Gelsenkirchen. Für den Mobilitätsmix der Zukunft will Gelsenkirchen den innerstädtischen Radverkehr optimieren. Ein Programmplan zeigt zahlreiche Maßnahmen auf.

Die Einsicht der Stadtspitze ist nicht neu und naheliegend: „Wenn wir eine umwelt- und klimaverträgliche Mobilität wollen, kommt man am Radverkehr nicht vorbei“. Er sei Teil des Mobilitätsmixes, den die Stadt für die Zukunft anstrebt. Oberbürgermeister Frank Baranowski formuliert daraus den Anspruch: „Wir wollen, dass Radfahren in Gelsenkirchen attraktiver wird. Wir wollen, dass die Menschen in Gelsenkirchen häufiger das Rad nutzen. Und wir wissen, dass wir dafür einiges tun müssen, aber wir fangen auch nicht bei Null an.“

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Damit der Radverkehr lokal mehr Fahrt aufnehmen kann, wurden auch im Rathaus personelle Voraussetzungen geschaffen. Mit Peter Föcking vom Referat Stadtplanung und dem Radverkehrsbeauftragten Stefan Behrens, beide selbst passionierte Radler, kümmern sich zwei Experten um das Thema, das in die „Programmplanung Radverkehr 2019/2020“ mündet und ein ganzes Maßnahmenbündel vorsieht. Ziel ist laut Föcking „eine zeitnahe und erkennbare Verbesserung der Situation für den Radverkehr“. Zusammen mit dem Öffentlichen Personennahverkehr, so Baranowski, biete sich so der „nachhaltigste Ansatz für die Verbesserung der Luftqualität“.

Infos für Rad und Tat

Zur Optimierung der Radwege wollen die Verkehrsplaner auch die Kommunikation und Information verbessern. Beispielsweise über die GEmeldet-App und die städtische Homepage. Dort kann man nun auch Probleme an Radwegen melden, vom Schlagloch bis zur schlechten Ausschilderung.

„Gut unterwegs: Wege für Radfahrende in Gelsenkirchen“ lautet der Titel eines Flyers, den die Stadt zudem aufgelegt hat. Die wichtigsten Fahrwege und Regelungen sowie Ausnahmen für Radler werden kompakt vorgestellt. Das reicht von Verkehrsschildern bis zu Geboten für Rad- und Gehwege.

Kontakte und Informationen: www.gelsenkirchen.de/radfahren

1,4 Millionen Euro für 2020 im Gelsenkirchener Haushalt

2019 standen für die Optimierung des Radwegenetzes (originär ohne Straßenbaumaßnahmen) in Gelsenkirchen eine Million Euro zur Verfügung. Im Haushaltsentwurf für 2020 sind es 1,4 Millionen, 2021 soll der Etatposten auf 1,6 Millionen Euro steigen. Nicht wenig Geld, aber auch keine Summen, mit denen man die Situation schlagartig optimieren kann. Entsprechend muss und wird das in kleineren Schritten angegangen, sollen auch Hürden abgebaut werden, die den Radverkehr bislang ausbremsen.

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Das fängt bei mehr Bürgersteigabsenkungen an, Überfahrten und der zeitnahen Beseitigung von Straßen- und Beschilderungsmängeln an der zentralen Nord-Süd-Verbindung, zu der zwei weniger verkehrsbelastete vorhandene Varianten ausgeschildert werden. Es geht weiter mit dem Aufbau von Service- und Mobilitätsstationen oder, ganz praxisnah, mit einem „Bügelprogramm“ für den öffentlichen Raum. Dazu zählen mehr und sichtbarere Abstellplätze, aber auch sichere Möglichkeiten, das Rad künftig nah der eigenen Haustür abzustellen. „Wer einen Metallständer zum Anschließen haben möchte, kann mit uns Kontakt aufnehmen“, kündigt Behrens an. Unbürokratisch sollen dann Lösungen gefunden werden.

