Gelsenkirchen-Ückendorf. Das Institut für Unterirdische Infrastruktur (IKT) ist deutschlandweit aktiv und europaweit einzigartig. In Gelsenkirchen ist es kaum bekannt.

Gelsenkirchen und Superlativ, das geht nur selten zusammen. In diesem Fall aber wird er bemüht: „Das ist der größte Sandkasten der Welt“, sagt Robert Waniek. Eine Portion Stolz schwingt da mit. Wobei: Sandkasten ist krass untertrieben. 18 Meter lang, sechs Meter breit und ebenso tief ist der „Large Testing Stand“ im IKT, eben diese große Versuchsanlage im Institut für Unterirdische Infrastruktur. Eins zu eins können hier Kanallösungen und unterirdische Baustellen nachgebaut werden. „Wir holen die Realität hier rein und können in Ruhe daran arbeiten, ohne dass wir in der Praxis Bauabläufe stören. Es geht uns darum zu simulieren, was in der Realität stattfindet“, sagt der IKT-Geschäftsführer.

WAZ-Leser besuchen das Gelsenkirchener IKT

17 WAZ-Leserinnen und -Leser stehen auf einem Metallgitterweg hoch über der Anlage und schauen durchaus beeindruckt auf das, was sie in dieser mächtigen Halle am Exterbruch präsentiert bekommen – Probenstände und Testanlagen, die so in dieser Form europaweit einmalig sein dürften. Das Kernstück ist dieser „Sandkasten“ mit massiven Fundamenten, Stahleinfassungen und Bauteilen, die Tausende Tonnen Druck aushalten, wenn beispielsweise das unterirdische Verpressen von Kanalrohr-Segmenten getestet wird. Die Halle, sagt Waniek, wurde vor 25 Jahren sozusagen „um diese Anlage herum gebaut“, als das IKT als Ausgründung der Ruhruniversität Bochum seine Arbeit aufnahm.

IKT-Geschäftsführer Robert Waniek (r.) führte die WAZ-Leser durch die Prüfanlagen. Höchst informativ und unterhaltsam erläuterte der Instituts-Chef zuvor die Arbeit der Einrichtung.
IKT-Geschäftsführer Robert Waniek (r.) führte die WAZ-Leser durch die Prüfanlagen. Höchst informativ und unterhaltsam erläuterte der Instituts-Chef zuvor die Arbeit der Einrichtung. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Ein Druckzylinder auf einem Versuchsstand nebenan lastet mit bis zu 400 Tonnen auf einem Kanalschacht aus Beton. Er dient dazu, Verkehr zu simulieren, vom schweren Lkw bis zum Güterzug, der über ein Kanalsystem rattert. Das Stichwort heißt: „Zerstörend prüfen“. Verschleiß und Belastungen, die sich in 30 Jahren ergeben würden, können hier innerhalb von drei Wochen nachgestellt werden, erklärt Waniek. Forschung und Bewertung mit solchen Stresstests sind ein Aufgabenschwerpunkt des Instituts, Prüfung und Ausbildung sind weitere.

Das Geld liegt unter der Erde

200 Gesellschafter und Förderer finanzieren maßgeblich die Arbeit des IKT. 140 sind nationale Netzbetreiber, 60 weitere kommen aus der Wirtschaft. Vertreten sind Kommunen, große Bauunternehmen, aber auch kleine Mittelständler sowie Verbände. Gelsenkanal zählt ebenso zum Gesellschafterkreis wie die Emschergenossenschaft.

In Deutschland liegt ein Großteil des öffentlichen Vermögens buchstäblich unter der Erde. So gibt es rund 575.800 Kilometer Abwasserkanäle (Wert: etwa 631 Milliarden Euro), 530.000 Kilometer Wasserleitungen (159 Milliarden Euro) und 510.000 Kilometer Gasleitungen (153 Milliarden Euro).

„Wir sind eine Referenzinstitution“, sagt Waniek. Ziel sei es, die Interessen der Kommunen bundesweit abzudecken, praxisnah Themen aufzuspüren, die in den nächsten Jahren für Städte spannend werden.“ Der Anspruch an die eigene Arbeit laute dabei stets: „Wie kriegt man ein System verbessert?Und wie kriegt man das Gebühren schonend hin“

Im großen Teststand läuft gerade ein Prüfprojekt an

Mit bis zu 400 Tonnen Gewicht drückt die Presse auf Kanalbauteile. In dreiwöchigen Test kann in Gelsenkirchen im IKT die Verkehrs-Belastung von drei Jahrzehnten simuliert werden. „Zerstörend prüfen“ lautet hier übrigens das Stichwort.
Mit bis zu 400 Tonnen Gewicht drückt die Presse auf Kanalbauteile. In dreiwöchigen Test kann in Gelsenkirchen im IKT die Verkehrs-Belastung von drei Jahrzehnten simuliert werden. „Zerstörend prüfen“ lautet hier übrigens das Stichwort. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Im großen Teststand läuft gerade ein umfangreiches Prüfungsprogramm an. Auch diesmal, so Waniek „werden wir die Lebensdauer eines Kanalstücks über Jahrzehnte simulieren“. Die Forscher wollen wissen und bewerten, wie sich die Bodenverdichtung unter verlegten Rohren optimieren lässt. Auswaschungen und Einbrüche tief im Erdreich entwickeln sich hier oft zu Langzeitschäden. Wenn man sie an der Oberfläche bemerkt, ist es meist zu spät, der Schaden riesig. „Die größten Fehler werden beim Einbau gemacht“, weiß Waniek. Deshalb geht es darum, gleich mögliche Fehlerquellen zu minimieren. Bei einer optimierten Verdichtung ginge das mit Flüssigboden. Der schmiegt sich in Hohlräume, wird aber nicht fest wie Beton. Ober er auch hält, was Entwickler versprechen, testet das IKT. „Wir bereiten fünf Kammern für den Warentest vor“, sagt der Geschäftsführer. Schnelle Ergebnisse sind nicht zu erwarten. Der Test, erfahren die Besucher, läuft bis Ende 2020.

Starkregen mit 1000 Litern Wasser pro Sekunde

Dann dürfte ein weiteres Großprojekt in einer geplanten weiteren Halle in Arbeit sein: Das IKT baut für elf Millionen Euro eine neue Groß-Prüfanlage. Das Ziel: Starkregen (bis zu 1000 Liter pro Sekunde) simulieren und die Auswirkungen auf verschiedene Straßenoberflächen und Ablaufsysteme auswerten – 20 mal zehn Meter groß wird der Prüfstand. Und natürlich europaweit einzigartig.

WAZ-Leserin Kerstin Kotowski versuchte sich an einem Dichtigkeitstest im IKT.
WAZ-Leserin Kerstin Kotowski versuchte sich an einem Dichtigkeitstest im IKT. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die Kanalrohrsanierung mittels Inlinern, vor wenigen Jahren auch schnelles Geschäft für manch windige Firma, ist zwischendurch Thema in der Runde. Einige haben da schon durchaus teuer Lehrgeld bezahlt. Beim IKT hat man in diesem Bereich auch Prüfungen durchgeführt. Waniek weiß von viel Pfusch am Bau, macht aber auch deutlich: „Unsere Zielrichtung ist die Fachwelt“, nicht der Hausbesitzer nebenan. Einen kleinen Standard-Testlauf hat Werkstoffprüferin Ines Jelagin aufgebaut. Etwa 3000 Proben pro Jahr werden im Institut untersucht. Eine kommt beim WAZ-Besuch dazu.