Gelsenkirchen. Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle trafen sich Donnerstag 200 Menschen zu einer Mahnwache. Polizei verschärft Sicherheitsvorkehrungen.
„Wir sind völlig erschüttert, dass jüdisches Leben in Deutschland offenbar nur noch unter Sicherheitsvorkehrungen stattfinden kann.“ Judith Neuwald-Tasbach, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Gelsenkirchen, äußerte sich am Tag nach dem Anschlag von Halle sichtlich schockiert. „Es ist schlimm, dass sich Menschen verbarrikadieren und um ihr Leben fürchten mussten.“
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Der Anschlag auf die Synagoge von Halle, bei der am Mittwoch zwei Menschen getötet wurden, sei nicht nur ein Anschlag auf Juden gewesen. „Das trifft alle Menschen“, sagt Neuwald-Tasbach, die den Täter einen „Menschenhasser“ nennt. Sie sei traurig, dass es zwei Todesopfer gegeben hat, andererseits erleichtert, dass es dem Täter nicht gelungen ist, sich Zutritt zur Synagoge zu verschaffen.
Wie die Gelsenkirchener Polizei gegenüber der WAZ bestätigte, gab es direkt am Mittwoch eine Anordnung des Innenministeriums, die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen zu verschärfen. Details nannte Polizeisprecher Thomas Nowaczyk nicht.
Auch in Gelsenkirchen feierten Juden am Mittwoch Jom Kippur
Am Tag der Tat feierte auch die jüdische Gemeinde in Gelsenkirchen Jom Kippur, das Versöhnungsfest, den höchsten jüdischen Feiertag. „Wir haben intensiv gebetet“, erzählt Judith Neuwald-Tasbach. „Wir denken an diesem Tag besonders unserer Verstorbenen und der Opfer aus dem Dritten Reich. Aber wir haben dann auch explizit für die Opfer aus Halle gebetet.“
Nur eine Sache mache sie angesichts des schrecklichen Ereignisses glücklich: „Wir haben so viele Nachrichten der Solidarität und des Bedauerns bekommen, so viele Schreiben und und Anrufe. Das dauert sehr lange, um das alles zu beantworten.“
Mahnwache in Gelsenkirchen mit etwa 200 Teilnehmern
Dass so eine schreckliche Tat wie die in Halle Nachahmer finden und Übergriffe auf Juden oder jüdische Einrichtungen auch in Gelsenkirchen stattfinden könnten, damit will sich Judith Neuwald-Tasbach gar nicht auseinandersetzen. „Es gibt hier Menschen, die denken darüber nach. Ich gehöre nicht dazu. Sonst würde ich sehr traurig sein“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich hoffe einfach, dass es eine bessere Zukunft gibt.“
Für eine solche Zukunft versammelten sich am Donnerstagabend etwa 200 Menschen zu einer Mahnwache vor der Neuen Synagoge. Mitarbeiter der Stadt gaben Kerzen an die Teilnehmer aus, auch weiße Rosen wurden verteilt. Die Mahnwache war eine stille Gedenkveranstaltung. Mehrere Minuten hielten die Menschen inne. Auch ohne Worte zeigten sie Haltung; der Schock über die Tat des Vortags stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft
Unter den Teilnehmern waren zahlreiche Vertreter aus Politik und Gesellschaft – auch aus den Nachbarstädten. Unter anderem kam Oberbürgermeister Bernd Tischler aus Bottrop. Hingegen war Bürgermeister Ulrich Roland aus Gladbeck wegen einer Sitzung verhindert.
Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski beendete nach etwa zehn Minuten das Schweigen und richtete dann doch noch ein paar Worte an die Menschen. Auch er bezeichnete das Attentat als einen „Anschlag gegen uns alle“ und sagte weiter: „Die jüdische Gemeinde ist mitten in der Stadt, mitten unter uns. So soll das auch bleiben.“