein Minimum reduziert, die Schichtzeiten verändert, „alles, damit sich die Leute bei der Arbeit nicht oder möglichst wenig begegnen. In einigen Produktionsbereichen sind wir deshalb auch in den Dreischicht-Betrieb gegangen. Das halten wir durch, auch trotz Kurzarbeit in einigen Bereichen“, so der Geschäftsführer.
Große Loyalität und großes Engagement der Mitarbeiter
Dahmer war „20 Jahre im industriellen Umfeld von großen Familienunternehmen tätig“, zuletzt als Geschäftsführer der Jet GmbH, einem Unternehmen der Velux-Gruppe, das auf Belüftungs- und Belichtungssysteme spezialisiert ist. Das Geschäftsmodell von Norres, sagt Dahmer, „ist ähnlich wie ich es kenne. Ich kenne die Branchen. Und letztlich sind die Marktmechanismen die gleichen.“ Das hat beim Start geholfen. Aus dem Sauerland hat es den begeisterten Harley-Fahrer nach Schalke-Nord verschlagen. „Der Menschenschlag“, stellt er fest, „kommt mir hier sehr entgegen. Außerdem spüre ich eine große Loyalität und großes Engagement der Mitarbeiter dem Unternehmen gegenüber.“
Burkhard Mollen hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen
Norres Schlauchtechnik ist vor etwa anderthalb Jahren an einen Finanzinvestor verkauft worden, Burkhard Mollen hält noch weiterhin Gesellschaftsanteile, aus dem operativen Geschäft hat er sich aber zurückgezogen. Im Norres-Beirat bringt er laut Dahmer „seine langjährige Expertise ein. Wir wären verrückt, wenn wir nicht darauf zurückgreifen würden.“
Niederlassungen weltweit
In Gelsenkirchen beschäftigt Norres Schlauchtechnik im Werk in Schalke-Nord rund 220 Mitarbeiter, rund drei Viertel davon in der Produktion. Weltweit arbeiten für die Gruppe circa 300 Mitarbeiter. Umsatzzahlen nennt das Unternehmen traditionell nicht.
Niederlassungen hat Norres in Polen, Frankreich, England, Tschechien, Italien und Schweden, Nordamerika, China und Taiwan.
Auch 2020 wird die Norres-Gruppe zum zweiten Mal in Folge (von der Wirtschaftswoche und der Universität St. Gallen) im Weltmarktführer-Index gelistet. Aufgeführt werden hier „international aktive und erfolgreiche Unternehmen mit meist führenden Technologien und herausragender Produktqualität“.
Norres fertigt Industrieschläuche und technische Schläuche, Kabelschutzsysteme und Produkte für die Belüftungstechnik. „Unser Vorteil ist, dass wir superbreit aufgestellt sind. Wir bedienen insgesamt 63 Branchen“, sagt Dahmer. Das Spektrum reicht von Schläuchen für den Maschinenbau über Abgastechnik bis zur Lebensmittelindustrie. Und einige dieser Branchen, stellt Dahmer fest, „laufen nach wie vor super, beispielsweise die Landwirtschaft und die Holz verarbeitende Industrie. Daraus saugen wir Honig.“
Zu Beginn der Coronakrise die Bestände drastisch hochgefahren
Lieferengpässe hat es in der Krise bei Norres nicht gegeben, die Lieferketten hielten, auch bei den Grundmaterialien. „Wir haben zu Beginn der Coronakrise zudem unsere Bestände drastisch hochgefahren. Das hat geholfen“, sagt Dahmer. „Auch konnten wir unser Lieferversprechen halten, unserer Kunden innerhalb von 24 bis 48 Stunden zu beliefern. Dazu unterhalten wir große Läger, in Gelsenkirchen, aber auch beispielsweise in England oder Frankreich.“
Allein 330 neue Produkte, davon zwei jüngst erst patentiert, listet die neue Verkaufs-Liste auf. Alle Entwicklungen weltweit kommen aus Gelsenkirchen, das sei für ein Unternehmen „dieser Größe schon ungewöhnlich“, findet Dahmer. In Produktion und Technik Made in Gelsenkirchen investiert Norres laut Dahmer „deutlich im sechsstelligen Bereich. Aktuell bringen wir eine neue Anlage an den Start, zwei weitere Maschinen sind bestellt.“
International wollen die Gelsenkirchener ihre Marktanteile ausbauen
Auch international wollen die Gelsenkirchener ihre Marktanteile ausbauen. Zuletzt hat Norres dabei stark auf Akquise gesetzt und im Zuge seiner Internationalisierungsstrategie im Februar 2020 zwei Firmen übernommen. In Schweden wurde der Schlauchhändler Jarl Elmgren AB gekauft, in Italien der Schlauchproduzent und Industrieschlauchhändler De Bernardi.. „In Schweden hatten wir schon langfristige Beziehungen zu JEAB“, und Nord-Italien“, so der 52-Jährige, ist für uns „superspannend, weil dort sehr viele Maschinenbauer sitzen.“ In Cusago einer kleinen Gemeinde im Großraum Mailand, produziert De Bernardi seit 1970. Sich vor Ort zu verankern, macht für Norres Sinn: „Schlauchgeschäft“, postuliert Dahmer, „ist auch ein stark regionales Geschäft. Da braucht es einen regionalen Footprint.“
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