Marl/Gelsenkirchen. Im Prozess um die Morddrohung gegen die Gelsenkirchenerin Monika Gärtner-Engel wird ein Gutachter eingeschaltet. Schuldfähigkeit ist zu prüfen.

Einer Ladung vor Gericht nicht Folge zu leisten, ist nicht die beste Voraussetzung, um einen halbwegs guten Eindruck zu Verhandlungsbeginn zu machen. Der Vorsitzende Richter M. Hagemann fackelte auch deshalb nicht lange, als die Anklagebank leer blieb, und entsendete zwei Polizeibeamte zur Wohnanschrift des Angeklagten Jörg R. Der 56-Jährige musste sich am Montag vor dem Amtsgericht in Marl verantworten, weil er über soziale Medien angeblich dazu aufgerufen hatte, die Gelsenkirchener Stadtverordnete Monika Gärtner-Engel zu töten, und die MLPD-Politikerin mit Hass-Tiraden und Beleidigungen übelster Art überzogen haben soll.

Notarzt bescheinigt Verhandlungsfähigkeit

Mit einer guten Dreiviertelstunde Verspätung begann Staatsanwalt Hauke Schlick mit der Verlesung der Anklageschrift, nachdem sich Verteidiger Tim F. Schubert zuvor hinter verschlossenen Türen vergeblich bemüht hatte, aufgrund von Krankenbescheinigungen und Attesten die Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten in Abrede zu stellen. Richter Hagemann indes stütze sich allein auf den Befund des Notarztes, als die Beamten den Angeklagten in den Gerichtssaal führten. „Demnach geben die Vitalwerte keinen Anhaltspunkt für eine Verhandlungsunfähigkeit.“

Prozessauftakt gegen den Marler Jörg R. vor dem Marler Amtsgericht am Montag, 5. August 2019. Dem 56-Jährigen wird vorgeworfen dazu aufgerufen zu haben, die Gelsenkirchener Stadtverordnete Monika Gärtner-Engel zu töten. Im Bild: der Vorsitzender Richter M. Hagemann.  
Prozessauftakt gegen den Marler Jörg R. vor dem Marler Amtsgericht am Montag, 5. August 2019. Dem 56-Jährigen wird vorgeworfen dazu aufgerufen zu haben, die Gelsenkirchener Stadtverordnete Monika Gärtner-Engel zu töten. Im Bild: der Vorsitzender Richter M. Hagemann.   © WAZ | Nikos KImerlis

Da saß er also nun, Jörg R. Ein korpulenter Zeitgenosse, schwarzes Sakko, roter Pulli, schwarze Jeans, Nickelbrille, Schnautzer, strubbeliges rotblondes Haar. Nur zweimal redete er selbst: Als es um den Abgleich seiner persönlichen Daten ging und als er dem Gericht berichtete, unter welche Erkrankungen er leide. Ansonsten schwieg der 56-jähriger Marler.

Strategie der Verteidigung: Schuldunfähigkeit aufgrund von Erkrankungen

Apropos Krankheiten: Anhand der langen Leidensliste, die er und sein Pflichtbeistand anführten, war die Verteidigungslinie schnell erkennbar. Von „Depressionen, Verwirrtheit, gichtartige Anfällen, Apnoe mit Todesängsten“ nach einem Unfall, der mehr oder minder in die Schwerbehinderung und in die Frührente führte, war die Rede. Für Tim F. Schubert mehr als genug, um die „Schuldfähigkeit“ seines Mandanten in Frage zu stellen. Was Peter Weispfenning, Anwalt von Monika Gärtner-Engel, später als „jämmerlich und schäbig“ einstufte, weil der Beschuldigte doch auffallend dezidiert und strukturiert seine Lebenssituation beschreiben konnte. Von Verwirrtheit sei da keine Spur gewesen.

Beschwerde eingelegt wegen Ausschluss von Nebenklage

Der Gelsenkirchener Rechtsbeistand von Monika Gärtner-Engel, der Rechtsanwalt Peter Weißpfenning, hat Beschwerde eingelegt. Hintergrund ist, dass die Gelsenkirchener Politikerin als Nebenklägerin im Prozess auftreten wollte. Damit hätte sie die Möglichkeit, an der gesamten Verhandlung teilzunehmen, selbst Erklärungen abzugeben und Anträge zur Bestrafung des Täters zu stellen.

Das hat Richter Lob zuvor in Vertretung des Vorsitzenden Richter Hagemann abgelehnt. Begründung: „… die Geschädigte als Mitglied der MLPD schon in der Vergangenheit mit dem Angeklagten aneinandergeraten ist und nach Aktenlage der Eindruck entstanden ist, dass sie auch selbst gut austeilen kann. Staatsanwaltschaft, Verteidigung und auch der Vorsitzende Richter betonten, dass wegen „der Unanfechtbarkeit der Entscheidung“ kein neuer Antrag auf Zulassung als Nebenkläger möglich sei.

PC muss zur Beweisfeststellung noch ausgewertet werden

Als dann Staatsanwalt Hauke Schlick zur Feststellung kam, dass „die sichergestellten Beweismittel noch nicht komplett ausgewertet worden sind“ – ein PC und ein Router lagernd beim Landeskriminalamt, über die Jörg R. seinen Hass, seine Drohungen und seine Beleidigungen über soziale Netze verbreitet haben soll, entschied der Vorsitzende Richter, die Verhandlung zu vertagen: „Bis die Daten auf dem Computer ausgewertet sind und bis ein ärztliches Gutachten über die Schuldfähigkeit des Angeklagten vorliegt.“ Der Termin wird noch bekannt gegeben.

Prozessauftakt gegen den Marler Jörg R.

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    Applaus für Polizeihauptkommissare

    Enttäuschung bei den rund 30 Zuschauern, vorwiegend Unterstützer von Monika Gärtner-Engel, die nun befürchten, dass der Angeklagte straffrei davonkommen könnte. Und Applaus vor dem Gerichtsgebäude von dem Gelsenkirchener Tross für die beiden Hauptkommissare, die Jörg R. zum Gericht brachten und nach Verhandlungsende frische Luft tankten: „Standing Ovations, das bekommen wir nicht alle Tage.“