Gelsenkirchen. Bilanz: Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen erklärt die meisten Kündigungen durch die RAG für unwirksam. Es gab 123 Urteile und elf Klagerücknahmen.
Zumindest als Etappensieger eines langen Rechtsstreits dürfen sich die meisten der etwa 160 ehemaligen Kumpel auf Prosper Haniel fühlen. Vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen waren fast alle der 123 Urteile eindeutig. Darin erklärten die Gerichte die Kündigungen zum Ende des letzten Jahres für unwirksam.
Der Tenor in den Begründungen hörte sich immer gleich an. Der Arbeitgeber hatte es versäumt, vor der Kündigung der Mitarbeiter eine Sozialauswahl zu treffen. So tauchte eine Reihe von gekündigten Bergleuten nicht auf der Liste über den Interessenausgleich auf. Auch warfen die Richterinnen und Richter dem Arbeitgeber vor, mit dem örtlichen Betriebsrat nicht die zuständige Arbeitnehmervertretung eingeschaltet zu haben. Zuständig sei nach Ansicht der Gerichte der Gesamtbetriebsrat gewesen.
Gelsenkirchener Richter: Arbeitgeber traf keine Sozialauswahl
Von 400 Bergleuten wollte sich die RAG ursprünglich trennen. Daniel Kuhlmann, Anwalt der Bergleute, sieht eine Systematik in der Taktik des Arbeitgebers, sich in erster Linie von jüngeren Jahrgängen zu trennen. Diese kämen nicht mehr in den Genuss der Anpassung, der ein Übergangsgeld bis zum Eintritt ins Rentenalter garantiere.
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So hatte eine Reihe von Bergleuten den Stichtag des Geburtsdatums 31. 12.1972 nur knapp überschritten und somit nicht von den Vorzügen des Anpassungsgeldes /APG) profitieren können. Es sei bitter für die Bergleute, meinte Kuhlmann, nicht von der Anpassung profitiert und zusätzlich noch eine Kündigung erhalten zu haben. Die RAG-Anwälte betonen, dass das Unternehmen nur umsetze, was der Gesetzgeber durch die Stichtagsregelung festgesetzt habe.
Zehn Vergleiche vor Gericht geschlossen
Die Fronten zwischen der RAG und den ehemaligen Bergleuten bleiben verhärtet. Der Arbeitgeber sieht keinen Zusammenhang zwischen den Kündigungen von jüngeren Jahrgängen und der fehlenden APG-Berechtigung. Ihnen sei gekündigt worden, weil der Bergbau still liege, erklärte die RAG-Anwältin.
Elf Kumpel hatten ihre Klagen zurückgenommen, einen neuen Job gefunden oder sich mit dem Arbeitgeber geeinigt. Auch mit den zehn Vergleichen, die vor Gericht geschlossen wurden, endete der Rechtsstreit zwischen Arbeitgeber und ehemaligen Bergleuten. In der Regel hatte die RAG über die Sozialplan-Abfindung nur 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr angeboten. Beim Vergleich dürften es für die ehemaligen Beschäftigten etwas mehr geworden sein. Auflösungsanträge, die die RAG außerdem für Ende 2019 gestellt hatte, schmetterte das Gericht ab.
Klage auf Weiterbeschäftigung hatte nur in wenigen Fällen Erfolg
Weniger Erfolg hatten Bergleute mit ihrer Klage auf Weiterbeschäftigung. Nur in einigen Fällen konnten sie ihre Forderung durchsetzen. Nach Auffassung der Gerichte sind die Arbeitsplätze nicht mehr vorhanden. So könne sich ein gelernter Schlosser auch nicht darauf berufen, dass er im Bergwerk noch als Elektriker weiterarbeiten könne, wenn der Beruf noch gefragt sei.
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Bei einem technischen Angestellten gab das Gericht dem Antrag auf Weiterbeschäftigung statt. In diesem Fall ist die Durchsetzung des Richterspruchs per Zwangsgeld möglich, sollte sich die RAG der Entscheidung widersetzen. Der Rechtsstreit geht weiter in die nächste Runde vor dem Landesarbeitsgericht.
Sollte auch in zweiter Instanz die Unwirksamkeit der Kündigungen bestätigt werden, könnten die Bergleute zumindest in einer Zahlungsklage den entgangenen Lohn einfordern. Der Arbeitsplatz aber bliebe dennoch verloren.
>>>Info: Details zum Anpassungsgeld
>Das Anpassungsgeld ist bis zum Jahr 2022 aufgelegt. Es wird bis zu 5 Jahre lang gezahlt, bis die Bezieher die bergmännische Rente beanspruchen können. Bergleute, die davon profitieren, müssen vor 2006 im Bergbau beschäftigt gewesen sein.
>Unter Tage müssen sie mindestens 50, Über Tage 57 Jahre alt sein. Voraussetzung für den Bezug ist die erfolgte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Der Löwenanteil für die Finanzierung fließt von Bund und Land. Den Rest zahlt die RAG-Stiftung.