Gelsenkirchen/Herne. Bis zum 6. November läuft die Frist für die Eingabe von Widersprüchen zur geplanten Erweiterung der umstrittenen Zentraldeponie Emscherbruch.
Im Streit um die geplante Erweiterung der Zentraldeponie Emscherbruch an der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Herne haben nach Angaben der Bezirksregierung Münster bislang etwa 1200 Bürger ihren Widerspruch gegen das Vorhaben schriftlich eingereicht. Betroffen sind rund 4000 Bürger beider Städte. Der Großteil von ihnen hat seinen Protest über die Unterschriftenliste der Bürgerinitiative „Uns stinkt’s“ zum Ausdruck gebracht. Ob es zu einem weiteren Erörterungstermin kommt, wird erst mit „Ablauf der Einreichungsfrist am 6. November und nach einer inhaltlichen Auswertung der Widersprüche feststehen“, sagten der Sprecher der Bezirksregierung Ulrich Tückmantel und der verantwortliche technische Sachbearbeiter Norbert Volkeri.
Allein qualitativ neue Einwände machten einen zweiten Erörterungstermin erforderlich. Wiederholt Vorgetragenes nicht, wie die Behörde ausdrücklich betont. Ein zusätzlicher Erörterungstermin könnte ihr zu Folge im Zeitraum Mitte Dezember bis Mitte Januar stattfinden, „mit Rücksicht auf Ferien oder andere Hindernisse.“ Danach geht die Bezirksregierung in die Bewertungsphase. „In der Nähe einer Entscheidung kommt die Bezirksregierung frühestens Mitte 2020“, so Tückmantel und Volkeri.
Die Deponie wird betrieben von der Abfallentsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet (AGR), die AGR ist eine 100-prozentige Beteiligung des Regionalverbandes Ruhr (RVR).
Münsteraner Behörde sieht Klage gelassen entgegen
Einer Klage von Seiten der Protestler zur Verhinderung der Deponieerweiterung, mit der auch die Abholzung von 3,9 Hektar Wald einhergehen würde , sieht die Bezirksregierung augenscheinlich gelassen entgegen. „Eine Klage würde nur die Entscheidung verschieben, nicht aber die Umsetzung.“ „Das steht aber nicht im Mittelpunkt unserer Arbeit. Für uns ist eine Entscheidung wichtig, die am Ende auch gerichtsfest ist. Wir haben da eine gute Quote.“
Auftrag an den RVR: Entwicklungskonzept für 53 Städte
Vor zehn Jahren hatte die nordrhein-westfälische Landesregierung dem Regionalverband Ruhr die Zuständigkeit für die Ausweisung von Flächen für Natur, Gewerbe und Wohnen übertragen.
Zuvor waren dafür die drei Bezirksregierungen Düsseldorf, Arnsberg und Münster mit zuständig. Nun sollte ein sogenannter Regionalplan Ruhr erstmals ein einheitliches Entwicklungskonzept für die Region mit ihren 53 Städten liefern.
Die AGR gehört also den Städten des Ruhrgebietes und übernimmt für diese Aufgaben auch der Abfallwirtschaft. Dazu gehört die Entsorgung von Bauschutt, Schlacken und Böden, die zur Deponieklasse 1 gehören und als eher gering belastet gelten. Die Deponie Emscherbruch soll durch die Erweiterung allerdings (DK 3) werden.
Die AGR will auch in Dorsten und in Marl Deponien schaffen. Und zwar auf alten Bergbauhalden.
Tückmantel und Volkeri hoben im Gespräch sowohl die Rechte der Bürger und den Schutzauftrag der Behörde als auch die Rechte der Antragstellerin, der AGR, hervor. „Wenn wir am Ende von keiner Seite Applaus bekommen, dann haben wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unseren Auftrag gesetzeskonform erledigt.“ Die Rechte beider Parteien dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Und zum Prozedere im Allgemeinen: Generell seien solche Anträge genehmigungsfähig, einfach durchgewunken würden sie nie. „In der Regel gibt es eine Entscheidung mit Auflagen.“
Politisch-wirtschaftliche Dimensionen
Der Streit um die Deponie hat auch eine politisch-wirtschaftliche Dimension. Mitte September gab der RVR überraschend bekannt, dass der Regionalplan nicht im Sommer 2020, sondern erst Jahre später fertiggestellt werden könne. Im noch unausgereiften Konzept werden „weitere Deponiestandorte nur in Erwägung gezogen, sind demnach also noch weit weg von einer echten Planung“, wie Tückmantel und Volkeri erklären.
Das liefert der AGR als Deponiebetreiberin ihr Kernargument, sie hat bislang mit der „Entsorgungssicherheit mangels schwindender Deponiekapazitäten“ für ihr Anliegen geworben. Der AGR zufolge reichten die Kapazitäten in NRW nur noch für sieben Jahre aus. Die Protestler hingegen stützen sich wie berichtet auf Aussagen des NRW-Umweltministeriums und des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz, wonach das „vorhandene Restvolumen bis zum Jahr 2033 ausreichend ist.“
Aus für Regionalplan stoppt Millioneninvestitionen
Das Ausmaß des Scheiterns des Regionalplans geht aber noch darüber hinaus. Millionenschwere Investitionen, die die wirtschaftlich schwächste Region in NRW dringend braucht, werden dadurch blockiert. Und könnten die Ansiedlung weitere Betriebe verhindern, wenn diese ihre Hinterlassenschaften nicht wie bisher loswerden können (siehe Box). Ein Problem, das den Kommunal- und Landespolitikern schmerzhaft auf die Füße zu fallen droht. Obwohl Gelsenkirchen und Herne sich in den letzten Ratsbeschlüssen eindeutig gegen die Erweiterung der Deponie positioniert haben. Aber: Die nächsten Wahlen haben die Volksvertreter längst sicher im Blick.