Gelsenkirchen. Die Gastro-Krise in Gelsenkirchen beschäftigt die Politik. Nach dem Aus mehrerer Lokale sollen neue Konzepte her. Wie die Vorschläge aussehen.

Nach dem jüngsten Niedergang von Kneipen, Bars und Restaurants in Gelsenkirchen wird in der Politik der Ruf lauter, dass die Stadt dem Kneipen-Sterben entschieden entgegentreten soll. Die Bündnisgrünen sehen „dringenden Handlungsbedarf“ und schlagen vor, dass die Verwaltung kurzfristig Gastronomen kontaktiert und Probleme sowie Hilfewünsche erfragt. Auslöser der jüngsten Debatte ist das das Aus des ehemals an der Ringstraße so erfolgreich gestarteten Lokals „Bang Bang Burgers & Beer“ an seinem neuen Standort Heinrich-König-Platz sowie des alteingesessenen „El Sombrero“ an der alten innerstädtischen Kneipenmeile Arminstraße.

Franziska Schwinge, Sprecherin der Grünen Jugend Gelsenkirchen, forderte zudem, dass schnell „abteilungs- und dezernatsübergreifend und mit Partnern wie dem Jobcenter oder der Sparkasse eine unbürokratische Unterstützung entwickelt und umgesetzt wird. Es wäre schade, wenn Lokalitäten wie die Trinkhalle, das Wohnzimmer oder auch die Marina, von denen positive Impulse ausgehen, von einer Abwärtsspirale in den Stadtzentren mitgezogen werden.“

Franziska Schwinge (Grüne Jugend).
Franziska Schwinge (Grüne Jugend). © Foto:Bündnisgrüne

Hausgemachte Fehler durch Auslagerung

CDU und FDP sind zumindest bei der Suche nach Einflussfaktoren, die das Kneipensterben vor Ort mit befördert haben, auf die gleichen Ursachen gestoßen. Sowohl der Kreisvorsitzende der Union, Sascha Kurth, als auch die liberale Kreisvorsitzende Susanne Cichos und Gastronom Christoph Klug sehen in „der „Auslagerung der Gastronomie an die Peripherie, siehe „Arena Park“, und die Ansiedlung von Seniorenwohnungen in den Innenstädten“ hausgemachte Fehler. https://www.wp.de/staedte/gelsenkirchen/kneipen-foerdern-jetzt-erst-recht-id227401143.html

Party zum Abschied des „Flash Pubs“

Zum 31. Dezember kündigte Gastronom Thomas Nikutta das Ende des „Flash Pubs“ an der Von-Oven-Straße an. Der Pachtvertrag läuft aus, von der Verlängerungsmöglichkeit wollten Thomas Nikutta und seine Ex-Frau – zuletzt Geschäftsführerin im Pub – keinen Gebrauch machen. Der Grund: „Es lohnt nicht mehr.“

Zum Abschied lädt Nikutta am 26. Oktober noch einmal zur Teenie-Disco in den „Flash Pub“ ein, den er als Reminiszenz an die Flash-Disco 2012 eröffnet hatte.

Sascha Kurth (CDU)
Sascha Kurth (CDU) © FFS | Foto: Martin Möller

Susanne Cichos (FDP).
Susanne Cichos (FDP). © Ralf Robert Hundt

Diese Entwicklung ziehe Gäste aus den Innenstädten oder schrecke Besucher ab. Während in der Innenstadt um Mitternacht draußen Schluss sei, könnten Kunden in den Außenbezirken bis drei Uhr im Freien sitzen. Auch die Interessenslagen stünden im Widerspruch. Kneipengänger genössen die Ungezwungenheit, Anwohner hingegen, insbesondere ältere Bürger, wollten ihre Ruhe.

Negativen Einfluss auf die Gastro-Szene hätten zudem auch das Rauchverbot sowie bürokratische EU-Auflagen (HACCP genannt) gehabt. Dahinter verbergen sich Auflagen, die mit den Gefahren bei der Verarbeitung von Lebensmittel zu tun haben.

In den Ansatzpunkten, wie die gegenwärtige Gastro-Misere aufgehalten und ins Gegenteil verkehrt werden könnte, unterscheiden sich Christdemokraten und Liberale. Mit Blick auf die gefühlt „ewig“ leerstehenden Lokale Café Meißner und König-City dachte Kurth laut darüber nach, ob es nicht an der Zeit sei, die Investitionsbereitschaft der Eigentümer beispielsweise dadurch zu wecken, in dem auch die Stadt finanzielle Unterstützung bereitstellt.

Cichos und Klug regten an, „Genehmigungen für Straßencafés zu vereinfachen“ und die Gebühren hierfür „deutlich zu senken“. Im Blick haben sie beispielsweise sehr eng gefasste Vorgaben zum Design von Möbeln wie Schirmen, Tischen und Stühlen. Den FDP-Politikern nach kann es auch nicht sein, „dass in einem angesagten und über Jahre gewachsenen Ausgehviertel wie Essen-Rüttenscheid weniger Gebühren erhoben werden als in unseren Zentren.“ Gemeint sind Sondernutzungsgebühren für Straßencafés. Am Rüttenscheider Stern werden 3,20 Euro auf den Quadratmeter erhoben, in Gelsenkirchens Zentren vier Euro. „Ein Schiefstand und Standortnachteil.“

Gastronom und FDP-Politiker Christoph Klug.
Gastronom und FDP-Politiker Christoph Klug. © FFS | Foto:

Trialog zwischen Zielgruppe, Gastronomie und Stadt

„Den schwarzen Peter allein bei der Stadt zu suchen, damit macht man es sich zu einfach“, sagt hingegen Lukas Günther von der SPD. Der Jugendbildungsreferent ist der Überzeugung, dass City-Gäste und Arena-Parkbesucher von der Struktur her ein ganz anderes Publikum sind. Auch glaubt Günther, dass die Ursachen für das Kneipensterben komplexer sind. Videospiele als fester Bestandteil der Freizeitkultur haben für ihn die Kneipe als „place to be“ an den Rand gedrängt. Ebenso das Rauchverbot.

Lukas Günther (SPD)
Lukas Günther (SPD) © Foto:

Mit Blick auf funktionierende Läden wie das „Firebowl“ (Bowling-Erlebniswelt) in Scholven oder die Szenegröße „Rosi“ (Altstadt) mit Livebands, Karaoke und DJ-Abenden“ hält Günther einen „Trialog zwischen Zielgruppe, Gastronomie und Stadt“ für zielführender, um die Gastro-Szene hier neu zu beleben.

„Die Stadt hat viel getan, um den Heinrich-König-Platz zu entwickeln, jetzt muss man auch die Eigentümer in die Pflicht nehmen“. Das fordert Günther, das Wie bleibt aber offen. Als weiteres Beispiel für städtisches Engagement nennt der Jung-Politiker das alte Dom-Café, das nach jahrelangem Leerstand einem Neubau mit Zugkraft gewichen sei. Eine Idee des SPD-Mannes: „Das städtische Format ‘Wir müssen reden’ … könnte zum Beispiel dazu dienen, miteinander darüber zu diskutieren und Ideen zu entwickeln, wo und an welchen Stellen wir uns künftig gesellschaftlich treffen wollen.“