Gelsenkirchen. Die Pandemie hat sie arbeitslos gemacht. Tina Einbrodt hat nicht aufgegeben und die Selbstständigkeit angemeldet. Wie das in der Krise gelingt.

Verzweiflung wäre das Naheliegendste gewesen. Aber Hunde-Expertin Tina Einbrodt hat sich lieber aufgerappelt, als sie mitten in der Pandemie gekündigt wurde - und sich selbstständig gemacht. Von der Angestellten im Marler Hundesalon zur Geschäftsgründerin mit eigenem Shop und Salon in Buer: von heute auf morgen, alles trotz Corona. „Den Kopf in den Sand zu stecken, ist nichts für mich“, sagt die vierfache Mutter. „Dabei hatte ich immer Angst vor der Selbstständigkeit.“

Der Wert der Online-Community

Dass es jetzt alles so gut und schnell ging bei Tina Einbrodt, zeigt, welch bedeutsame Starthilfe eine gepflegte Online-Community sein kann. Mit rund 1600 Hundehaltern aus dem Ruhrgebiet ist die 53-Jährige allein in ihrer Facebook-Gruppe für Kleinhundehalter aus der Region vernetzt - nun alles potenzielle Kunden. Und auch im analogen Leben setzt sie auf Vernetzung.

„Meine neue Vermieterin hier in Gelsenkirchen habe ich über den Kleinhundeverein in Haltern kennengelernt“, erzählt sie. Es ist mehr als ein Mietverhältnis, unter den Frauchen lebt der Zusammenhalt. „Sie hat mich auch toll beim Einrichten unterstützt und draußen einen Wartebereich für die Kunden eingerichtet, damit es hier in Corona-Zeiten nicht zu eng wird.“

Gassi-Service bis Second-Hand-Shop: „Alles in die Waagschale geworden“

In „Tinas kleiner Hundewelt“ geht es auch um die Wurst: Tibet-Spaniel Oscar empfiehlt das Futter ohne Schlachtabfälle und chemischen Zusätzen.
In „Tinas kleiner Hundewelt“ geht es auch um die Wurst: Tibet-Spaniel Oscar empfiehlt das Futter ohne Schlachtabfälle und chemischen Zusätzen. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Schließlich passiert einiges auf den 50 Quadratmetern, die „Tinas kleine Hundewelt“ groß ist. Sie pflegt, wäscht und berät nicht nur - auch verkauft sie hier Futter „ohne Schlachtabfälle und Chemie“ sowie Second-Hand-Ausstattung für den Hund. Raus geht es ebenfalls, die Neu-Selbstständige bietet einen Gassi-Service und kann als mobile Hundefriseurin gebucht werden. „Ich habe alles, was ich kann, in die Waagschale geworfen“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau.

Zugute kommen ihr auch die ehrenamtliche Arbeit mit Therapiehunden und die Schulungen für Hundepsychologie. Deswegen heißt Tina Einbrodt nicht nur Hunde aller Größen und Rassen, sondern auch ängstliche und traumatisierte Tiere in ihrer Hundewanne willkommen. Einen ihrer eigenen sechs treuen Begleiter, den Tibet-Spaniel Oscar, habe sie auch im schlechten Zustand „von der Straße aufgegabelt“. „Hunde spüren die Energie. Wenn man selbst ruhig ist, ist es auch der Hund“, sagt sie.

Hundefriseurin hat viele Krisen gemeistert

Dass Tina Einbrodt heute so für Ausgeglichenheit wirbt, hat wohl auch damit zu tun, dass sie im Leben oft einen kühlen Kopf bewahren musste. Allein ihre vier inzwischen erwachsenen und ebenfalls hundeverliebten Söhne (18-25) habe sie überwiegend alleine großgezogen, sagt sie. „Nervenzusammenbrüche bringen einen nicht weiter.“

So läuft der Besuch beim Hundefriseur ab

Am wichtigsten sei beim Termin im Hundesalon die Beratung, sagt Tina Einbrodt. „Nicht jedes Fell darf gezupft, nicht jedes geschoren werden“, weiß sie. Letzteres gelte besonders für Hunde mit Unterwolle. Ist einmal klar, was der Hund braucht, geht es in die Wanne, den Feinschnitt und die Pflege.

Skurrile Wünsche muss Tina Einbrodt dabei selten erfüllen. „Einmal nur habe ich einen Irokesen geschnitten.“ Noch mehr als das Aussehen stehe beim Salonbesuch ohnehin die Gesundheit des Hundes im Mittelpunkt. „Man spart sich viele Tierarztbesuche, weil man Beulen oder eingewachsene Nägel viel früher erkennt.“

Aber irgendwann wird es für jeden zu viel. Für die Tierliebhaberin war es der Job in der Erstaufnahmestation für Flüchtlinge in Essen, wo sie vor einigen Jahren als Bürokraft gearbeitet hat. „Wir waren da personell extrem überlastet.“ Tina Einbrodt rutschte ins Burnout. Aber durch die anschließende Wiedereingliederung mit Umschulung zur Hundefriseurin fand sie zurück ins Arbeitsleben. Die Leidenschaft wurde zum Beruf.

Die Plattitüde von der Krise, aus der man gestärkt hervorgeht: Für Tina Einbrodt hat sie sich also schon öfter bewahrheitet. Wie jetzt wieder in der Corona-Krise. Die Kündigung sei zwar zunächst ein großer Schock gewesen. „Aber ich bin froh, dass alles so gekommen ist“, sagt sie. „Sonst hätte ich den Schritt in die Selbstständigkeit nie gewagt.“

Zu Tina Einbrodts „kleiner Hundewelt“: facebook.com/TinaskleineHundewelt/