Gelsenkirchen. Die Entsorgung von Petrolkoks auf der Zentraldeponie Emscherbruch in Gelsenkirchen soll aufgeklärt werden. Das fordern SPD und CDU.
Die geplante Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch in Gelsenkirchen ist ein Streitthema. Als jetzt die Nachricht herauskam, dass dort offenbar falsch als „Petrolkoks“ deklarierte Raffinerie-Rückstände des Mineralöl- und Erdgas-Riesen Shell vermischt mit anderen Abfällen entsorgt wurden, hat das für neuen Diskussionsstoff gesorgt. Das war bis dato nicht bekannt. Politiker von SPD und CDU in Gelsenkirchen fordern Aufklärung.
Der CDU-Kreisvorsitzende Sascha Kurth: „Bei Ungereimtheiten wie diesen ist es klar, dass auch Besorgnisse in der Bevölkerung hervorgerufen werden. Als erstes muss daher jetzt die Faktenlage objektiv geklärt werden, nur auf dieser Basis ist alles weitere möglich. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig es wäre, die Menschen mit transparenter und proaktiver Kommunikation in die Sachverhalte einzubinden.“
CDU sieht Ungereimtheit: Behörde weiß mehr als Deponie-Betreiber selbst
Die angesprochenen Ungereimtheiten rühren daher, dass unklar ist, über welchen Zeitraum wie viele Tonnen von diesem mit den gesundheitsgefährlichen Stoffen, Vanadium, Nickel und Schwefel hochbelasteten Material aus der Shell-Rheinland-Raffinerie bei Köln in die Lagerstätte in Resse eingebracht wurden. Kurths Parteikollege und umweltpolitische Sprecher Markus Karl schloss sich der Forderung nach Aufklärung an: „Bei schadstoffbelastetem Abfall ist grundsätzlich Misstrauen angebracht, insbesondere wenn eine Behörde mehr weiß als der Betreiber selbst, was und wie viel Material dort deponiert wird.“
Deponie-Betreiberin AGR: Kein Petrolkoks als Abfall angenommen und deponiert
Gemeint ist damit zu einen das Umweltministerium NRW, aus dessen dieser Zeitung zur Verfügung gestellten Unterlagen hervorgeht, dass solch gefährlicher Abfall zur Zentraldeponie Emscherbruch geliefert und dort eingebracht wurde. Und zu anderen die Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet (AGR) als Deponie-Betreiberin, eine Tochter des Regionalverbandes Ruhrgebiet. Die AGR hatte behauptet, das am Standort „kein Petrolkoks als Abfall angenommen und deponiert wurde.“
Union hält an Deponie-Erweiterung mit Schließungsperspektive fest
Die Gelsenkirchener Union hält trotzdem an der Deponie-Erweiterung fest. Laut Karl will sie die Fortführung des Betriebes „mit einer klaren Perspektive für eine Schließung“. In der Zwischenzeit soll ein anderer Standort für die Lagerung von Abfällen gesucht werden, weil Gelsenkirchen „nicht dauerhaft die Deponie für ganz NRW sein soll.“
Klarheit bei der nächsten Sitzung des Umweltausschusses
Die SPD um den Vorsitzenden des Umweltausschusses Manfred Leichtweiß sieht sich durch die neue Sachlage bestärkt in ihrer Position, die Erweiterung wie im Rat beschlossen abzulehnen. „Die Abläufe sind für uns nicht durchschaubar. Wie will man denn durch Messungen eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung ausschließen, wenn man als Betreiber gar nicht weiß, was man da als Industriemüll auf der Halde deponiert“, fragte Leichtweiß. Aufklärung sei geboten, unter anderem dazu bei der nächsten Sitzung des Umweltausschusses am 28. Januar. Dort soll es einen Sachstandsbericht geben.
Vanadium und Nickel gelten in hohen Dosen als krebserregend
Bei Petrolkoks – auch Ölpellets genannt – handelt es sich um Rückstände, die bei der Schwerölvergasung in der Raffinerie entstehen. Sie enthalten vor allem Nickel und Vanadium, Stoffe, die in hohen Dosen als krebserregend gelten.
Nach Ministeriumsangaben ist der Stoff an mehrere Kraftwerke geliefert worden, darunter Gelsenkirchen, Herne und Lünen. 20 Standorte sind betroffen.
Vorwurf der Bürgerinitiative: Gewinnmaximierung im Fokus, Aufsichtspflicht verletzt
Die Bürgerinitiative (BI) „Uns stinkt’s“ sieht in der unterbrochenen Informationskette von Abfallerzeuger bis Abnehmer ein weiteres Argument zur Stilllegung der Deponie. BI-Sprecher Heinz-Peter Jäkel: „Der AGR, geht es nicht um die Entsorgungssicherheit im regionalen Umfeld des Standortes, sondern um Gewinnmaximierung.“ Bei der Aufsichtsbehörde in Münster scheine man nichts dagegen zu haben, dass dieser hochgefährliche Müll quer durch NRW transportiert und dort abgelagert werde, wo die Umwelt ohnehin zerstört sei und die Anwohner die höchsten Krebsraten in NRW aufwiesen. „Die Bezirksregierung in Köln wollte dass für ihren Verantwortungsbereich nicht“, so Jäkel, „und Münster kommt seiner Aufsichtspflicht wie so oft nicht nach.“
Eine Anfrage dieser Zeitung zu Mengen, Zeiträumen und zum Kenntnisstand von Betreiber und Aufsichtsbehörden blieb am Mittwoch unbeantwortet.