Gelsenkirchen. Millionen Liter Abwasser aus Gelsenkirchen landen in Kläranlagen. Und mit ihnen Medikamente, Binden oder Feuchttücher. Die werden zum Problem.
. Da rauscht ordentlich was durch die Leitungen und Kanäle: Am Dienstag, 19. November, ist (seit 2001) Welttoilettentag. Anlass, genug, für Emschergenossenschaft und Lippeverband zu bilanzieren, wie viel Abwasser im Vorjahr in ihren Kläranlagen aufgefangen, gereinigt und weitergeleitet worden ist – und was dabei Probleme macht.
Kläranlage wurde für fünf Millionen Euro modernisiert
In der Kläranlage Picksmühlenbach des Lippeverbandes wurden 6.236.076 Kubikmeter Abwasser gereinigt (im Vorjahr: 6.255.145). Von Medikamenten-Rückständen befreit die Spezial-Kläranlage der Emschergenossenschaft auf dem Gelände des Marienhospitals in Ückendorf das Abwasser aus der Klinik: 2018 wurden demnach 19.342 Kubikmeter Abwasser auf hohem technischem Niveau gereinigt (im Jahr zuvor 27.437). Die große Differenz erklärt Ilias Abawi, Pressesprecher der Emschergenossenschaft, mit einem Stillstand an der Anlage. „Dort haben wir ab März 2018 einige Module ausgetauscht.“
Rund fünf Millionen Euro hat der Lippeverband 2013 und 2014 in die Modernisierung der Mitte der 1950er Jahre gebauten Kläranlage Gelsenkirchen-Picksmühlenbach investiert. Der Schwerpunkt lag auf der Erneuerung des Belüftungssystems für die biologische Stufe. Die Reinigung erfolgt mit Hilfe von Abwasserbakterien, die für die Reinigung des Abwassers Sauerstoff benötigen, der mit Belüftern in die so genannten Belebungsbecken geblasen wird. Der Lippeverband hat damals allein rund 500.000 Euro für 256 neue Belüfterplatten ausgegeben. Die Investition soll sich durch Energieersparnisse innerhalb weniger Jahre rechen. Die neue Belüftung läuft nur dann, wenn auch wirklich Luft gebraucht wird – das alte System dagegen musste aus technischen Gründen permanent in Betrieb bleiben.
Spurenstoffe schädigen die Fauna
Medikamente, so die Emschergenossenschaft, gehörten in den regulären Hausmüll – denn dieser wird verbrannt, die Kläranlagen bleiben verschont. „Die sogenannten Spurenstoffe können auch in modernen Kläranlagen nicht restlos herausgefiltert werden, nicht einmal in der Spezial-Kläranlage am Marienhospital, sie belasten daher die Gewässer und schädigen die Fauna in den Bächen und Flüssen“, so Unternehmenssprecher Ilias Abawi.
In Essen hat der Verband gemeinsam mit der Stadt die Aufklärungskampagne „Essen macht’s klar“ angeschoben. Sie gilt als Modellprojekt. Denkbar sei, dass sie später auch auf andere Städte, wie etwa Gelsenkirchen, übertragen wird.
Lediglich 470 Hektar des Gelsenkirchener Stadtgebiets – etwa fünf Prozent der Gesamtfläche mit den Stadtteilen Hassel sowie Teilen von Buer und Scholven - gehören zum Flusseinzugsgebiet der Lippe und damit auch zum Lippeverband. Für die Entwässerung der Stadt ist die Emscher entscheidender. Über den kanalisierten Fluss und den Abwasser-Kanal Emscher fließen die Abwässer Richtung Bottrop und Dinslaken und damit in die dortigen (neuen) Klärwerke. Der Umbau der Anlage nah der Emschermündung wurde bei laufendem Betrieb durchgeführt. Unter anderem entstand eine komplett neue Vorklärstufe mit Einlaufbauwerk, Rechenanlage, Sandfang sowie Vorklärbecken. Im Bereich der biologischen Reinigung wurden insgesamt 24.192 (!) Belüfterelemente ausgetauscht.
138 Kilometer an Gewässerlandschaften renaturiert
Die Emschergenossenschaft investierte in den Umbau in Dinslaken allein 145 Millionen Euro, prognostiziert 5,38 Milliarden werden insgesamt ausgegeben. In den vergangenen 30 Jahren wurden im Zuge des Emscher-Umbaus knapp 362 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen gebaut und 138 Kilometer an Gewässerlandschaften renaturiert. In Gelsenkirchen ist allein der neue Abwasserkanal Emscher 15,2 Kilometer lang. Das 2018 eingeweihte Pumpwerk Gelsenkirchen wird die Abwasserströme auf die Kläranlagen Bottrop und Dinslaken-Emschermündung verteilen. Elf Pumpen befördern in Gelsenkirchen rund 12.800 Liter pro Sekunde knapp 26 Meter hoch.
Feuchttücher setzen Pumpen zu
Die öffentlich-rechtlichen Wasserwirtschaftsunternehmen nutzen den Toilettentag auch alle Jahre wieder zur Aufklärung – indem, sie dafür sensibilisieren, was alles nicht über die Toilette in den Kanal gespült werden und im Restmüll oder speziellen Abgabestellen landen sollte: Dazu gehören neben Hygieneartikeln unter anderem auch Altmedikamente. Aber auch Ohrstäbchen, Tampons und Damen-Binden, vor allem aber Feuchtreinigungstücher werden zum Problem, wenn sie im Klo landen. Besonders die Tücher klumpen, setzen Pumpen zu und erhöhen Ausfallrisiken und Wartungskosten.