Gelsenkirchen. 15 Personen in Gelsenkirchen haben kein Zuhause, fast 300 sind wohnungslos. Die städtische Sozialdezernent will Hilfsangebote enger vernetzen.
Offizielle Statistiken über die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen gibt es nicht, schon gar nicht ein einheitliches Erfassungssystem. Nach jüngsten Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG) waren 2017 rund 650.000 Menschen ohne Wohnung, ohne den Einbezug anerkannt Geflüchteter sind es der BAG zufolge 275.000.
Ein Thema, dass auch Gelsenkirchens Sozialdezernenten Luidger Wolterhoff umtreibt. Er sagt: „Jeder Wohnungslose ist einer zuviel.“ Er möchte daher das lokale Hilfssystem verfeinern. Eine erste Bestandsaufnahme im Sozialausschuss diente als Grundlage für die angestrebte Diskussion über alle Parteigrenzen hinweg.
Weil es keine belastbaren Zahlen für Wohnungslosigkeit gibt, hat die Stadt in diesem Bereich tätige Fachkräfte befragt. „Heraus kam“, so Wolterhoff, „dass in Gelsenkirchen etwa zehn bis 15 Menschen ohne weitgehend jegliche Unterkunft sind und rund um die Uhr im öffentlichen Raum leben.“
100 Plätze in Gelsenkirchener Notunterkünften
Als wohnungslos werden Menschen bezeichnet, die über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügen. Sie übernachten beispielsweise in einer Notunterkunft, einer stationären Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. Einige kommen auch bei Freunden oder Bekannten unter. „Wohnungslose schämen sich oft für ihre Situation und bemühen sich, nicht als wohnungslos erkannt zu werden. Deswegen fällt Wohnungslosigkeit in der Gesellschaft kaum auf“, so Wolterhoff. Ein Grund, warum das Thema so schwer in Zahlen zu erfassen ist.
Menschen ohne festen Wohnsitz
Obdachlos hingegen sind Menschen, die keinen festen Wohnsitz und keine Unterkunft haben. Sie übernachten manchmal in leerstehenden Häusern, oft im öffentlichen Raum wie beispielsweise in Parks, Gärten oder U-Bahnstationen. „Sie machen dann Platte, wie es umgangssprachlich heißt“, so der Sozialdezernent.
Viele helfende Hände in der Stadt
In Gelsenkirchen bemühen sich Stadt, Wohlfahrtsverbände und engagierte Bürger um Wohnungs- und Obdachlose. Sie haben, das ist an dieser Stelle wichtig, nicht nur Wohnungslose als ausschließliche Zielgruppe. Zusammen schnüren sie ein Paket aus niederschwelligen, präventiven und weiterführenden Hilfen. Es reicht von der Übernahme von Mietschulden über Tagesaufenthalte, mobiler medizinische Versorgung und Frühstücks- sowie Mittagstischen über Kleiderkammern, Wohnungsversorgung für Notfälle Vermittlungshilfen für Wohnen, Gesundheit und Qualifikation bis hin zu Probewohnen.
Mit dabei sind: der Verein Arzt-Mobil (Caubstraße 28), Bethel regional mit dem Heimathof Ruhr und dem Wohnen im Forsthauswinkel (Blumendelle 31, Forsthauswinkel 4), natürlich der Caritasverband Gelsenkirchen mit dem Wilhelm-Sternemann-Haus und dem Weißen Haus in Süd und Nord (Husemannstraße 52, Hochstraße 80) sowie mit Ambulant betreutem Wohnen und dem Projekt Wohnen in Gelsenkirchen, die Gelsenkirchener Tafel (Nordring 55, Hansemannstraße 16), das Horster Regenbogenhaus (Auf dem Schollbruch 47), der rührige Verein Warm durch die Nacht und die Z entrale Fachstelle für Wohnungsnotfälle (Zeppelinalle 4) mit dem Männerübernachtungsheim an der Caubstraße 28).
Das Handlungsfeld Wohnungslosigkeit umfasst aber auch jene, die vom Verlust ihrer Bleibe bedroht sind, was dem Thema eine andere Dimension verleiht. Wolterhoff: „Zum 30. Juni 2018 waren 120 Personen kommunal und ordnungsrechtlichuntergebracht und 173 Menschen wurden durch freie Träger der Wohnungsnotfallhilfe betreut oder untergebracht.“ Und der zentralen Fachstelle für Wohnungsnotfälle (ZFW) der Stadt seien 2018 insgesamt 765 Räumungsklagen übermittelt worden. „Wir haben 417 Räumungstermine sozialarbeiterisch begleitet. In 131 Fällen wurden die Mietschulden übernommen.“ Damit nimmt Gelsenkirchen unter den 53. Kreisen und Städten landesweit Rang 46 ein.
Oft flüchten Betroffene wieder in ihr altes Leben
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Was die Übersicht über Personen ohne ein Zuhause so kniffelig macht, ist, dass „diese Menschen überdurchschnittlich oft von psycho-sozialen Problemlagen betroffen sind“, sagt Wolterhoff. Schwere Schicksalsschläge, Krankheiten und Sucht würfen sie aus der Bahn und ins Abseits der öffentlichen Wahrnehmung und des Lebens. „Scham, Angst, Scheu oder auch die ungewohnte Enge, wieder in vier Wänden zu leben, macht es außerordentlich schwer, mit ihnen in Kontakt zu treten und Hilfen auf den Weg zu bringen.“ Oft flüchten Betroffene wieder in ihr altes Leben. Ein Beleg dafür ist die Tatsache, „dass die gut 100 Plätze in den Notunterkünften bis dato nie ausgelastet waren.“
Obdachlose sind oft Wind und Wetter ausgesetzt
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Speziell für Obdachlose kommt hinzu, dass sie Wind und Wetter ausgesetzt sind und ärztliche Versorgung nur rudimentär in Anspruch nehmen. Ohne Rückzugsraum fehlt ihnen eine Grundlage zum Erhalt ihrer Gesundheit. Wolterhoffs Schlussfolgerung: „Unsere Anstrengungen zur Vermeidung und Beendigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit dürfen nicht nur auf die Sicherung und Bereitstellung von Wohnraum gerichtet sein, sondern müssen auch immer Angebote zur gesundheitlichen Versorgung, insbesondere psycho-soziale Angebote beinhalten.“ Daher die Maßgabe, Stadt, Träger der freien Wohlfahrtspflege und Unterstützer aus der Bürgerschaft enger zu vernetzen.