Gelsenkirchen-Altstadt. Die Bewohner der Ringstraße 99 in Gelsenkirchen leben in einem unfertigen Haus. Bauschutt, unfertige Arbeiten, Müll und Ratten nerven die Mieter.
„Seit dem letzten Sommer passiert hier nichts mehr“, sagt Erwin Kaczerowski. Der 77-Jährige spricht von dem Neubau an der Ringstraße 99, in dem er seit der Errichtung lebt. Auch andere Bewohner haben sich vor dem Haus versammelt, weil sie unglücklich über den aktuellen Zustand sind. Der vordere Teil des Wohnhauses ist mit einem halb umgekippten Bauzaun umfriedet. Lediglich über einen provisorisch aufgestellten Holzsteg erreichen die Bewohner den Eingang. Rechts und links häuft sich Bauschutt, Mauersteine stapeln sich, ein Zementsack liegt achtlos herum, Unkraut wuchert und jede Menge Müll macht sich breit. Die Fallrohre einer Regenrinne werden nicht abgeleitet, so dass das Regenwasser ins Mauerwerk fließt.
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Auch, wenn der Hof weniger zugemüllt ist, sieht es hier ähnlich aus: unfertige Terrassen, fehlende Geländer und eine verwachsene, halb fertige Tiefgarageneinfahrt. 16 bisher nicht vorhandene Stellplätze wurden den Mietern hier versprochen.
Bauarbeiten seit einem Jahr nicht abgeschlossen
Deutlich lässt sich erkennen, die Bauarbeiten wurden am und um das Haus nicht abgeschlossen. Nach Aussage der Anwohner würde seit einem Jahr baulich nichts mehr passieren. Zudem ist auffällig erkennbar, dass das Haus im Vergleich zum Gehweg tiefer liegt. Auch äußert sich der Bewohner Hans-Peter Wolf (72) über immer wieder gesichtete Ratten am Eingangsbereich.
Baubeginn des Hauses für Mieter mit Wohnberechtigungsschein war Anfang 2017, die Rohbauabnahme im Oktober im selben Jahr. Eine Gestattung der vorzeitigen Nutzung wurde laut Stadtverwaltung trotz nicht fertiger Außenanlage zu diesem Zeitpunkt erteilt, da bei der öffentlichen Sicherheit und Ordnung keine Bedenken bestanden hätten und bestünden. Der Bauherr aus Buer sei für die Bewohner seit längerer Zeit nicht zu erreichen. Ein Stadtsprecher informiert, dass die Zuwegung, Tiefgarageneinfahrt und weiteres nicht fertig gestellt werden konnten, da es Unstimmigkeiten wegen der Höhenlage des Bauwerks mit der Stadt Gelsenkirchen gegeben habe. Mittlerweile hätte man sich aber geeinigt.
Laut der Stadtverwaltung soll die Fertigstellung in Kürze folgen
Somit soll auch die Fertigstellung der Außenanlagen in Kürze erfolgen. Zum Thema Müll und Ratten sagt der Stadtsprecher: Der Müll werde wohl vorwiegend von Dritten verursacht und soll in regelmäßigen Abständen vom Hausmeister entsorgt werden. Die Ratten seien seit dieser Woche bekannt und ein Schädlingsbekämpfer wäre bereits vor Ort gewesen.
Städtisches Service-Telefon bei Problemfällen
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Generell sei die Stadtverwaltung über Meldungen solcher Fällen dankbar. Sie weist auf die zentrale städtische Service-Telefonnummer unter 0209/169-3000 hin, an die sich Gelsenkirchener Bürger bei Problemfällen wenden können.
Bauprojekt begleiten Insolvenz-Sorgen und Geldprobleme
Über Ratten und Mäuse im Haus, Müll vor und hinter dem Haus, Probleme mit der (einzigen) Waschmaschine und klatschnasser Wäsche im Keller, mit Schimmelbildung, der Nebenkostenberechnung und diversen anderen „Baustellen“ sind sich auch der Architekt und die Bauherren des Komplexes im Klaren. Das geht aus Korrespondenz hervor, die der WAZ vorliegt.
Die Situation hat sich in den vergangenen Wochen dramatisch verändert. Eine beteiligte Baufirma musste offenbar Insolvenz anmelden, ausstehende Rechnungen und Tilgungsraten haben beteiligte Banken in Alarm versetzt, Darlehensverträge stehen auf der Kippe oder scheinen bereits gekündigt worden zu sein.
Privater Investor wollte knapp sieben Millionen investieren
6,7 Millionen Euro, hieß es beim Baustart im Juli 2016, wolle der private Gelsenkirchener Investor in den Neubau investieren, 39 öffentlich geförderte Wohnungen sowie zwei Ladenlokale im Erdgeschoss realisieren. Mit dem Wohnhaus auf dem ehemaligen Tankstellengelände an der Ecke Weberstraße sollte auch ein „Schandfleck“ verschwinden. Die alten Garagen dort und das Gelände waren zuvor über Jahre zum wilden Schotterparkplatz verkommen.
Städtische Kontrolleure haben mittlerweile den Neubau in Augenschein genommen. Eine Absturzsicherung über der Tiefgarage wurde danach durch Handwerker vor Ort hergestellt, ebenso kann jetzt eine Bewohnerin ihren Balkon nutzen – auch er bekam ein provisorisches Geländer.