Servicestationen an Gelsenkirchener Tankstellen geplant

Eine weitere – bislang bundesweit wohl einmalige – Idee: Luft nachfüllen oder kleine Schraubarbeiten sollen künftig an Self-Service-Stationen möglich sein. Föcking: „Gespräche dazu mit allen 44 Tankstellen in Gelsenkirchen sind angelaufen.“

Fahrplan für das nächste Jahr wird fortgeschrieben

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Das vorgestellte Programm ist „eine Art Fahrplan für das kommende Jahr“und dabei nicht als zeitlich begrenztes „Aktionsprogramm“ zu verstehen, sondern als eine Arbeitsgrundlage, die kontinuierlich fortgeschrieben und anhand der Erfahrungen und Bedarfe aktualisiert wird, betonen die Radplaner, die dabei eng mit den Stadt- und Verkehrsplanern kooperieren oder durch das Katasteramt aktuell das vorhandene Radwegenetz mit allen Ausbauvarianten (Radwege, Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Fahrradstraßen) erstmal detailliert erfassen lassen. Die politischen Gremien haben auch mitzureden. Die Programmplanung durchläuft zunächst die Bezirksvertretungen und Fachausschüsse.

ADFC: Gelsenkirchen ist weit weg von Mobilitätswende

Dem Rad kommt in Zukunft eine besondere Bedeutung zu, um Mobilität nachhaltiger zu machen. Gleichzeitig ist Radfahren gefährlich, wie der tragische Unfall in Buer gezeigt hat. Mit Maja Tölke vom ADFC Gelsenkirchen haben wir über Zukunftskonzepte und Sicherheit gesprochen.

Wie beurteilt der ADFC das Maßnahmenbündel zur Verbesserung des Radverkehrs?

Maja Tölke: Mehr Platz fürs Rad (#mehrplatzfürsrad) ist die bundesweite Kampagne des ADFC, an der wir uns als ADFC GE beteiligen. Diese wird mit dem Programm BikePorts der Stadtverwaltung aufgegriffen: Einen Autoparkplatz durch fünf Fahrradabstellplätze ersetzen. Auch die Aktion Fahrradbügel begrüßen wir, weil überall gute Fahrradabstellanlagen fehlen. Im privaten Wohnquartier, beim Einkaufen, am Hauptbahnhof sind selbst jetzt Ende Oktober alle Fahrradbügel belegt. Aber: Geld prioritär in eine Informationsoffensive zu stecken statt gute Infrastruktur zu schaffen, bringt die Menschen nicht aufs Fahrrad. Damit mehr Menschen auf das Rad umsteigen, ist es notwendig, Radfahrstreifen aufzubringen und auf großen Straßen vom Autoverkehr getrennte Radwege zu bauen. Beim Neubau von Straßen ist diese Bauweise zu berücksichtigen. Die Vorlage der Verwaltung sagt ehrlich: Es wird keinen Vorrang für den Radverkehr geben. Wir erwarten mehr in Zukunft. Für einen attraktiven Radverkehr ist ein Radverkehrsbudget von mindestens 30 Euro pro Einwohner und Jahr notwendig.

Es gab einen tödlichen Unfall in Buer. Wie kann man sich dagegen schützen, geht das überhaupt?

Die häufigste Ursache von tödlichen Verkehrsunfällen sind abbiegende Pkw und Lkw. Der Unfall ist daher ein „Klassiker“. Wir sind für den verpflichtenden Einbau von Lkw-Abbiegeassistenten. Durch eine geänderte Ampelschaltung oder den Umbau von Kreuzungen lassen sich Kreuzungen entschärfen. Kreuzungen in Deutschland sind selten radfahrfreundlich und unfallvermeidend gebaut. Hier fehlt Expertise beim Planen und Bauen und es gibt noch immer zu wenig Bewegung in der Forschung. https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/aktion-der-polizei-fahrrad-und-pedelecs-in-gelsenkirchen-id225922299.html

Welche Forderungen oder Vorschläge hat der ADFC, um die Sicherheit der Radler zu verbessern?

Wir wünschen uns für Gelsenkirchen, dass Fahrradstraßen eingeführt werden. Dass Einbahnstraßen in entgegengesetzter Fahrtrichtung für Radverkehr geöffnet werden, den grünen Abbiegepfeil für Radler, ein Radwegenetz zu Schulen und Kindergärten und zwischen den Schulen. Insgesamt wünschen wir uns ein zusammenhängendes Konzept zur Verbesserung der Radinfrastruktur. Also einen Fokus auf die Alltagsmobilität, nicht so sehr auf die Freizeitmobilität (z.B. auf den Trassen). Bislang gibt es hier und da Änderungen und Verbesserungen. Aber das Aufbringen eines Schutzstreifens ist keine Verbesserung! Von einer Mobilitätswende sind wir in Gelsenkirchen noch immer weit entfernt. kim